Dass es trotz des Trends, die Tore eines landwirtschaftlichen Betriebs für immer zu schließen, auch gegenteilige Beispiele gibt, zeigt Familie Steininger auf ihrem Biobetrieb “Hausmühle” im Waldviertler Grafenschlag vor. Im Jahr 2004 entschloss sich René Steininger mit einem neuen Betriebszweig, der Wassergeflügelhaltung, neu durchzustarten.
Die ersten acht Wochen verbringen Tiere im Stall
“Ich bin zwar nicht auf einem Bauernhof aufgewachsen, hatte aber auf den großelterlichen Betrieben immer die Möglichkeit, mitzuarbeiten und das Leben und die Arbeit der Bauern kennenzulernen”, erzählt René Steininger, der hauptberuflich als Bautechniker tätig ist. Trotz seines stressigen Berufs oder gerade deswegen suchte er einen Ausgleich in der Landwirtschaft. Und mit derselben Akribie, in der er seine Bauprojekte abwickelt, wurde die Revitalisierung des gemischten Grünland- und Ackerbaubetriebs in Angriff genommen.
“Ein paar Gänse und Enten für den Eigenverbrauch waren schon bei meinem Vater am Hof. Dazu stehen der ‚Hausmühle‘ – früher zum Betrieb einer Getreidemühle und eines Sägewerks genutzte – Wasserrechte am Langschlägerbach und am Purzelkamp zur Verfügung”, erklärt Steininger, warum gerade diese Betriebssparte für ihn interessant wurde.
Der Einstieg gestaltete sich finanziell aufwendig: Ein Stallgebäude musste errichtet und sechs Hektar Grünland mit einem Drahtzaun mit einer Höhe von 1,75 Metern umfriedet werden. Dazu wurde eine entsprechende behördliche Genehmigung notwendig. Mithilfe von Professor Günter Fallmann und der LFS Edelhof konnte, durch umfangreiche Berechnungen der Koteintragungen, die Nutzung des Werkskanals für bis zu 1000 Weidegänse erreicht werden. Dazu wurden Uferbefestigungen mit Steinen vorgeschrieben. “Der Aufwand hat sich gelohnt”, ist René Steininger überzeugt. “Je besser die Tiere leben, desto besser ist die Fleischqualität – und das erkennen auch die Kunden.”
Anfang bis Mitte Mai kommen die Gössel (Eintagsküken) auf den Betrieb. Die ersten sieben bis acht Lebenswochen verbringen sie in der Halle (unter Dach) und erhalten Fertig-Aufzuchtfutter. Sobald die Tiere ihr Federkleid bekommen haben, kommen sie auf die Weide. Ab sofort stehen frisches, saftiges Gras und gequetschtes Getreide (Triticale und Hafer) am Speiseplan. Wichtig ist zudem, dass ausreichend Trinkwasser zur Verfügung steht. Damit die Gänse die ganze Weidefläche gleichmäßig nutzen, werden der Futterautomat sowie die Rohrtränke mit Wasserbehälter alle drei bis vier Tage auf der Koppel weitergerückt. “Die Unterteilung der Weideflächen in zwei Koppeln hat sich insofern bewährt, als dass sich die Grasnarbe zwischenzeitlich erholen kann”, berichtet Steininger aus der Praxis.
Im Herbst ist schließlich der Salmonellentest verpflichtend vorgeschrieben, bevor mit der Schlachtung der Tiere – in Lohnverarbeitung bei Waldland in Oberwaltenreith – begonnen wird. “Die Saison startet bereits Mitte Oktober mit dem Martinigansl, wo bereits fast 90 Prozent der Tiere ihre Abnehmer finden. Die restlichen zehn Prozent landen als ,Weihnachtsgansl‘ am Teller der Konsumenten”, so Steininger.
Konsumenten wollen über Haltung Bescheid wissen
Der Verkauf erfolgt sowohl an private Abnehmer als auch an die Gastronomie. “Bereits im Frühjahr beziehungsweise zu Beginn des Sommers nehmen wir Bestellungen für die kommende Saison an und erkundigen uns bei unseren Stammkundschaften, ob sie mit unserer Ware zufrieden waren. Dabei wird auch besprochen, ob wir in diesem Jahr wieder liefern dürfen. Das erleichtert uns die Planung. So wissen wir bereits bei der Bestellung der Gössel, wie viele wir ungefähr brauchen werden”, erklärt René Steininger die Marketingstrategie, die vor allem auf Mundpropaganda aufgebaut ist. “Viele unserer Kunden kommen bereits im Sommer einmal vorbei, um zu sehen, wie die Tiere gehalten werden. Das Bewusstsein der Konsumenten ist gestiegen und die Bereitschaft, für nachvollziehbare und höchste Qualität ein paar Euro mehr auszugeben, ist vorhanden.” Viele Konsumenten wüssten zudem mit einer ganzen Gans gar nichts mehr anzufangen. “Denen ist geholfen, wenn wir im persönlichen Gespräch nützliche Tipps geben können, wie beispielsweise, dass pro Kilogramm Gans eine Stunde Bratzeit einzurechnen ist”, betont Steininger. Für die Gastronomie gibt es Tischaufsteller, auf denen die Gäste über die Herkunft und die Haltungsbedingungen ihres “Gansls” am Teller informiert werden.
Zu den Risiken der Weidegänsehaltung zählt die immer wieder auftretende Vogelgrippe, die derzeit wieder bis Salzburg eine Stallpflicht für Geflügel bedingt, auch wenn der Virus für Menschen völlig ungefährlich ist. Aber auch Ausfälle durch Wild machen dem Betrieb zu schaffen. “Einerseits ist es der Fuchs, andererseits – so vermuten wir zumindest – der Luchs, durch die es immer wieder zu Tierverlusten kommt, die leider nicht versicherbar sind. Da fühlen wir uns von den Behörden im Stich gelassen”, zeigt Steininger aktuelle Problemfelder auf.
Dennoch stelle die Wassergeflügelhaltung für die “Hausmühle” eine Nische dar, die trotz aller Risiken funktioniere, zieht René Steininger Bilanz und plant bereits für die Zukunft. In den nächsten zwei Jahren soll das Stallgebäude um einen Schlachtraum und einen Verkaufsraum erweitert werden, damit alle Arbeitsschritte bis zum Verkauf am Hof erfolgen können. Auch die Brüterei könnte noch ausgebaut werden. René Steininger: “Am Anfang war es ein teures Hobby für mich. In absehbarer Zeit könnte ich mir vorstellen, davon zu leben.”
Biobetrieb “Hausmühle”: Betriebsspiegel
Betriebsführer: René Steininger
Betriebsgröße: 23 Hektar Grünland- und Ackerfläche inklusive Pachtgrund, biologische Wirtschaftsweise
Angebot: Weidegänse von Martini bis Weihnachten, Enten ganzjährig, Miniputen;
Hofbesichtigungen für Einzelpersonen oder Gruppen; telefonische Voranmeldung beziehungsweise Vorbestellung notwendig.
Kontakt: Familie Steininger, 3912 Grafenschlag, Kleingöttfritz 17 Telefon: 02875/88080
E-Mail: hausmuehle@aon.at
Homepage: www.hausmuehle.at
Eva Riegler