Am Montag stellte sich Christophe Hansen gut dreieinhalb Stunden lang den Fragen der Abgeordneten des Agrarausschusses im EU-Parlament. Der von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für den Posten des Agrarkommissars vorgeschlagene Luxemburger bestach laut agrarheute.com im Hearing durch einen „fachkundigen, konsensorientierten“ Kurs und erntete dafür nach der Sitzung breite Zustimmung der Fraktionen.
Zu wenig Jungbauern
In seinem Eingangsstatement legte der Luxemburger, der in seinem Heimatland auch als Generalsekretär der Christlich-Sozialen Volkspartei tätig ist, drei zentrale Prioritäten für seine Amtszeit fest: Abbau bürokratischer Hürden, praxisnahe Entscheidungen und die Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft. Besonders wichtig ist ihm zudem die verstärkte Unterstützung für Jungbäuerinnen und Jungbauern. „Wir stehen an einem demografischen Abgrund“, warnte er. Von den rund neun Millionen Bauernhöfen in der EU seien weniger als zehn Prozent von Bauern unter 40 Jahren geführt. Hansen will darum kurzfristig eine Strategie zur Erleichterung der Betriebsübergabe vorlegen und die Bereitstellung der „notwendigen Ressourcen“ gewährleisten.
Hansen: „Wir stehen an einem demografischen Abgrund.“
Auch die wenig zufriedenstellende Lage auf den Agrarmärkten machte der 42-Jährige zum Thema. Landwirte würden faire Preise für ihre Produkte benötigen, um von ihrer Arbeit leben zu können, ohne überwiegend auf Subventionen angewiesen zu sein, hielt er fest. Um die Bedürfnisse der Bauern noch besser zu verstehen, kündigte er an, künftig vermehrt landwirtschaftliche Betriebe in den EU-Mitgliedstaaten persönlich zu besuchen. So sollen die Entscheidungen der Kommission praxisnah gestaltet werden.
Milliardenschwere Finanzlücke schließen
Ebenso bekannte sich der Bauernsohn zu einem Fortbestehen eines eigenständigen und starken EU-Agrarhaushalts. Damit trat der Luxemburger geleakten Plänen der Kommission entgegen, alle Töpfe des EU-Haushalts in einem Budget zusammenführen zu wollen. Weiters sprach sich Hansen für die Schaffung zusätzlicher Finanzierungsquellen für die Landwirtschaft aus, etwa unter Beteiligung der Europäischen Investitionsbank (EIB). Er untermauerte dies mit einer EIB-Untersuchung, wonach in der europäischen Landwirtschaft eine Finanzierungslücke von jährlich rund 62 Mrd. Euro für Investitionen klafft.
Damit rennt Hansen auch beim ÖVP-Agrarsprecher im EU-Parlament, Alexander Bernhuber, offene Türen ein: „Für die kommende Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2027 benötigen wir ein Budget, das die dramatisch gestiegenen Kosten für Maschinen, Dünger und Energie berücksichtigt.“
„Kommissar mit Vision“
Bernhuber fordert diesbezüglich eine Budgetanpassung, die auch die Inflation miteinbezieht. „Hier ist Hansen gefragt, in den kommenden Monaten entschieden zu handeln“, so Bernhuber. Dennoch blickt er, nach den „enttäuschenden Jahren“ unter dem polnischen Kommissar Janusz Wojciechowski, mit Zuversicht in die Zukunft: „Mit Christophe Hansen haben wir wieder einen Agrarkommissar, der eine klare Vision für die künftige EU-Agrarpolitik mitbringt.“
Bernhuber: „Mit Christophe Hansen haben wir wieder einen Agrarkommissar, der eine klare Vision für die künftige EU-Agrarpolitik mitbringt.“
Noch fehlt dem designierten Agrarkommissar allerdings die offizielle Legitimation durch das EU-Parlament. Die endgültige Bewertung wird am 21. November – nach Anhörung aller Kandidaten – durch Parlamentspräsidentin Roberta Metsola (auf Basis der Abstimmungen in den Ausschüssen) verkündet. Danach wird das Parlament über das gesamte Kollegium der Kommissare abstimmen. Die Kommission von der Leyen II könnte dann mit 1. Dezember ihre Arbeit offiziell aufnehmen.
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- Hearing Hansen: EU-Parlament