Erste beziehungsweise weitere Seuchenfälle der hochpathogenen aviären Influenza (HPAI) in Nutztierhaltungen wurden Anfang November aus Polen, Dänemark und den Niederlanden gemeldet. Auch in Deutschland mussten große Bestände bereits gekeult werden.
In Brandenburg wurden zwei Fälle der Geflügelpest vom Typ H5N1 in einem Nutzgeflügelbestand bestätigt. Betroffen waren dort mehr als 200 Enten, Gänse und Hühner, die zuvor Krankheitssymptome gezeigt hatten. Kurz danach folgte ein weiterer Geflügelpest-Fall in einer kleineren Haltung in Schleswig-Holstein. Auch die eine Hochburg der deutschen Geflügelhaltung ist betroffen: Im Landkreis Cloppenburg in Niedersachsen wurde der Ausbruch der Geflügelpest erst in einem Betrieb mit etwa 38.000 Enten betätigt, bald darauf unweit davon entfernt zwei Putenmastbetriebe mit jeweils mehr als 9.000 Tieren. Die Bestände wurden im Rahmen der üblichen Seuchenschutzmaßnahmen gekeult. Hinzu kamen zahlreiche Meldungen zu Wildfunden in verschiedenen Teilen Deutschlands.
Die betroffenen Landkreise richteten sofort die erforderlichen Sperr- und Beobachtungsgebiete ein. Zudem gelten die Stallpflicht sowie ein Verbringungsverbote für Tiere, Mist und Gülle. Nicht nur bei den deutschen Geflügelhaltern steigt täglich die Nervosität, heißt es beim Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft. Dessen Präsident Friedrich-Otto Ripke setzt nun auf eine möglichst zügige Impfstoffentwicklung. Außerhalb Europas werde längst immer häufiger gegen das Virus geimpft, die Geflügelbranche in Deutschland drängt nun ebenfalls darauf, die Impfung baldmöglichst einzuführen. Die in kurzer Zeit mit modernen Wissenschaftsmethoden in Deutschland gegen Corona entwickelten Impfstoffe müssten dabei Ansporn und Vorbild sein, auch wenn eine breitwirksame Impflösung gegen die Vogelgrippe sicher nicht binnen Jahresfrist zur Verfügung stehen werde.
Nutzgeflügel frühzeitig infiziert
Besorgnis herrscht unter Fachleuten vor allem darüber, dass die Geflügelpest so früh im Herbst bei Nutzgeflügel festgestellt wurde, bevor überhaupt ein Wildfund das Aufkommen der Seuche angezeigt habe, schreibt Agra-Europe. Generell wird an die Geflügelhalter eindringlich appelliert, die Biosicherheitsmaßnahmen einzuhalten und Kontakt zwischen Wildvögeln und dem Hausgeflügel zu vermeiden. Befürchtet wird nun ein besonders großes Seuchengeschehen in den kommenden Wochen und Monaten.
Unterdessen ist die hochansteckende Krankheit Ende Oktober auch in dänischen Beständen aufgetreten, auf einem größeren Putenmastbetrieb mit rund 28.000 Tieren im Westen Seelands. Nur zwei Tage später wurde ein zweiter Fall in einem Kleinbestand unweit davon gemeldet. Der letzte Ausbruch der Geflügelpest in einem dänischen Geflügelhof war Anfang Juli verzeichnet worden. Seit September wurden aber mehr als 50 Funde infizierter Wildvögel gemeldet.
In Polen wurde die Geflügelpest Anfang November ebenfalls in zwei großen Putenmastbetrieben mit 81.000 sowie 62.500 Tieren in Masowien festgestellt. Eine Woche später wurden drei Seuchenfälle in den Wojewodschaften Schlesien, Lebus und Lodz verzeichnet, fast 64.000 Stück Nutzgeflügel mussten gekeult werden.
Seit Jahresbeginn wurden in Polens Landwirtschaft fast 350 Fälle von Geflügelpest verzeichnet. Wie auch in Deutschland war dies einer der bisher stärksten HPAI-Seuchenzüge der vergangenen Jahrzehnte.
Große Bestände vorbeugend gekeult
Verschärft hat sich die Seuchensituation auch in den Niederlanden. Dort wurden auf vier Geflügelbetrieben, Infektionen mit Verdacht auf den HPAI-Virustyp H5 festgestellt und vorsorglich mehr als 127.000 Tiere gekeult. Kurz darauf mussten weitere 48.000 Legehennen auf Verdacht vorsorglich getötet werden. Auch Italien meldet dieser Tage sechs Ausbrüche der Geflügelpest bei Mastputen in der Provinz Verona. Und Frankreich zählte seit Anfang September vier Fälle mit Geflügelpest: Drei Fälle vom H5N8-Subtyp in Hinterhofbeständen sowie ein Wildtier vom Typ H7N7. Im vergangenen Winter- und Frühjahr waren wegen eines Seuchenzugs insbesondere im Südwesten des Landes mehr als 3 Millionen Vögel auf behördliche Anordnung hin gekeult worden.
Derweil sorgte die erlassene Stallpflicht für gewerbliche Geflügelhaltungen in Teilen Frankreichs für Unmut. In der Bresse etwa, Heimat der gleichnamigen Hühner nördlich von Lyon, weigerten sich die Mäster, den Auflagen nachzukommen. Nach Angaben des dortigen Branchenverbandes beflürchten die Landwirte, ihre Produkte nicht mehr mit der lokalen geschützten Ursprungsangabe „g.U.“ verkaufen zu können, weil deren Auflage dafür Weidegang vorsieht. Der Branchenverband bemüht sich nun in Paris um eine Ausnahmeregelung.
In Großbritannien sind alle Geflügelhalter seit dem 3. November gesetzlich verpflichtet, strenge Biosicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, um ihre Bestände zu schützen. Am 11. November bestätigte das Landwirtschaftsministerium in London den Ausbruch der Vogelgrippe in einem Geflügelbetrieb.
Auch in Österreich sei das Risiko für Ausbrüche in Wildvögeln und im Geflügel durch den derzeit stattfindenden Vogelzug in Durchzugsgebieten und Überwinterungsgewässern in Österreich stark zu, so die Experten der Gesundheitsagentur AGES. Derenwöchentlich aktualisierte Risikoeinschätzung findet man unter
www.verbrauchergesundheit.gv.at/tiere/krankheiten/ai.html
Bernhard Weber