Wie Erbsen zum „Burger“ werden

Vegetarischer Hamburger

Protein aus Erbsen ist derzeit der aufgehende Stern am veganen Himmel. Das „grüne  Eiweiß“ eignet sich gut als Ausgangsstoff für „Pflanzenfleisch“. Fleischersatzprodukte á la Schwein, Rind oder Hendl laufen ihren originalen Vorbildern bei vielen Konsumenten den Rang ab. Auch bei Fisch und Käse rollt die Welle der Ersatzprodukte. Ein Blick auf die „schöne neue Ernährungswelt“.

Mit Fleischverzicht die Welt retten“, so lautet einer der fundamentalen Grundsätze der Veganbewegung. Er findet zunehmend Gehör. Selbst diejenigen, die das für einen grundlegenden Irrtum halten, müssen die vegane Welle zur Kenntnis nehmen. Von Pionieren angestoßen, wächst der Markt bereits in industrielle Dimensionen. So macht etwa der deutsche Fleischwarenriese Rügenwalder mit Veganprodukten auf Basis von Soja, Weizen und Erbsen bereits mehr Umsatz als mit der traditionellen Palette.
Den Trend zur Erbse als Hauptproteinquelle hat der gelernte Fleischer Friedrich Büse begründet. Büse ist aus Frust über die Zustände in der industriellen Tierhaltung zum Vegan-Pionier geworden und hat 2015 das bis heute sehr erfolgreiche Unternehmen Endori gegründet.

Der Branchenumsatz wächst jährlich um 12 Prozent

Untermauert von der internationalen Marktforschung treiben in jüngerer Vergangenheit auch Großunternehmen und kapitalkräftige Investoren den Trend weiter voran. Neben Rügenwalder und Endori zählen dazu zahlreiche Eigenmarken von Supermärkten und internationale Konzerne wie Like Meat, Nestlé, Beyond Meat oder Oatly. Einblicke in diese Szene ermöglichte “proHektar” Gundula Pally, Manager-Partner des internationalen Unternehmensberaters Roland Berger. Das Unternehmen hat in einer Studie Struktur und Eckdaten des Vegan-Marktes beleuchtet. Demnach befindet sich der Markt für Proteinalternativen und Fleischersatzprodukte „aus internationaler Brille“ derzeit noch in der Aufbauphase. Nach Einschätzung von Roland Berger wird der Markt für alternative Proteine in den nächsten fünf Jahren um 12 % pro Jahr wachsen. Die Branche wird bis 2025 in eine Reifephase eintreten, wenn die Produzenten ihre Kapazitäten erhöht und die Beschaffung gesichert haben, heißt es. Die Gelegenheit für einen Neueinstieg und eine entsprechende Positionierung in der Wertschöfpungskette sei deshalb noch günstig, ist man bei Roland Berger überzeugt. Als „Treiber des Marktes“ sieht Pally vor allem die Nachfrage der Kunden. Die Zahl der Flexitarier, die schon vor einigen Jahren in unseren Breiten bei rund 10 Prozent lag, werde mit der jetzt jungen Generation weiter zunehmen. Als wichtigste Motive für den Vegan-Trend hat man bei Roland Berger Folgende herausgefiltert:

  • ein wachsendes Tierwohl-Verständnis,
  • ein höheres Gesundheitsbewusstsein und
  • ein kritischer Umgang mit Landwirtschaft in Bezug auf den Klimawandel.
Lukrative Margen

Laut Pally ist in der Produktions- und Wertschöfpungskette bereits eine Strukturierung erkennbar. Es lassen sich fünf Stufen unterscheiden, die mit der landwirtschaftlichen Produktion und einer ersten Verarbeitung beginnen. Bei der Erbse ist auf Stufe 1 das Ausgangsprodukt die geschälte Gelberbse, das in der zweiten Stufe in Protein, Stärke und Fasern aufgespalten wird. Parallel dazu gehören auch die Hersteller von Gewürzen, Geschmacksstoffen und weiteren Komponenenten in diese Stufe. An vierter Stelle folgt die eigentliche marktkonforme Produktion. Im letzten Schritt erfolgt der Vertrieb, vorrangig über den klassischen Handel. Was die durchschnittlichen Branchenspannen betrifft, so hat Roland Berger vor allem in den Verarbeitungsstufen lukrative Margen zwischen 30 und 60 Prozent ermittelt. Laut Pally hat aber jeder Teilnehmer seine eigene Marge, die je nach Position in der Kette variiert.

Die Erbse wird die Sojabohne vom Thron stoßen

Was die Landwirtschaft betrifft, so sieht man bei Roland Berger die Erbse als die „führende pflanzliche Proteinquelle der Zukunft“. Soja sei zwar aufgrund seines hochwertigen Proteins noch die Nummer eins, werde aber mittelfristig vom Thron gestoßen. Die Vorbehalte gegenüber Soja beruhen auf der genmodifizierten Züchtung, dem schlechten Umweltimage und auf Bedenken wegen der allergenen und östrogenen Wirkung von Soja.
Die Erbse punkte demgegenüber mit nachhaltigem und auch regional möglichem Anbau und einer ebenfalls gut für die Verarbeitung geeigneten Proteinqualität. Ein Manko ist laut Pally, dass derzeit noch zu wenig Erbsen auf dem Markt sind, um die Nachfrage zu bedecken. Die Landwirtschaft könne sich hier noch besser positionieren, zumal für Eiweißerbsen auch höhere Preise als für Sojabohnen erzielbar sein sollten. Die wichtigsten Produktionsländer für Körnererbsen zur Proteingewinnung sind derzeit Kanada und China. In Europa ist Frankreich der mit Abstand größte Produzent.

Quelle: Endori Food GmbH & Co. KG
Mit Geschnetzeltem sowie Pulled Chicken und Pulled Pork startete das Unternehmen Endori die Prodkution von Vegan-Fleisch.
Das „Fleisch“ aus dem Extruder schmeckt den Kunden

Damit aus Erbsenmehl ein Nahrungsmittel mit grünem Protein wird, ist eine hochkomplexe Fertigung erforderlich. Ausgangsstoff sind gelbe Schälerbsen, die gemahlen und eingemaischt werden. In einem zweistufigen Zentrifugierverfahren kann die Erbsenpaste zu Protein, Stärke und Fasern aufgespalten werden. Das getrocknete Erbsenprotein ist dann die Grundzutat für die Herstellung von Schnitzeln oder Nuggets. Auch Milch- bzw. Käseimitate oder Speiseeis lassen sich aus dem hochreinen Protein herstellen.
Technologisch gibt es für die Weiterverarbeitung der Proteine einen ganzen Maschinenpark. Am wichtigsten ist der Extruder. Mit der Maschine wird das Proteinpulver mit Wasser und Öl angerührt und auf etwa 250 °C erhitzt und unter Druck gepresst. Unterschiedliche Parameter für Temperatur und Druck ergeben unterschiedliche Texturen des Fleischersatzes. Danach geht es je nach Endprodukt weiter. Für die pulled-Varianten wird der Proteinteig mit flüssigem Stickstoff gefroren und bei minus 74 °C gezupft. Farbe und Geschmack werden mit Gemüseextrakten (Karotten, Rote Rüben) und Gewürzen angereichert. Am Ende der Zubereitung können dann noch Grill oder Fritteuse stehen.
Auf die Frage, wie es um den Geschmack der Produkte stehe, meint Pally, dass die Empfindung „gar nicht so subjektiv“ sei. Dank Gewürzen und Herstellungsprozess sei der Geschmack sehr ähnlich wie bei „echten “ Fleischprodukten. Auch österreichische Marken, wie Vegini aus Niederösterreich, würden zeigen, dass die Produkte in den Regalen wahrgenommen werden.

„Echtes“ Fleisch bleibt auf dem Menüplan

Dass die Ersatzprodukte dem „echten“ Fleisch tatsächlich den Rang ablaufen können, scheint so rasch aber nicht einzutreffen. Laut Gundula Pally werde für uns Fleisch auch weiterhin dazugehören. Der durchschnittliche Fleischkonsum sinke in unseren Breiten nur in geringem Maß, wenn auch stetig. Es werde auch weiterhin so sein, dass rund ein Fünftel der Weltbevölkerung – eben jene in den Industrienationen – zwei Fünftel des weltweit produzierten Fleisches konsumiert. Es sei zu erwarten, dass in Ländern mit steigendem Wohlstand – und davon gibt es etwa mit China auch große Namen – der Fleischkonsum in den nächsten Jahren sogar noch anziehen werde.


Die Prinzessin kann jetzt die Erbse essen

Die Körnererbse wird schon bisher als Eiweißkomponente in der Tierfütterung genutzt. Aufgrund neuer Technologien in der Verarbeitung erfährt sie nun aber einen Aufschwung in der menschlichen Ernährung. Eiweißhaltige Produkte bereichern zunehmend die Menüs ernährungsbewusster und auf Fleischverzicht bedachter Konsumenten. Für Fleisch-, Fisch- und Käse-Imitate wird das Erbsenprotein verwendet, auch der Stärke-Anteil kann für die menschliche Ernährung verwendet werden. Wieder in das Tierfutter zurück gehen später allerdings die Schalen und die Faseranteile. Als “rein vegan” kann man deshalb den neuen Trend zur Erbse auch nicht bezeichnen.

- Bildquellen -

  • Endori Produktion III: Endori Food GmbH & Co. KG
  • Veggie Burger: ExQuisine - stock.adobe.com
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AUTORHans Maad
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