Vor 100 Jahren konnten Bauern Wiens Milchbedarf nicht decken

Täglich vollbringen die Bauern in Niederösterreich echte Höchstleistungen. Heute erzeugten sie Agrarprodukte für 8,1 Millionen Menschen. Das war nicht immer so.

Darstellung der Lieferanten und Anlieferungen nach Molkereien in Niederösterreich zum Stichtag 1. Jänner 2022.

Niederösterreichs Bäuerinnen und Bauern tragen tagein und tagaus Sorge dafür, dass auf unseren Tellern ausreichend Fleisch, Milchprodukte, Obst oder Gemüse landen, wohlgemerkt auch in bester Qualität. So reicht die von ihnen erzeugte Menge an Agrarprodukten aus, um die Ernährung von mehr als 8,1 Millionen Menschen sicherzustellen.
Am Milchsektor liefern aktuell (mit Stichtag 1. Jänner 2022) exakt 4.019 Milcherzeuger an fünf Milchaufkäufer, darunter die beiden größten Molkereien in der Republik. Im vergangenen Jahr 2021 wurden von Niederösterreichs Milchbauern in Summe fast 575.000 Tonnen gentechnikfreie Qualitätsmilch und gut 89.000 Tonnen Biomilch angeliefert. Das entspricht einem Bioanteil im Milchbereich von 13,42 Prozent. Die Einstufung in die erste Güteklasse betrug 99,3 Prozent. In Summe wurden 250.987.690 Euro netto an Milchgeld ausbezahlt, brutto waren es etwas mehr als 283 Mio. Euro.
Allein diese Produktionsleistung und die damit verbundenen vielfältigen Aufgaben der Milchbauern für die Gesellschaft ist heute aber nur mehr einem kleinen Teil der Bevölkerung bewusst, beklagen die Bauernvertreter. Umso wichtiger sei es, mit möglichst vielen Konsumenten über Aufgaben und Ziele der Landwirtschaft zu sprechen. Auch was etwa die neuen Ernährungstrends angeht. Kaum einer hat in den vergangenen Jahren so stark polarisiert wie der Veganismus. Zwar sind Ernährungsgewohnheiten grundsätzlich als individuelle Entscheidung zu respektieren. Dennoch lassen Halbwahrheiten über tierische Lebensmittel die unterschiedlichen Gemüter rasch erhitzen. Besonders via Internet werden meist ungeprüfte Behauptungen ungebremst verbreitet. Um gegenzusteuern braucht es reale, transparente Daten und Fakten, um Verständnis für und Vertrauen in die Arbeit der Bauern zu schaffen. Für solche Gespräche bietet die Broschüre „Botschafter für Milch und Milchprodukte mit Kompetenz und Engagement“ der LK NÖ, Abteilung Milchwirtschaft, eine gute Hilfestellung.

100 Jahre selbstgewählte Standesvertretung der Bauern

Apropos LK Niederösterreich: 2022 jährt sich ein geschichtsträchtiges Ereignis zum 100. Mal: Am 22. Februar 1922 beschloss der NÖ Landtag die Errichtung der „NÖ Landes-Landwirtschaftskammer“ mit damals 66 Bezirksbauernkammern. Zu jener Zeit war es die erste gesetzliche, selbstgewählte Interessenvertretung für Land- und Forstwirte in Österreich. Nach dem Ersten Weltkrieg herrschten in weiten Teilen der Bevölkerung Hunger und Elend. Ein Fünftel der für Wien benötigten Milch wurde aus dem Ausland importiert. Obwohl damals noch 41,4 Prozent aller Berufstätigen von der Land- und Forstwirtschaft lebten, konnte mit dieser der Bedarf an Lebensmitteln bei weitem nicht gedeckt werden. Dank Kammer und NÖ Bauernbund ist es aber binnen weniger Jahren gelungen, die Agrarproduktion zu steigern und die Raiffeisengenossenschaft, die NÖ Brandschadenversicherung (heute NÖ Versicherung) und auch die Lagerhausgenossenschaften auszubauen. Bis 1930 gab es bereits mehr als 300 Milchgenossenschaften, später waren es sogar 803. 1928 schlossen sich in Folge die Molkereien im blau-gelben Molkereiverband (Pikano) zusammen.

- Bildquellen -

  • Milchanlieferung in Niederösterreich im Jahr 2021: LK NÖ/Grafik: Merl
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AUTORArtur Riegler
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