Ukraine-Krieg stellt den Green Deal in Frage

Josef Plank (l.) und Christian Stockmar fordern eine Neubewertung des Green Deals der EU-Kommission.

„Im Prinzip ok, aber …“, so der aktuelle Befund von Josef Plank, Obmann des Vereins „Wirtschaften am Land“ und Christian Stockmar, Obmann der Industriegruppe Pflanzenschutz, zum Green Deal der EU-Kommission. Plank und Stockmar sehen den Ende 2019 von der EU-Kommission vorgeschlagenen Green Deal zwar als „ein enorm wichtiges europäisches Projekt zur Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft hin zu Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit“, im Lichte der aktuellen Entwicklungen forderten sie im Rahmen einer gemeinsamen Diskussionsveranstaltung am 22. Juni in Wien aber eine Neubewertung und Überarbeitung der Strategie.

Versorgung der Bevölkerung wäre gefährdet

Der Green Deal soll die EU bis 2050 zu einem „klimaneutralen Kontinent“ machen. Was die Landwirtschaft betrifft, so will die EU-Kommission dies insbesondere durch Halbierung des Einsatzes an Dünge- und Pflanzenschutzmitteln erreicht sehen. Plank und Stockmar bewerten diese pauschale Zielsetzung als „politisch motiviert“, sie entbehre der fachlichen Begründung. Plank: „Gerade bei den vorgeschlagenen Zielsetzungen für die Land- und Forstwirtschaft fehlt die Balance zwischen ökologischen und ökonomischen Zielen.“ Es sei praktisch unmöglich, die verlangten Umweltziele zu erreichen und gleichzeitig die Versorgung der Bevölkerung mit möglichst hochwertigen Lebensmitteln sicherzustellen. Bereits mehrere Folgenabschätzungen zum Kommissionsvorschlag bestätigen, dass der Green Deal zwar die Umweltbelastung durch die Landwirtschaft innerhalb der EU mindern würde, aufgrund von zusätzlich erforderlichen Importen würde sie aber anderswo steigen.

Ermöglichen, nicht verbieten

Christian Stockmar fordert deshalb eine Strategie, die nicht ausschließlich auf Verbote und Regulierung setzt. Vielmehr solle die EU-Kommission optimale Rahmenbedingungen für die Forschung und Entwicklung von neuen Lösungen im integrierten und biologischen Pflanzenschutz schaffen. Zudem brauche es neben innovativen Technologien eine verbesserte Aus- und Weiterbildung sowie Beratung der Landwirte. Österreich könne hier Vorbild sein.

Gemeinsam fordern Plank und Stockmar:

• Die Ziele des Green Deals vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges neu zu bewerten und gegebenenfalls anzupassen. Dazu bedarf es einer umfassenden Folgenabschätzung, die auch Zielkonflikte klar benennen sollte.
• Eine Politik des Ermöglichens auf EU-Ebene. Wer Ziele formuliert, muss einen Weg vorzeigen und die entsprechenden Maßnahmen setzen, damit die Ziele erreicht werden können. In diesem Bereich ist die EU-Kommission säumig.
• Eine wissenschaftliche Vernetzung und einen Wissenstransfer, der die Grundlage für eine nachhaltige Transformation der Landwirtschaft schafft und sowohl Klimaschutz als auch Versorgungssicherheit ermöglicht.

Teuerung kann sich weiter zuspitzen

Laut Plank dürfe der Green Deal nicht dazu führen, dass sich die EU selbst aus der Produktion nimmt und vom Import abhängig macht. Durch den Ukraine-Krieg fehlen bei wichtigen Agrarprodukten wie Mais, Weizen und Raps große Mengen am Weltmarkt. Die Konsumenten spüren das bereits jetzt an steigenden Preisen. Plank warnt, dass sich die Situation weiter zuspitzen könnte. Die EU müsse deshalb ihrer Verantwortung nachkommen und die Ziele realistisch stecken. Plank: „Hier gibt es im Green Deal noch Nachbesserungsbedarf.“

Reduktion beim Pflanzenschutz würde Versorgung gefährden

Mehr Ehrlichkeit in der Pflanzenschutz-Debatte ist eine dringende Forderung Christian Stockmars. Bereits seit 2014 seien 84 der insgesamt ca. 350 Wirkstoffe für die Landwirtschaft verloren gegangen, was Lücken bei der Kontrolle von Erregern etwa bei der Kartoffel und beim Raps verursacht habe, so der IGP-Obmann. Stockmar wies zudem darauf hin, das auch der Bio-Landbau durch die Reduktionsziele gefährdet wäre. Denn mehr Bio-Landbau bedeute auch höhere Pflanzenschutzmittelmengen. Beispielsweise betrage die Aufwandmenge zur Kontrolle von Echtem Mehltau (Oidium) im Bio-Bereich das ca. 70-fache des integrierten Bereichs. Hier brauche es dringend eine Korrektur, sonst hätten die Landwirte zwei unvereinbare Ziele (mehr Bio, weniger Pflanzenschutz) gleichzeitig zu erreichen, so Stockmar.

Quelle: IGP / Wirtschaften am Land
Irreführende Statistik – Österreichs Landwirtschaft hat die Menge an chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln seit 2014 um 22 Prozent gesenkt (!), dennoch weist die aktuelle Statistik von EUROSTAT einen zunehmenden Pflanzenschutzmittel-Einsatz aus. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich die Ursache der Abweichung – wesentlicher Treiber der Steigerung sind die inerten Gase – also CO2 –, die ausschließlich in der Lagerung von Ernteprodukten eingesetzt werden und in anderen Ländern in der Statistik fehlen. Zudem sind in Österreich auch die Mengen bei für den Bio-Landbau zugelassenen Wirkstoffen gestiegen.

- Bildquellen -

  • W 220622 PSM Statistik: IGP / Wirtschaften am Land
  • W 220622 Stockmar Plank: Harald Klemm
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AUTORH.M.
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