Bio ist in Europa eigentlich ein Erfolgsmodell. Seit dem Jahr 2010 hat sich der Bio-Absatz am Kontinent mehr als verdoppelt. Österreich rangiert mit 11,2 Prozent Marktanteil auf Platz zwei hinter dem Spitzenreiter Dänemark mit 13 Prozent.

Mit Beginn der Corona Pandemie hat sich das Konsumverhalten gewandelt. Daheim im Lockdown griffen die Menschen vermehrt zu Bioprodukten. 2021 landeten laut Agrarmarkt Austria (AMA) in jedem österreichischen Haushalt Bio-Lebensmittel im Wert von 285 Euro im Einkaufswagen. Mit dem Angriffskrieg Russlands und den massiven wirtschaftlichen Auswirkungen scheint dieser Trend nun Geschichte zu sein. Die Konsumenten sehen sich mit steigenden Lebensmittelpreisen konfrontiert. Der Absatz im Bio- und Premiumsegment sei eingebrochen, berichten immer häufiger die Medien. Doch stimmt das? Und was heißt das für die Erzeugerpreise der Biobauern?

Das sagt der Handel
Wichtigste Einkaufsquelle für Bioprodukte ist der Lebensmitteleinzelhandel. 50 Prozent der Ware werden im Supermarkt gekauft, erst danach kommen Diskonter und Ab-Hof-Verkauf. Auf Nachfrage bei Österreichs wichtigsten Lebensmittelhandelsketten ist von keinem Einbruch im Bioabsatz die Rede. Rewe-Sprecher Paul Pötschacher etwa weiß von einem nach wie vor positiven Trend im ersten Quartal 2022. „Im Mai merken wir einen leichten Rückgang im Absatz, unser Bioanteil ist aber überproportional hoch, bei Rindfleisch beispielsweise liegen wir bei 25 Prozent.“

Beim Mitbewerber Spar geht man sogar von einer klaren Fehlinformation aus. „Nach drei Jahren mit zweistelligem Wachstum im Bio-Segment ist es derzeit einstellig, aber immer noch im Steigen“, so Nicole Berkmann aus der Spar-Zentrale. Auch der Diskonter Hofer erkennt „einen anhaltend guten Absatz im Biobereich“, speziell bei Eigenmarken und grundsätzlich keinerlei Änderungen im Kaufverhalten. Lediglich bei Lidl Österreich wird von einer verhaltenen Nachfrage nach Bio-Produkten berichtet.

Auf Extrembeispiele wie etwa Bio-Spargel, dessen Preis von 4,95 Euro per Kilogramm sich innerhalb weniger Tage halbierte, möchte man nicht eingehen. „Eine Einschätzung zu einzelnen Produkten abzugeben ist schwierig“, hieß es etwa bei Spar. Konkreter wird man dagegen beim Verband Bio Austria. Hermann Mittermayr, Geschäftsführer der Bio Austria Marketing, nimmt sich kein Blatt vor den Mund: „Fakt ist, dass der Lebensmitteleinzelhandel sich erst sehr spät bereit erklärte, die gestiegenen Kosten durch Preiserhöhungen an die Kunden weiterzugeben.“

Kleiner Markt, andere Mechanismen
Und anhand dieser Kosten macht es im Biobereich nun den Anschein, dass sich gewohnte Bahnen auf den Märkten verschieben würden. Denn während sich konventionelle Bauern zumindest bei Ackerkulturen und Milch über Preiserhöhungen freuen dürfen, sind die Preissteigerungen im Bio-Bereich eher verhalten. Das liege daran, so sind sich alle Experten einig, dass der Biomarkt in Österreich grundlegend anders funktioniert als der konventionelle und Bio verhältnismäßig stark reguliert werde. Eine Preisneubildung erfolge am Markt nicht etwa aufgrund steigender Betriebsmittelpreise, sondern orientiere sich eher an den Hauptexportmärkten Schweiz und Deutschland.

Sonderfall Bioschwein
Bestes Beispiel für die regulativen Maßnahmen: der Bio-Schweinemarkt. Johann Ollmann, Geschäftsführer bei Bioschwein Austria, welcher mehr als die Hälfte der heimischen Bioschweine vermarktet, zeigte sich über die Berichterstattung der vergangenen Wochen entsetzt: „Wir bemerken zwar eine leichte Sättigung des Marktes, allerdings wird nach wie vor alles verkauft.“

Und weiter: „Wir haben keinerlei Probleme im Absatz im Lebensmitteleinzelhandel. Momentan bewähren sich die Stabilisierungsmaßnahmen.“ Gemeint sind damit die jährlich fixierten Kunden- und Erzeugerpreise, an denen auch in diesen Zeiten nicht gerüttelt wird. Die jährliche Anpassung erfolge dabei immer in Anlehnung an die Inflation. Aktuell liege der Preis jedenfalls doppelt so hoch wie jener an der konventionellen Schweinebörse.

Sorgenkind Geflügel
Auch in der Biogeflügel- und Bioeiproduktion wurde zuletzt von wenig zufriedenstellenden Preisen berichtet. Während für Bodenhaltungseier der Klasse M je 100 Stück 19 Cent mehr bezahlt wurden (der Durchschnittspreis für Käfigeier legte in der EU sogar um 44 Prozent zu), gingen die Packstellenpreise für Bio- und Freilandware laut Agrarmarkt Austria leicht zurück. Um die angespannte Situation für die Bauern zu lösen, seien laut Bio Austria bereits alle Liefergemeinschaften mit Preisverhandlungen beschäftigt. Diese werden wohl noch bis zum Herbst andauern.

Von Seiten der Schlachtbetriebe für Geflügel ist zur aktuellen Marktsituation Unterschiedliches zu hören. Während man bei Wech keine Veränderung in der Nachfrage nach Biogeflügel bemerkt, sieht man sich bei Hubers Landhendl sehr wohl mit einem Rückgang konfrontiert.

Rindfleisch und Milch
Für Biorinder waren die Preise seit wenigen Wochen, wie auch bei den konventionellen Betrieben, rückläufig. Geschuldet ist dies dem Umsatzeinbruch um etwa 30 Prozent beim Nachbarn Deutschland, welcher sich auch im österreichischen Börsenpreis widerspiegelt. Allerdings sollen die Preiszuschläge für Bio-Ware, trotz Reduktion zuletzt, die Schwankung zumindest dämpfen. Stabil stellt sich die Situation hingegen bei Programmware, wie etwa „Ja! Natürlich“ dar. Die ist von Schwankungen vollständig entkoppelt.

Auch bei der Milch kommen sich konventionelle und Bio-Milch derzeit näher. In Deutschland übersteigt der konventionelle Preis in Einzelfällen bereits den Biodurchschnittspreis. „Ein Zeichen, dass sich die Märkte derzeit in einer Ausnahmesituation befinden“, sagt Johann Költringer von der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter (VÖM). Nach Jahren des Wachstums stagniere die Produktion derzeit.

Spannungen beim Getreide
Bei Biogetreide waren die Preissteigerungen im Frühling nicht so exorbitant hoch wie im konventionellen Bereich. „Allerdings blieb der Preis auch mit den Turbulenzen der vergangenen Tage stabil“, weiß Hubert Spanischberger von der RWA. Einen Ausblick auf heurige Preise könne man allerdings noch nicht geben, so Spanischberger. Tierhalter sind jedenfalls besorgt. „Massive Preissteigerungen hätten dramatische Folgen auf die Biotierhaltung“, gibt man seitens Bioschwein Austria zu bedenken.

Konsumverhalten im Wandel
Da vorerst nur handfeste Zahlen zum Kaufverhalten im ersten Quartal vorliegen, in welchem die Auswirkungen der Teuerungen noch nicht voll spürbar waren, halten sich alle Beteiligten bedeckt, was Prognosen für die Zukunft betrifft. Bio Austria-Mann Hermann Mittermayr geht allerdings sehr wohl von einem Absatzrückgang aus: „Das Konsumverhalten wandelt sich momentan wieder in Richtung Vor-Covid-Zeiten. Die Menschen essen außer Haus und machen Urlaub. Mit den Preissteigerungen im Lebensmittelsektor bleibt nun abzuwarten, welches Preissegment verliert – ob oben, unten oder doch die Mitte.“ Bio Austria-Geschäftsführerin Susanne Maier ergänzt: „Wir hoffen, dass das Bewusstsein für qualitativ hochwertige Lebensmittel anhält.“ Die regulierenden Mechanismen des österreichischen Biomarkts sollen unmittelbare Auswirkungen aber ohnehin abfedern, so der Tenor der Branchenkenner.

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AUTORClemens Wieltsch
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