Studie “Megatrends im Agrarsektor”: Produktionszuwachs mit Augenmaß empfohlen

Die Bevölkerung der Welt steigt bis 2050 auf rund 10 Mrd. Menschen und fordert einen Anstieg der landwirtschaftlichen Produktion. FOTO: Nikita Kuzmenkov-adobe.stock.com

Die Bevölkerung der Welt steigt bis 2050 auf rund 10 Mrd. Menschen. Das sind 2,3 Mrd. mehr als heute und erfordert einen Anstieg der landwirtschaftlichen Produktion um 50% in den kommenden 30 Jahren. Die Nachfrage sowohl nach pflanzlichen als auch nach tierischen Erzeugnissen wird durch den Bevölkerungszuwachs erheblich ansteigen. Allerdings komme es zu erheblichen Verschiebungen im Speiseplan, prognostiziert die Studie “Megatrends im Agrar- und Lebensmittelsektor”, die vom Agrarausschuss des Europäischen Parlaments beauftragt und in dieser Woche dem Gremium vorgestellt wurde. Neue Ernährungsgewohnheiten werden in den verschiedenen Teilen der Welt unterschiedlich ausfallen. Die Studie geht davon aus, dass die Abkehr von Fleisch und Milchprodukten in den heute wohlhabenden Regionen der Welt anhalten wird.

Dagegen wird in den sich erst entwickelnden Teilen der Welt die Nachfrage nach tierischen Erzeugnissen erheblich ansteigen. Bisher einkommensschwache Konsumenten in Entwicklungsländern werden sich zunehmend nach Fertigprodukten und hochgradig verarbeiteten Lebensmitteln umsehen. Die Studie geht davon aus, dass besonders in den heute ärmeren Ländern mit der Wohlstandsentwicklung die Nachfrage nach Fleisch, Milchprodukten, Zucker und Pflanzenölen überproportional steigen wird.

Gegenteilig soll die Entwicklung in den reicheren Ländern laufen. Dort sinke die Nachfrage nach Rind- und Schweinefleisch sowie nach Molkereiprodukten. Vor dem Hintergrund einer kritisch bewerteten Tierhaltung, von Sorgen ums Klima und einer gesunden Ernährung steige in den wohlhabenden Ländern die Nachfrage nach Gemüse, Obst, Getreide und Eiweißersatzprodukten. Ob Algen und Insekten einen Durchbruch auf dem Speiseplan in Europa, Nordamerika oder Australien erfahren, wollten die Autoren der Studie nicht vorhersagen. Die Konsumenten in Industrieländern änderten aber nicht nur ihre Verzehrgewohnheiten. Sie kümmerten sich zudem mehr und mehr um agrarische Produktionstechniken. Das habe für den Landwirt den Vorteil, dass die Verbraucher für gewünschte Erzeugungsmethoden mehr zahlten, etwa für Bioprodukte oder lokale Erzeugnisse. Das Interesse für die Erzeugungsmethoden könne aber auch zum Nachteil der Landwirtschaft ausgehen, wenn mit teilweise unvollständiger Information bestimmte Techniken abgelehnt werden, wie etwa die grüne Gentechnik.

Kein rücksichtsloser Produktivismus

Falls der Agrarsektor lediglich die Produktion ohne Rücksicht auf Verluste steigere, drohten Schäden für das Klima und die Umwelt. Die Konkurrenz um die knappen Ressourcen Wasser und Boden würden sich ins Unerträgliche steigern. Es sei beim rücksichtslosen Produktivismus zudem mit einem erhöhten Ausstoß von Treibhausgasen aus der Landwirtschaft zu rechnen. Dürren und Überschwemmungen könnten bei einer einseitigen Orientierung auf die Steigerung der Produktion dem gesteckten Ziel zuwiderlaufen. Die Studie rät deshalb zu einem ausgewogenen Mittelweg zwischen Produktionssteigerungen und Nachhaltigkeit. Dem technischen Fortschritt kommt dabei eine entscheidende Rolle zu.

Die Verfasser der Studie halten Steigerungen der Erzeugung von bis zu 30% für möglich. Sie mahnen allerdings, dass dazu die Akzeptanz der Bevölkerung von modernen Züchtungstechniken eine Voraussetzung ist. Die EU-Mitgliedstaaten sollten mehr Mittel für die Agrarforschung bereitstellen. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) müsse Anreize für die Anwendung von umweltfreundlichen und ertragssteigernden Innovationen in landwirtschaftlichen Betrieben bereitstellen. Dadurch könnten Produktionssteigerungen mit dem Klima- und Umweltschutz in Einklang gebracht werden. Wegen der deutlich zunehmenden Nachfrage nach Lebensmitteln bis 2050 sei es jedenfalls zu kurz gegriffen, allein auf den Biolandbau zu setzen oder an traditionell wirtschaftenden Kleinbetrieben festzuhalten, mahnten die Autoren der Studie im Agrarausschuss des EU-Parlaments.

AIZ

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