In den vergangenern sechs Wochen habe es in Niederösterreich 31 Wolfsrisse gegeben, wobei sich alle Schafe in umzäunten Arealen befunden hätten. In ganz Europa lebten rund 30.000 Wölfe, hauptsächlich in dünn besiedelten Gebieten. Der Zuwachs von über 30 Prozent pro Jahr sei gerade in Niederösterreich – mit 15 Wölfen innerhalb der letzten zwei Jahre im Waldviertel – stark spürbar, erinnerte LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf. „Dabei zeigt sich, dass es nicht nur um eine große Bedrohung der Tierhaltung, sondern auch um Fragen des Tourismus und der Gesellschaft insgesamt geht“, hielt Pernkopf fest.
Je weiter der Wolf weg ist, desto weniger Angst haben die Menschen
Sophie Karmasin erläuterte die Anfang Juli und damit noch vor den Ereignissen der letzten Wochen durchgeführte repräsentative Umfrage: Einerseits seien über 1.000 Personen in ganz Österreich befragt worden, andererseits auch Tourismus- und Wirtschaftsbetriebe. „Dabei zeigt sich, dass die Menschen dem Thema zwar grundsätzlich neutral bis eher positiv gegenüberstehen, im Detail die klar negativen Aspekte aber deutlich zutage treten“, so Karmasin. Negative Auswirkungen würden demnach von 69 Prozent auf die Landwirtschaft und von 56 Prozent in Bezug auf andere Tiere erwartet. Jeweils 31 Prozent erwarten sich aber auch negative Auswirkungen auf Familien- und Schulausflüge bzw. den Tourismus.
Insgesamt ortete die Motivforscherin ein sehr hohes Interesse: Drei Viertel der Befragten würde ihre Kinder und Enkelkinder warnen, ein Drittel würde sein alltägliches Verhalten ändern und den Wald meiden bzw. Sportaktivitäten, das Sammeln von Pilzen etc. einschränken. Rund die Hälfte der Befragten gab an, sich Gedanken über die Gefahren zu machen, für 37 Prozent müsste er überhaupt in einem anderen Bundesland und für 25 Prozent zumindest in einem anderen Bezirk leben, um sich keine derartigen Gedanken zu machen.
Neben der Landwirtschaft ist auch der Tourismus betroffen.
Auch ein Drittel der Wirtschaftsbetriebe erwartet laut der Studie dementsprechende selbst auferlegte Einschränkungen ihrer Gäste, rund 25 Prozent befürchten ein negatives Image, ca. 16 Prozent sprechen bereits jetzt von weniger Gästen. Über die Hälfte der Wirtschaftstreibenden vermutet Sorge der Gäste um ihre freilaufenden Tiere, 24 Prozent befürchten negative Auswirkungen auf die gesamte Region.
Vor diesem Hintergrund betonte Pernkopf: „Hausverstand, Vernunft und Vorsicht müssen ganz oben auf der Agenda stehen. Die Begeisterung für den Wolf wächst offensichtlich mit der Entfernung von ihm, aber in der Nähe möchte man ihn nicht haben. Tier- und Artenschutz darf nie eindimensional sein, schließlich leiden auch die Schafe. Maßnahmen sind das natürlichste auf der Welt, der Mensch muss eingreifen, wenn es notwendig ist“. Dabei halte und orientiere man sich an dem Österreichischen Wolfmanagementplan, den die Bundesländer und Naturschutzorganisationen gemeinsam mit der Wissenschaft ausgearbeitet haben bzw. setze man nun die darin vorgesehenen Maßnahmen um.
Schutzstatus des Wolfs muss geändert werden.
Niederösterreich lasse seine Bauern nicht im Stich, so der LH-Stellvertreter weiter, und zahle Entschädigungen aus: „Aber die Freilandhaltung deckt den Tisch für Raubtiere, und ein Bauer ist nicht der Futtermittelproduzent für Wölfe“. An weiteren Maßnahmen nannte er neben Pilotprojekten zum Herdenschutz, verstärkter Beratungen für Zäune und einer wissenschaftlichen Besenderung der Allentsteiger Population die angeordneten Vergrämungsmaßnahmen, weil die Wölfe ihre Scheu nicht verlieren dürften: „Diese Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörden gelten vorerst bis Jahresende, wenn sie wirken, wird es auch keine weiteren Maßnahmen geben. Die Sicherheit der Menschen steht aber an oberster Stelle, und bislang hat noch kein Wolfexperte die Gefahr für Menschen komplett ausschließen können. Entnahmen als letzte Konsequenz sind daher auch laut österreichischen Wolfmanagement-Plan nicht auszuschließen“.
Zudem forderte Pernkopf, dass die EU umdenken müsse: „Der Wolf ist in Europa schon lange nicht mehr gefährdet, eine Änderung des Schutzstatus wird daher notwendig sein. Bereits jetzt gibt es ja Regionen, wo Wölfe entnommen werden“.
Keine bedingungslose Rückkehr des Wolfes
Walter Arnold vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien merkte an, dass aus fachlicher Sicht eine bedingungslose „Rückkehrerlaubnis“ der Wölfe zu hinterfragen sei: „Wildtiere müssen nach den Bedürfnissen der Menschen gemanagt werden. Rotwild etwa ist in Süddeutschland auch nur marginal geduldet und muss sonst ausgerottet werden“. In Bezug auf das exponentielle Wachstum der Population, das genaue Prognosen zulasse, erinnerte er daran, dass in Deutschland derzeit rund 500 Tiere in 17 Rudeln lebten, pro Jahr kämen 200 bis 220 Welpen dazu. Auf Reviersuche legten die Wölfe bei etwa 50 Tageskilometern insgesamt 1.000 bis 1.500 Kilometer zurück, auch die beiden Gründungseltern des Allentsteiger Rudels seien aus dem ersten deutschen Wolfsrudel in der Lausitz in Sachsen gekommen.
„In der Regel ist der Wolf für den Menschen ungefährlich, ein Wolf ist aber ein Raubtier, eine Gefährdung kann nie ausgeschlossen werden. Tiere mit einem derartigen Zuwachspotential dürfen in einer Kulturlandschaft nicht sich selber überlassen werden“, so Arnold abschließend.
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- Pernkopf 3: NLK/Burchhart