Kommentar von Conrad Seidl,
Redakteur “Der Standard”
In der Ukraine kracht es. Und Europa schaut zu. Was denn sonst? Selbst wenn die europäischen Staaten oder die EU als Gemeinschaft das wollten: Militärisch hat Europa Aggressoren wenig entgegenzusetzen. Allen Sonntagsreden von entschlossener Verteidigung der gemeinsamen Werte, allen Bekenntnissen zu gemeinsamen Anstrengungen in der Sicherheitspolitik zum Trotz begegnet man im alten Europa allem, was nach Bewaffnung aussieht, mit großer Zurückhaltung. Oder gar mit Ablehnung. Mal offen, mal versteckt. Viel wurde darüber gestritten, ob Atomkraft nun als nachhaltig gelten soll oder nicht. Dieser Streit hat überlagert,
dass gleichzeitig alles, was Waffen und Rüstung betrifft, als „nicht nachhaltig“ eingestuft worden ist.
Das bedeutet zunächst, dass Finanzprodukte, in denen Wertpapiere von Rüstungsunternehmen enthalten sind, nicht mit einem grünen Mascherl versehen und beworben werden dürfen. Was ja noch zu verschmerzen wäre.
Eine viel bedeutendere Folge ist, dass viele andere Unternehmen nach ihren Nachhaltigkeitsrichtlinien keine Geschäfte mit anderen Unternehmen machen dürfen, die mit Waffen zu tun haben. Das führt dazu, dass auf Nachhaltigkeit getrimmte Banken beginnen, einigen Kunden die Konten zu kündigen – was Rüstungskonzerne ebenso betrifft wie den Jagdwaffenhändler. Keine Bankverbindung mehr, das heißt aber auch: keine Möglichkeit, Handel zu treiben. Inzwischen hat das auch die EU erkannt – ob das aber zu einer vernünftigeren Einstufung der Waffenwirtschaft führt, ist offen.