Kommentar von Thomas Weber,
Herausgeber von Biorama und Buchautor.
Eine Perchte stapft durch den verschneiten Wald, nächtliche Gruselstimmung wie in einer gelungenen Tatort-Folge. Der Teufel tritt in eine warm erleuchtete Stube, wo er die allgemeine Gemütlichkeit stört. Schüttelt sein Fell. Alle halten die Luft an. Dann reicht er einem kleinen Mädchen ihren draußen gefundenen Fäustling. Die Kleine bedankt sich artig. Alle sind erleichtert. Die Wirtin heißt den kostümierten Gast willkommen und fragt, ob sie ihm was Gutes tun könne. Da entpuppt der sich als Frau und sagt im Innsbrucker Dialekt: “I hätt gern an Latte macchiato, mit Hafermilch bitte!”. Darauf die Wirtin: “Passt! Moch i da.”
Die Harmonie ist wiederhergestellt, im abschließenden Insert ist zu lesen: „Wir sind zu allen herzlich.” Soll heißen: selbst zu den Teufeln, die es wagen, in Tirol Kaffee mit etwas anderem als Kuhmilch zu trinken.
Zurecht wurde der Werbespot der Tirol Werbung schon vor Monaten in Cannes ausgezeichnet: Spannung und schöne Landschaft, Gruseln und Gemütlichkeit, Kindchenschema, subtiler Schmäh – mehr lässt sich in 90 Sekunden kaum unterbringen. Außerhalb der Werbebranche schien das trotzdem niemanden zu interessieren. Bis die Landwirtschaftskammer Ende November den Verrat an den Tiroler Milchbauern beklagte. Weil keine Kuhmilch, weil Hafer-“Milch”, eh scho wissen.
Darüber kann man aus wohlwollender Distanz den Kopf schütteln. Doch Übertreibung gehört zum Mediengeschäft. Dem Tourismusstandort Tirol dürfte die Haferkontroverse freilich nicht geschadet haben. Selbst große deutsche Medien berichten darüber. Der Werbewert dieser kostenlosen PR ist enorm, der Zeitpunkt unmittelbar vor Beginn der Wintersaison perfekt. Großes Kino halt.
- Bildquellen -
- Weber Thomas: Michael Mickl