Europäisch denken

Gastkommentar von Conrad Seidl, Redakteur "Der Standard"

Conrad Seidl, Redakteur
Conrad Seidl, Redakteur “Der Standard” ©market
Seit gut 25 Jahren wird die EU – zunächst noch unter dem Namen EG – den Österreichern als Friedensprojekt angepriesen. Das ist korrekt, aber nur die halbe Wahrheit. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat in seiner nun auch schon zehn Jahre zurückliegenden Amtszeit zumindest versucht, die zweite Hälfte der Wahrheit zu ergänzen: Dass es nämlich gegenüber anderen EU-Staaten keine Neutralität geben kann. Man wollte das damals nicht hören. Jetzt aber wird es plötzlich aktuell: Der künftige US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, den bisherigen Schutz Europas durch die Atomstreitmacht USA zurückzunehmen. Oder die Europäer kräftig dafür zahlen zu lassen. Dies trifft die EU zu einer Zeit, in der sie vermeintlich wichtigere Sorgen hat. Aber diese Sorgen kann man getrost zurückreihen: Jetzt geht es darum, Europas Sicherheit nach auöen neu zu definieren und militärisch neu zu formieren. Da geht es nicht mehr um irgendwelche gewiss gut gemeinten Friedenseinsätze in Afrika – da geht es um ganz klassische Verteidigung europäischen Territoriums, etwa in Estland, Lettland, Litauen und Polen, die alle gemeinsame Grenzen mit Russland haben. Grenzen, die auch Grenzen der EU sind. Grenzen, die in einem Ernstfall, den sich keiner wünscht, mit aller Entschlossenheit verteidigt werden müssen. Sich dessen bewusst zu werden, kann die EU stärken. Es muss aber auch den Österreichern bewusst werden, dass wir mehr beitragen müssen als allenfalls die Militärmusik der Europaarmee.

E-Mail: conrad.seidl@gmx.at

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