Das belegt der „Global Food Security Index“ (GFSI), bezogen auf das Jahr 2020, der vom Unternehmen Economist lntelligence Unit (EIU) mit Unterstützung des Agrarchemiekonzerns Corteva Agriscience mit Daten aus 113 Ländern weltweit erstellt wird. Berechnet wurde die Ernährungssicherheit im Kontext von Einkommensunterschieden und Wirtschaftsvergleichen, Geschlechterungleichheit sowie Unterscheidung bei Umweltbedingungen und natürlichen Ressourcen, berichtet AgraEurope.
Demnach kommt Europa – eingeflossen sind die Daten von 26 Ländern – auf 74,9 von maximal 100 Punkten. Für Nordamerika werden 77,4 Punkte ausgewiesen. Der Mittlere Osten, Nordafrika, Asien oder Lateinamerika schaffen dagegen nur einen Wert zwischen etwa 61 und knapp 63 Punkten. Am schlechtesten schneidet Sub-Sahara-Afrika mit 43,8 Punkten ab. Global betrachtet ist die Ernährungssicherheit das zweite Jahr in Folge gesunken.
Die Situation bei der Ernährungssicherheit wird anhand der Faktoren Bezahlbarkeit, Verfügbarkeit, Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln sowie 2020 erstmals auch natürliche Ressourcen und Resilienz in der Region als vierte Hauptkategorie erhoben. Letztere stelle „eine bedeutende methodische Neuerung dar, um die Widerstandsfähigkeit von Lebensmittelsystemen gegenüber dem Klimawandel aufzuzeigen“, so die EIU. Zu den Unterindikatoren dieser Kategorie gehören die Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten, das Katastrophenrisikomanagement und das prognostizierte Bevölkerungswachstum.
Finnland auf Platz 1
Österreich erreichte in der Gesamtbewertung unter den 26 untersuchten europäischen Ländern Platz 4 mit 79,4 Punkten, hinter Finnland (85,3 Pkt), Irland (83,3 Pkt) und den Niederlanden (79,9 Pkt), aber weit vor Deutschland mit 77 Punkten (Platz 9). Das Schlusslicht-Trio bilden Bulgarien (67,4 Pkt), Serbien (63,2 Pkt) und die Ukraine (63 Pkt). Etwas besser als Österreich schneidet Deutschland im europäischen Vergleich bei der Verfügbarkeit von Lebensmitteln mit 71,6 Punkten ab, hier hält die Alpenrepublik mit 70,8 Punkten Rang 5 hinter den genannten EU-Ländern, vor Italien (71,4 Pkt). Rang 1 gehört auch hier Finnland (82 Pkt).
Generell finden sich 22 der 26 europäischen Länder in der oberen Hälfte des globalen Rankings zur Lebensmittelversorgung. Viele dieser Länder leisten Nahrungsmittelhilfe, und nur zwei waren dem Indexbericht zufolge in den vergangenen Jahren auf Hilfslieferungen aus dem Ausland angewiesen, nämlich Serbien und die Ukraine. Als Folge des Konflikts in der Ostukraine erhielt das Land 2019 Nahrungsmittelhilfen aus den USA.
Österreich bei Qualität top
Im Bereich Qualität und Sicherheit hat Österreich mit 94,3 Punkten in Europa die Nase vorn und liegt damit global betrachtet auf gleicher Höhe mit den USA, knapp hinter Kanada (94,5 Pkt.), aber vor Irland (94 Pkt), Finnland (93,8 Pkt) oder Schweden (92,3 Pkt). Frankreich, Deutschland oder Großbritannien liegen abgeschlagen dahinter, wiewohl diese als führend eingestuft werden.
In der neuen Kategorie „Natürliche Ressourcen und Resilienz“ landet Österreich mit 61,8 Punkten hinter Norwegen, Finnland, Irland, Tschechien, Schweden, der Schweiz oder der Slowakei auf Platz 8, vor den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich oder Dänemark und weit vor Deutschland (52,9 Pkt.), das im weltweiten Ranking nur im hinteren Drittel liegt. Begründet wird dessen schwaches Abschneiden wie auch das von Griechenland, Portugal, Italien oder Belgien mit der zunehmenden Wasserknappheit und dem hohen Risiko einer Eutrophierung der Gewässer.
Armutsgrenze 2,64 Euro/Tag
Während Europa in Sachen Ernährungssicherheit insgesamt nur die zweitbestplatzierte Region ist, steht es hinsichtlich der Bezahlbarkeit von Lebensmitteln an der Spitze. Der Anteil von Menschen, die pro Tag mit weniger als umgerechnet 2,64 Euro auskommen müssen, ist in Europa minimal. Dennoch finden sich in Serbien und Rumänien relativ viele Menschen unterhalb dieser Armutsgrenze. Im europäischen Ranking der Erschwinglichkeit von Lebensmitteln nehmen diese beiden Länder (mit einem Indexwert von jeweils rund 83 Punkten) deshalb die hinteren Plätze 21 und 22 ein. Spitzenreiter in Sachen Bezahlbarkeit sind Dänemark und Irland mit jeweils 92,2 Punkten, gefolgt von den Niederlanden und Finnland mit 91 Punkten. Dahinter folgen Italien, Großbritannien und auf Rang 7 für Europa Österreich (89,5 Pkt), Rang 10 weltweit, aber auch hier weit vor Deutschland. Schlecht schneidet beim Kapitel bezahlbare Lebensmittel Norwegen mit einem Indexwert von 81,1 Punkten ab. Begründet wird dies mit relativ hohen Preisaufschlägen, die dort – wie auch in Ungarn oder Portugal – 2020 beobachtet wurden.
Wichtiger Beitrag durch GAP
Nach Einschätzung der EIU verfügen alle europäischen Länder mit Ausnahme der Ukraine über robuste Nahrungsmittel-Sicherheitsprogramme. Diese seien jedoch durch die Covid-19-Krise erheblich unter Druck geraten. Im Jahr 2020 habe sich die Pandemie auf die allgemeine Lebensmittelversorgung auch dort ausgewirkt, wo die Verfügbarkeit von Produkten aufgrund fehlender Saisonarbeitskräfte eingeschränkt war. In der EU haben darüber hinaus Panikkäufe von Grundnahrungsmitteln kurz die Lebensmittelversorgung in der Covid-19-Krise negativ beeinflusst. Immerhin, auch das erwähnt der Indexbericht, hat die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) seit 1962 dazu beigetragen, eine stabile Versorgung mit erschwinglichen Lebensmitteln in der Union sicherzustellen.
Am anderen Ende der Skala finden sich auf Platz 113 der Jemen, hinter Sudan, Zambia, Malawi und Sierra Leone, wo bitterste Armut den Alltag der Menschen bestimmt. „Der Index zeigt jedenfalls die ernsten Herausforderungen rund um die Ernährungssicherheit auf der Welt sowie die Potenziale für ein stärkeres globales Ernährungssystem auf. Die Landwirtschaft steht dabei im Mittelpunkt“, betonte Jim Collins, der Vorstandschef von Corteva Agriscience, bei der Vorstellung des Berichtes in Genf.
https://foodsecurityindex.eiu.com
Bernhard Weber