In der ORF-Pressestunde am vergangenen Sonntag zeigte sich Anderl – offensichtlich vom Hörensagen – verwundert über den aus ihrer Sicht vermeintlich zu hohen Milchpreis. „Die Milch, hat unlängst einer gesagt, ist um 50 Prozent teurer geworden. Jetzt soll mir mal einer sagen, ob wir weniger Kühe oder weniger Gras für die Kühe haben“, erklärte die im Gewerkschaftsbund politisch sozialisierte Arbeiterkammer-Chefin zur Diskussion um die Preissteigerungen bei Lebensmitteln. Und legte mit den zwei Sätzen zugleich ihre Unkenntnis und auch Ignoranz betreffend die wahren Ursachen für die Preisanstiege von Lebensmitteln und damit auch von Milch in jüngster Zeit offen.
LK-Chef spricht von grobem Affront
Die geharnischte Reaktion ihres Gegenübers in der Sozialpartnerschaft, LK Österreich-Präsident Josef Moosbrugger, folgte prompt. Er wertete ihre Aussage als groben Affront gegen Österreichs Bäuerinnen und Bauern, „beleidigend und herabwürdigend für einen gesamten, hart arbeitenden Berufsstand, der sicherlich nicht zu den Großverdienern zählt“, so Moosbrugger. Als „Sozialpartnerin“ müsste Anderl mehr über die Zusammenhänge auf den Märkten wissen, betonte der LK-Chef. Anderls provokanter Sager lasse „als einzigen Schluss zu, dass sie scheinbar noch nicht mitbekommen hat, wie sehr die hohen Gas- und Energiepreise alle Wirtschafts- und Lebensbereiche belasten, so auch Landwirtschaft, Verarbeitung, Transport und Handel“, zürnte der oberste Bauernvertreter im Land und bekanntlich selbst Milchbauer im Vorarlberger Rheintal.
Wer sich abfällig über die Herausforderungen unserer Bäuerinnen und Bauern äußere, so der Kammerpräsident, „lässt nicht nur Kompetenz vermissen, sondern gefährdet zigtausende Arbeitsplätze auch im vor- und nachgelagerten Bereich“. Die wahren Ursachen für die Preisanstiege lägen nicht bei den Bäuerinnen und Bauern, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette, nicht zuletzt auch an zu Recht gestiegenen Lohnkosten.
Von Anderl wird eine Klarstellung erwartet
Moosbrugger erwartet sich von Anderl jedenfalls eine Klarstellung, „denn mit dieser, ihrer Haltung schädigt sie wertvolle regionale Strukturen, Arbeitsplätze und Lebensgrundlagen“.
Zudem lud Moosbrugger Anderl dazu ein, gemeinsam einige bäuerliche Betriebe zu besuchen, mit den Bäuerinnen und Bauern zu sprechen und sich ein realistisches Bild von der tatsächlichen Situation zu machen. „Nicht nur die Produktionskosten, auch die Lebenshaltungskosten der Bauernfamilien sind im selben Ausmaß gestiegen wie bei allen anderen Berufsgruppen“, gab der Kammerpräsident zu bedenken.
Sie hat scheinbar nicht mitbekommen, wie sehr die hohen Energiepreise alle belasten.“
Für die Molkereien erklärte der Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter, Helmut Petschar, Anderls Aussagen seien „herablassend und polemisch“, ohne die dahinterstehenden Gründe und Fakten auch nur ansatzweise zu erwähnen.Die gestiegenen Energiepreise seien erst mit Verspätung oder nur zum Teil in Preiserhöhungen umgesetzt worden – was auch in einer um bis zu zehn Prozent geringeren Teuerungsrate bei Milchprodukten in Österreich im Vergleich zu Deutschland ersichtlich werde, so Petschar.
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