
BauernZeitung: In knapp drei Monaten als US-Präsident hat Donald Trump die globalen Handelsströme wie kein Zweiter auf den Kopf gestellt. Europa fasst diese Woche 20 Prozent Zölle auf alle Exporte aus. Wie wird sich das auf den Agrarsektor auswirken?
WUTSCHER: Was gerade in Washington passiert zeigt wie aus dem Lehrbuch, was es bedeutet, Grenzen dicht zu machen. So eine Politik führt dazu, dass am Ende sowohl Konsumenten mehr zahlen als auch die Bauern als Produzenten massive Nachteile erleiden. Das sind Irrwege, die zu massiven Verzerrungen führen, auch im Agrarbereich. Die Vereinigten Staaten exportieren etwa große Mengen Mais und Weizen nach China. Peking wurde von Trump aber nun mit einem Zollsatz von 35 Prozent belegt und wird sich wohl neue Importeure suchen. Daher regt sich auch unter US-Farmerverbänden bereits vorsichtiger Widerstand.
Müssen die US-Amerikaner auf die harte Tour lernen, was die Trump‘sche Zollpolitik für die Wirtschaft bedeutet?
Unsicherheit ist in der Wirtschaft das größte Gift: Alle Investitionen, alle Absatzentscheidungen werden dadurch völlig gestört. Und das schlägt auch auf die Börsen durch. Das amerikanische System ist hier viel sensibler. Wenn nun die Verbraucherpreise steigen, wenn die Absatzmärkte für Produzenten schwieriger werden und dann auch noch die Wertpapiererträge sinken, dann wird sich auch die Stimmung unter den Bürgerinnen und Bürgern verändern.
Vorerst führt es aber, wie nun zu sehen, zu extremen Verwerfungen auf den Märkten…
Ja, für die Weltwirtschaft ist das keine Erkältung mehr, sondern eine schwere Grippe.
“Bemerkenswert, wenn manche glauben, es geht völlig ohne Freihandel.”
2024 hat die EU Lebensmittel und Agrargüter im Wert von 38 Milliarden Euro in die USA exportiert. Mehr Waren gingen nur nach Großbritannien. Wird dieser Absatzmarkt in Übersee verschwinden?
Verschwinden wird er nicht, aber wir werden uns kurzfristig fragen müssen, wohin mit unseren Erzeugnissen. Insofern ist das bemerkenswert, wenn manche glauben, es geht völlig ohne Freihandel. Wie soll Europa Ihrer Meinung nach nun reagieren? Die meisten Ökonomen raten ja von Gegenzöllen eher ab. Dass die EU-Kommission jetzt hart reagiert, ist klug. Jetzt wird hinterfragt, wo die USA am härtesten getroffen werden. Das ist etwa im Bereich der großen IT- und Datenanbieter, die in Europa ja gute Geschäfte machen. Weiters stimmt sich die EU mit anderen Nationen ab, um neue Märkte zu erschließen. So geschehen mit Indien oder Lateinamerika. Es ist wichtig, dem US-Präsidenten zu signalisieren, dass es Ventile gibt in Form anderer Abnehmer. Erst in einem letzten Schritt wird mit Zöllen gedroht.
Ist auch der umstrittene Handelspakt mit dem Mercosur ein solches Ventil?
Ja, absolut. Das Mercosur-Abkommen ist jetzt umso nötiger. Die prognostizierten drei Prozent Rindfleisch-Importe werden wir wohl oder übel in Kauf nehmen müssen, weil wir keine Alternativen haben. Es braucht aber einfache, funktionierende Kontrollen, um die Landwirte abzusichern. Ich verstehe Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass sie jede Chance nutzt, um für Entspannung zu sorgen.
“Das Mercosur-Abkommen ist jetzt umso nötiger.”
Wie wird sich der drohende Handelskrieg auf Bauern hierzulande auswirken?
Der Welthandel wird sicher extrem ins Stocken geraten und Handelsströme werden völlig verzerrt. Das werden auch die Bauern hierzulande spüren. Österreich ist ja extrem exportorientiert. Bei Rindfleisch, bei Milch sind wir auf die Ausfuhren angewiesen.
Das gilt traditionell auch für Wein. Bisher waren die USA einer unserer wichtigsten Abnehmer. Müssen sich die Winzer nach neuen Absatzmärkten umschauen?
Das Problem ist: Diese Überlegungen wird es als Reaktion auf die Trump‘sche Zollpolitik nun in vielen Ländern der Welt geben. Jeder wird sich neue Märkte suchen. Beim Wein haben wir seit zwei Jahren weltweit eine Überproduktion. Das bringt vor allem das mittlere Preissegment unter Druck. Hier gibt es keine einfachen Antworten. Auch Italien, Frankreich, Spanien und Chile stehen vor diesem Problem.
Wie können sich speziell die Bauern in Österreich für diese Umbrüche rüsten?
Die Landwirtschaft insgesamt ist in Zeiten wie diesen gut beraten, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Mit einer umweltgerechten und trotzdem leistungsfähigen Produktion. Außerdem muss jeder Betriebsführer individuell überlegen, wie er seinen Hof ausrichtet. Hier bietet gerade der Agrarbereich ungeahnte Möglichkeiten. Bei Winzern wäre das etwa die Produktion von alkoholfreiem Wein, für Ackerbauern und in der Viehhaltung gilt Precision Farming. Die Innovation Farm in Wieselburg oder das Agro Innovation Lab der RWA zeigen vor, was hier alles geht.
“Die Zeiten, wo der Bauer nur schaut, was der Nachbar tut, sind vorbei.”
Für solche Investitionen, die Sie ansprechen, benötigt man aber das nötige Geld…
Das Argument, Österreich sei dafür zu kleinstrukturiert, ist überholt. Es braucht hier einen unternehmerischen Zugang. Solche Investitionen, etwa in Robotik, gilt es durch Kooperationen zu stemmen. Die Zeiten, wo der Bauer nur schaut, was der Nachbar tut, sind vorbei.
Zur Person: Mag. Werner Wutscher (56) hat in Graz und Harvard (USA) Rechtswissenschaften studiert. Von 2000 bis 2007 war er Generalsekretär im Landwirtschaftsministerium, danach Vorstand von Rewe International und weiteren Unternehmen. Seit 2013 führt er die von ihm gegründete New Venture Scouting – St. Paul GmbH. Sie unterstützt junge Unternehmer bei der Gründung von Start-ups.
- Bildquellen -
- Werner Wutscher: LUIZA PUIU