Mehr Leistung, weniger Emissionen: Ackerbau in Zukunft stark gefordert

Wohin entwickelt sich der Ackerbau bis 2030? Eine Frage, die sich angesichts der von der EU geforderten Ökologisierung der Landwirtschaft stellt. Antworten darauf wurden beim Online-Ackerbautag der Landwirtschaftskammer (LK) Oberösterreich gesucht.

Klimawandel und Klimaschutz werden im Ackerbau zu Verschiebungen zwischen den Kulturarten führen.

Thomas Weber von der LK Österreich eröffnete den Ackerbautag mit einem Blick auf den Green Deal und dessen Auswirkungen auf das ÖPUL 2023. Das ehrgeizige Maßnahmenpaket soll Europa als Vorreiter für ein nachhaltiges, ökologisches Wachstum positionieren. Europa soll als erster Kontinent bis 2050 klima-neutral sein, das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppelt werden. Funktionieren soll das mit drastischen Emissionssenkungen, konkret etwa minus 55 Prozent (%) Treibhausgase bis 2030 (Referenzjahr 1990). Auch Investitionen in grüne Technologien sollten dabei eine Rolle spielen.

Landwirtschaftskammer: Noch viel Handlungsbedarf

Aus Sicht der Landwirtschaftskammer gibt es für viele der vorgestellten Initiativen noch Handlungsbedarf. So sollten etwa bei der Biodiversitätsstrategie alle Einflussfaktoren berücksichtigt werden und statt dem Schutz einzelner Arten das Bereitstellen von Lebensräumen im Vordergrund stehen. Beim europäischen Klimapakt sollten alle Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft eingebunden werden und einen Beitrag leisten müssen. Noch keine konkreten Informationen gebe es für den „Zero Pollution“-Aktionsplan für Wasser, Luft und Boden, der im zweiten Quartal fertig sein soll. Wichtig sei jedoch, zwischen fossilem und atmosphärischem Kohlenstoff zu
unterscheiden, meint Weber.

Was meint nun die Wissenschaft zu den Auswirkungen des Green Deals? Das US-Landwirtschaftsministerium erwarte um bis zu 17 % höhere Lebensmittelpreise für Konsumenten und eine Abnahme der landwirtschaftlichen Produktion um bis zu zwölf Prozent, dazu eine Reduktion des Exports und eine gefährdete Versorgungssicherheit. Das Karlsruher Institut für Technologie und die Universität Gießen (D) befürchten eine Auslagerung der Produktion in Drittstaaten mit weitaus geringeren Standards. Die Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen (Ö) geht von einem Ertragsverslust von bis zu 23 % ohne Pflanzenschutzmittel aus. „Das Fazit lautet daher, dass Klimazölle und gleiche Standards bei Importen zwingend notwendige Begleitmaßnahmen sind“, so Weber.

Integrierter Pflanzenschutz ist einer der Eckpfeiler

Marielies Mayr vom Landwirtschaftsministerium erläuterte die Pflanzenschutzeinschränkungen im Rahmen der „Farm-to-Fork“-Strategie, einem Kernelement im Green Deal. „Momentan laufen im europäischen Parlament die Koordinierungsprozesse, die nächste Abstimmung ist noch für diesen Februar geplant“, so Mayr. Weitere Ziele seien, die Richtlinie über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden zu überarbeiten und die Bestimmungen des integrierten Pflanzenschutzes zu verbessern. Die EU habe Fortschritte in den Mitgliedsstaaten bereits anerkannt. Den integrierten Pflanzenschutz betrachtet die Kommission als Eckpfeiler, dessen Anwendung stelle aber noch den häufigsten Mangel bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsrichtlinie dar.
Die Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und Höchstgehalte an Rückständen sei wirksam, es gebe aber noch Verbesserungspotenzial bei der Durchführung. Der Anteil der Wirkstoffe mit hohem Gefahrenpotenzial liegt bei zwei Prozent, die Zahl der Anträge von Wirkstoffen mit geringem Risi­ko sei um die Hälfte gestiegen.

In Österreich gebe es eine gute Pflanzenschutzpraxis, ebenso eine stetige Zunahme des Bio-Anbaus. Der aktuelle nationale Aktionsplan über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, der alle fünf Jahre überarbeitet werden muss, läuft heuer aus. Ab 2022 soll er die Vorgaben der Nachhaltigkeitsrichtlinien widerspiegeln. Zentrales Thema sind die Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes. „Wir haben in Österreich schon viel erreicht und hoffen, dass diese Vorleistungen auch berücksichtigt werden“, sagt Mayr. Österreich spreche sich dafür aus, dass erreichte Niveaus der Mitgliedsstaaten ebenso wie der Klimawan­del mit dem erhöhten Schädlingsdruck berücksichtigt werden. Ebenso, die Pflanzenschutz-Einschränkungen unter die Lupe zu nehmen. „Wir fordern eine Folgenabschätzung“, sagt Mayr.

Das Thema Pflanzenschutz ist gesetzlich so geregelt, dass die Europäische Union für die Wirkstoffzulassung verantwortlich ist, während Grundsätzliches zum Thema Pflanzenschutz und Produktzulassungen bundesweit geregelt sind. Ländersache hingegen sind die Bereiche Anwendung, Sachkundigkeit und Geräteüberprüfung. In den Vorschlägen für die Farm-to-Fork-Strategie der EU sind als Ziele eine 50-prozentige Reduktion beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und eine 50-prozentige Reduktion von „gefährlichen“ Pflanzenschutzmitteln, den so genannten „Substitutionskandidaten“, bis 2030 genannt. „Diese werden substituiert, sobald etwas Besseres nachkommt“, erläuterte Hubert Köppl, Pflanzenschutzreferent der LK OÖ.

Kann die Pflanzenzüchtung die Vorgaben des Green Deal kompensieren? Dieser Frage ging Hermann Bürstmayr von der Universität für Bodenkultur Wien nach. „Wir spüren keine Lebensmittel-Knappheit, aber weltweit werden bis 2050 zirka 50 Prozent mehr Lebensmittel notwendig“, weiß Bürstmayr. Bei einer Produktion wie bisher gebe es zu wenig Fläche, dies zu schaffen. Dazu komme die Treibhausgas-Reduktion und eine beträchtliche
Abnahme der landwirtschaftlichen Produktivität bis 2060, verursacht durch den Klimawandel.

Strengere Auflagen gefährden Produktivität 

Ein Blick auf die Erträge bei Mais und Weizen seit den 1960er-Jahren zeigt, dass die Zunahme der Produktivität in den vergangenen 20 Jahren nicht mehr so stark war wie in den Jahrzehnten davor. „Das heißt auch, dass es bei noch stärkeren Auflagen sogar zu einer Produktionsabnahme kommen könnte“, sagt Bürstmayr. Der Züchtungsfortschritt sei dennoch beträchtlich: So leisten etwa die produktivsten Weizensorten aus den 2010er-Jahren ohne Fungizid das, was schlechte Sorten aus 1960ern mit Fungizid geschafft haben. Mögliche Antworten der Züchtung seien Anpassungen innerhalb der Arten und Verschiebungen zwischen den Kulturarten, Resistenzzüchtungen und Nährstoffeffizienz.

Die Schlussworte des Tages sprach Pflanzenbaudirektor Helmut Feitzlmayr: „Eine von der EU-Kommission gewünschte Quadratur des Kreises wird es aus Sicht der Landwirtschaftskammer nicht geben, aber als Landwirte sind wir gefordert, uns der Transformation zu stellen. Ganz emissionsbefreit werden wir aber keine Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion schaffen.“ Im Hinblick auf den Klimawandel sei Oberösterreich gegenüber Niederösterreich derzeit im Vorteil. „Einen Wassermangel kann aber der beste Züchter nicht wegzüchten.“

 

- Bildquellen -

  • Weizen Ährenbehandlung 14 ID93373: agrarfoto.com
- Werbung -
AUTORGabi Cacha
Vorheriger ArtikelMaschinen übernehmen das Kommando
Nächster ArtikelKleinbetriebe: „Aus vielen Gründen unverzichtbar“