Vor zwanzig Jahren haben wir als Erste einen Milchautomaten aufgestellt, und jetzt wollen wir auch mit unserer Stromtankstelle wieder die Ersten sein”, gibt sich Andreas Sonnweber, der 31-jährige Betriebsführer, kämpferisch. “Strom aus Sonnenenergie – das ist absolut die Zukunft!”, ist er überzeugt.
Doch der Reihe nach: Andreas’ Eltern, Peter und Roswitha Sonnweber, hatten vor über 20 Jahren den Hof, der als Milchbetrieb im Nebenerwerb geführt wurde, nach und nach zur Direktvermarktung ausgerichtet. Am Anfang standen Butter- und Joghurtherstellung, dann kamen das Schnapsbrennen sowie Speck- und Wursterzeugung dazu. Die Nachfrage nach Bauerneiern führte weiter zur Hühnerhaltung, und 1994 wurde der erste Milchautomat im Ötztal aufgestellt. Nach dem Umbau des Stalles zu einem Laufstall wurde man schließlich auch Biobetrieb. Die Erfolge blieben nicht aus: Mehrfache Landessiege für Wurst und Brot vom Reaß’nhof sowie österreichweit die Prämierung mit der “Genusskrone” waren Ansporn, auf dem hohen Qualiätsniveau weiterzumachen.
Ein Schlag für die Familie war es dann allerdings, als Betriebsführer Peter vor eineinhalb Jahren, erst 59-jährig, plötzlich verstarb. Roswitha und ihr Sohn gaben aber nicht auf: Aus der ursprünglichen Idee, eine Photovoltaikanlage auf den vorhandenen Dächern zu installieren, wurde ein Großprojekt.
Die ganze Familie steht hinter dem Projekt
“Die Dächer wären sowieso zu sanieren gewesen, und so haben wir gleich alles in einem gemacht”, so Andreas Sonnweber: “Voraussetzung war, dass die ganze Familie hinter dem Projekt gestanden ist, denn wir haben alles in Eigenleistung gebaut.” Große Unterstützung erhielt man dabei von Leo Larcher, Berater an der Bezirkslandwirtschaftskammer Imst und Solarfachmann, und dann ging es Schlag auf Schlag. “Das war schon sehr stressig – in einem halben Jahr ist das Projekt über die Bühne gegangen.”
In Eigenregie wurden alle Objekte bautechnisch auf Vordermann gebracht, das Hausdach saniert, das Sägewerk als Rundholzhalle neu gebaut und vergrößert sowie eine neue Halle mit Leimbindern errichtet. “Für die Rundholzhalle haben wir 130 Stämme verwendet – alle mit Hand geschöpst (entrindet) und mit Dampfstrahler gereinigt”, erinnert sich Andreas Sonnweber an zahlreiche 20-Stunden-Tage zurück. Zum Schluss wurden die Dachflächen (derzeit knapp 900 m2) mit drei verschiedenen Ausrichtungen mit einer 120 kWpeak-Photovoltaikanlage ausgestattet. Nächstes Jahr soll noch eine Erweiterung mit 25 kWpeak dazukommen. Ebenso ist die Anschaffung eines Stromspeichers geplant. “Dann können wir das ganze Jahr über Strom-Selbstversorger sein”, so Sonnweber.
Nur dank der hohen Eigenleistung konnte die Investition mit rund 250.000 Euro im Rahmen gehalten werden: “Sonst hätte es uns vermutlich das Doppelte gekostet!” Außerdem war die Tarifförderung der OEMAG (Abwicklungsstelle für Ökostrom AG) interessant: Mit 11,5 Cent/kWh im Vorjahr und nunmehr 8,24 Cent/kWh kommt man auf einen akzeptablen Mischtarif. Andreas Sonnweber ist begeistert: “Seit der Inbetriebnahme am 29. Jänner werden wir bis einschließlich Donnerstag (Anm.: Erscheinungstag dieser Ausgabe) ca. 4650 kW produziert haben.”
Gratis Strom tanken und im Hofladen einkaufen
Ein Gutteil des erzeugten Sonnenstroms wird am Reaß’nhof selbst verbraucht. Den überschüssigen Strom stellt die Familie Sonnweber über die E-Tankstelle kostenlos zur Verfügung bzw. speist ihn ins Netz ein. “Die Tankstelle liegt günstig nahe der Ötztal-Bundesstraße und soll künftig gemeinsam mit dem Tourismusverband beworben werden”, erklärt Sonnweber. Während des Tankens kann sich der Kunde im Hofladen umsehen und mit Bauernprodukten versorgen.
Auch der für Energiefragen zuständige LHStv. Josef Geisler – mit einem landeseigenen Elektroauto angereist – zeigte sich bei seinem Besuch am Reaß’nhof beeindruckt. “Der Bezirk Imst ist für die Energieproduktion aus der Sonne bestens geeignet. 58 Prozent aller bestehenden Dachflächen – das sind mehr als 4,5 Millionen Quadratmeter – könnten sinnvoll zur Energieerzeugung genutzt werden”, erklärte Geisler die Bezirksdaten aus der Studie “Solar Tirol”.
Bis zum Jahr 2050 will Tirol energieautonom sein und sich weitgehend selbst mit heimischer erneuerbarer Energie versorgen. Dazu soll der Gesamtenergiebedarf halbiert, fossile Energieträger wie Erdöl und Erdgas sollen vor allem durch Strom aus Wasserkraft und Sonne ersetzt werden.
Am Reaß’nhof hat man jedenfalls die Energie-Hausaufgaben gemacht. Wenn es die Finanzlage wieder erlaubt, sollte der Anschaffung eines Elektroautos am Reaß’nhof nichts mehr im Wege stehen. Wie sagte es Andreas Sonnweber schmunzelnd auf Ötztalerisch: “Man braucht halt a Schneid dazua – und a bissl an Vogel!” Ab jetzt lassen die Sonnwebers die Sonne arbeiten …
Der Reass’nhof: Bauer und Stromproduzent
Der Reaß’nhof der Familie Sonnweber in Oetz wird seit acht Jahren im Vollerwerb geführt (Betriebsführer Andreas und Mutter Roswitha; die Geschwister Daniela und Markus helfen bei Bedarf mit). Viehbestand: acht Melkkühe, 70 bis 80 Hennen (soll aufgestockt werden); jährlich werden 25 bis 30 Schweine verarbeitet. Erzeugung von Edelbränden und Likören, Speck, Wurst, Bauernbrot, Eiern, Butter, Milchprodukten, Käse, Kartoffeln, Kräutersalz u. v. m. Milchautomat von 0 bis 24 Uhr Stromtankstelle von 0 bis 24 Uhr Eigener Hofladen (Montag bis Samstag geöffnet)
Andreas Humer