Deutschlands Handel macht auch im Milchregal Druck in Sachen Tierwohl. Österreich reagiert.

Die Grüne Woche in Berlin nahm die AMA-Marketing zum Anlass, neueste Zahlen zum Agraraußenhandel aus den ersten neun Monaten des Vorjahres zu präsentieren. Während die Gesamtexporte mengenmäßig rückläufig waren und entsprechend nur eine inflationsbedingte Wertsteigerung von 6 Prozent verbuchten, liefen die Geschäfte mit Deutschland anhaltend gut. Die Deutschen importierten im genannten Zeitraum Agrargüter im Wert von 4,81 Mrd. Euro aus Österreich, was einem wertmäßigen Zuwachs von 11,4 Prozent entspricht. Damit finden 38 Prozent aller heimischen Agrarausfuhren Absatz beim großen Nachbarn. Auch eine leicht positive Mengenbilanz wurde verbucht (+1 %). Ein (mit einer einzigen Ausnahme 2022) schon fast 20 Jahre währender Trend setzt sich weiter fort. Deutlich abgeschlagen folgen andere Nachbarländer wie Italien (1,37 Mrd. Euro) und Ungarn (485 Mio. Euro).

Als Kassenschlager bei den Deutschen erwiesen sich (abgesehen von der über 600 Mio. Euro schweren Energy Drink- und Limonaden- Industrie) vor allem tierische Erzeugnisse, insbesondere Käse im Wert von 384 Mio. Euro (+4 %). Auch mit Rind- und Geflügelfleisch sowie Wurst, Schinken und Speck konnte Österreich wert- und mengenmäßig punkten. Zum Sorgenkind scheint sich indes die bedeutende Schiene der Milchprodukte zu entwickeln. Dort vermeldete die Statistik Austria bis Ende September einen Absatzeinbruch um über 8 Prozent und entsprechend stagnierende Einnahmen von 648 Mio. Euro.

Haltungsformkennzeichnung: Handel macht Druck

Zurückzuführen sei das laut AMA-Marketing- Chefin Christina Mutenthaler-Sipek unter anderem auf die empfindliche Teuerung im heimischen Käsesortiment. So stieg das Preisniveau beim beliebten Bergkäse im Vorjahr um knapp 19 Prozent, nachdem es schon 2022 sprunghaft zugelegt hat. Abseits der Inflation fordert aber wohl auch die bundesdeutsche Haltungsformkennzeichnung ihren Tribut. Zur Erinnerung: Seit 2019 loben die Supermärkte in der BRD bei Fleisch freiwillig auch das Tierhaltungssystem aus. Dies geschieht anhand einer vierstufigen Kategorisierung von Stufe 1 (Stallhaltung) bis Stufe 4 (Premium, Bio).

Bei Milchprodukten zogen die beteiligten Ketten Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl, Penny, Netto und Rewe im Jahr 2022 nach. Zugleich kündigte der Handel an, die niedrigen Haltungsstufen 1 und 2 etwa bei Eigenmarken- Trinkmilch sukzessive auszulisten und durch Produkte der Stufen 3 (Außenklimahaltung) und 4 (Premium mit Weidehaltung) zu ersetzen. „Aufgrund überraschend guter Nachfrage“ setzten Edeka und Netto dies bereits im Vorjahr um. Aldi will heuer im Frühjahr nachziehen. Dass dies vorerst nur für Eigenmarken gilt, schien Branchenkenner schon vor zwei Jahren nur wenig zu beruhigen. Es sei davon auszugehen, dass Molkereien notgedrungen ihr gesamtes Sortiment an die geänderten Voraussetzungen anpassen, hieß es.

„Freiwillige“ Gütesiegel-Module

All das ließ auch bei Österreichs Molkereien und in der AMA-Marketing die Alarmglocken schrillen. Um weiterhin Milchprodukte am deutschen Markt absetzen zu können, nahm man deshalb umfangreiche Anpassungen beim AMA-Gütesiegel vor. Demnach sollen im Februar für Gütesiegel- Milchviehbetriebe gleich zwei (vorerst freiwillige) Zusatzmodule starten. Im Modul „Tierhaltung plus“ ist Laufstallhaltung und Kombinationshaltung möglich. Allerdings gelten für Letztere verschärfte Anforderungen. Die Tiere müssen demnach mindestens an 120 Tagen im Jahr zumindest zwei Stunden im Auslauf oder auf der Weide verbringen. Für das Modul „Tierhaltung plus Außenklima“ dürfen Kombihalter nicht produzieren. Dieses Siegel wird Milchviehbetrieben mit Offenfrontstall (25 % der Außenhülle offen) oder Laufställen vorbehalten sein. Bei klassischen Laufställen muss allerdings ein permanent zugänglicher Laufhof zur Verfügung stehen oder aber an zumindest 120 Tagen für zumindest sechs Stunden geweidet werden.

„Tierhaltung plus“ wurde in der deutschen Kennzeichnung zum Jahresende mit der – tendenziell auslaufenden – Stufe 2 bedacht. Aus Sicht der AMA-Marketing wird deshalb die in der Stufe 3 kategorisierte „Tierhaltung plus Außenklima“-Produktion in Zukunft nach Deutschland vermarktet werden. Das standardmäßige Gütesiegel rangiert im deutschen Handel übrigens unter der niedrigsten Stufe 1 der Haltungskennzeichnung. Entsprechend erwartet man etwa 10.000 teilnehmende Betriebe beim Modul „Tierhaltung plus“. Die beworbene Freiwilligkeit für Bauern wird sich realistischerweise auf die Vorgaben der Molkereien beschränken. Zwar ist theoretisch auch eine einzelbetriebliche Verpflichtung möglich, tatsächlich wird diese aber in den Milchlieferverträgen Einzug halten. Nicht zu verwechseln ist die genannte Haltungsformkennzeichnung im Übrigen mit der im Vorjahr präsentierten, verpflichtenden Haltungskennzeichnung der BRD. Diese soll 2025 zunächst bei Schweinefleisch starten.

haltungsform.de

- Bildquellen -

  • Deutsches Milchregal: JAKOB - STOCK.ADOBE.COM
- Werbung -
AUTORClemens Wieltsch
Vorheriger ArtikelLuftraumsicherung in Davos
Nächster ArtikelLandjugend hat Fort- und Weiterbildung im Fokus