Spannung nach dem Wahlabend

Kommentar von Conrad Seidl,
Redakteur “Der Standard”

Der Sieger der Wien-Wahl am Sonntag scheint ja schon festzustehen. Michael Ludwig hat es offensichtlich geschafft, eigenes Profil zu gewinnen und seinen Vorgänger Michael Häupl vergessen zu lassen – ähnlich hatte es seinerzeit Häupl mit Helmut Zilk gemacht. Am Wahlsieg der SPÖ ist nicht zu rütteln. Spannend daran ist allenfalls, wie hoch er ausfallen wird. Meinungsforscher sagen: ziemlich hoch, also deutlich über 40 Prozent.
Die Umfragen der vergangenen Wochen haben auch der Wiener ÖVP einen deutlichen Erfolg vorhergesagt – und da wird es wirklich spannend: Nach einer Reihe von Wahlniederlagen könnte es die Stadtpartei von Norbert Blümel auf bis zu 25 Prozent schaffen, hieß es im Frühjahr. Das wäre angesichts der zuletzt erreichten
9,24 Prozent sehr beachtlich.
Ist es aber auch realistisch? Eher nicht, wie auch die Umfragen kurz vor der Wahl nahelegen. Und schon gar nicht realistisch ist, dass schon am Sonntagabend ein starkes ÖVP-Ergebnis verkündet werden könnte: Denn bei dieser Wahl werden besonders viele Stimmen per Briefwahl abgegeben – und die österreichischen Briefwahlregeln sehen absurderweise vor, dass diese Stimmen erst nach Wahlschluss (und nicht vor Wahlbeginn) ausgewertet werden. Weil es aber gerade unter den Pandemie-Bedingungen besonders die ÖVP-Wähler sind, die per Brief ihre Stimme abgeben, werden die Ergebnisse für die ÖVP im Nachhinein wohl noch nachgebessert werden.
Das muss man im Hinterkopf behalten, wenn man am Sonntagabend die vorläufigen Wahlergebnisse mit den Erwartungen vergleicht.

conrad.seidl@gmx.at

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