Härter verhandeln und die Entwicklungen genauestens beobachten – dazu riet LK Österreich-Präsident Hermann Schultes Anfang dieser Woche mit Blick auf TTIP, das geplante EU-Freihandelsabkommen mit den USA. Denn: Bereits fertige Handelsabkommen hätten gezeigt, wie wichtig die Verhandlungen im Vorfeld sind. So ist etwa das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine in “etlichen Punkten problematisch”, erklärte Schultes.
Im EU-Abkommen mit der Ukraine seien beispielsweise keine Tierschutz-Standards festgelegt worden. Die Lebensmittel müssen zwar nach den Veterinärbestimmungen in Ordnung sein, es bestehen aber keine Regelungen über Tierhaltungsformen oder das Tierwohl. Zudem ist bekannt, dass in der Ukraine mit europäischem Geld Tierhaltungsanlagen finanziert worden sind. “Diese entsprechen weder beim Geflügel noch bei den Schweinen den EU-Mindeststandards”, zeigte Schultes auf.
Ukrainische Lebensmittel, beispielsweise das “Käfig-Ei”, gelangen aber auf den EU-Markt, werden hier verarbeitet und sind somit für den Konsumenten nicht mehr als solches erkennbar. Der LK-Präsident forderte deshalb einmal mehr eine “klare aber einfache Herkunftskennzeichnung bei Eiern und Fleisch”, und zwar dort, wo man sich nicht aussuchen könne, was man auf den Teller bekommt, etwa in Spitälern und Werkskantinen.
Das Ukraine-Abkommen sei jedoch unter der alten EU-Verhandlungsstrategie fixiert worden. Für die künftigen Übereinkommen hat sich die EU u. a. mehr Transparenz und Nachhaltigkeit vorgenommen. Schultes machte deshalb darauf aufmerksam, dass es die TTIP-Verhandlungen genauestens zu beobachten gilt.
An seiner Position habe sich dabei nichts geändert. “Wir haben von Anfang an unsere Forderungen für die Landwirtschaft gestellt”, betonte Schultes. Darunter fallen etwa die spezielle Behandlung für sensible Produkte wie Fleisch, Getreide, Stärke, Zucker, Bioethanol und Biodiesel sowie die Anerkennung der geografischen EU-Ursprungsbezeichnungen.
Die Positionen der USA und der EU sind in diesen Punkten “noch sehr weit auseinander”, so Schultes. Die US-Amerikaner würden beispielsweise nicht verstehen, weshalb sie europäische Ursprungskennzeichnungen wie “Steirisches Kernöl” oder “Tiroler Speck” akzeptieren sollten. “In den USA ist das Markenbewusstsein sehr hoch”, erklärte Schultes. Das heißt, man vertraue lieber einer bekannten Marke, als auf eine Ursprungskennzeichnung zu achten. Auch bei der Weinkennzeichnung gibt es noch Differenzen. Wobei der LK-Präsident besonders für kleine Winzer große Chancen in TTIP sieht. “Eine Vereinfachung der Handelsregeln könnte den Marktzugang für kleinere Betriebe erleichtern”, so der LK-Präsident. Das sei auch für Milch- und Fleischwaren der Fall. Der Kritik, TTIP könnte vor allem die kleinbäuerlichen Betriebe zerstören, hält Schultes entgegen: “Wir gehören auch schon in der EU zu den Kleinen. Wir brauchen uns vor den USA also nicht zu fürchten.” Österreichische Betriebe in Berggebieten und benachteiligten Gebieten würden außerdem, statistisch gesehen, am wenigsten dem Strukturwandel unterliegen, erklärte Schultes.
Die finalen Verhandlungen werden am spannendsten
Diese und weitere Differenzen machen die finalen Verhandlungsrunden zu den spannendsten, denn: Bei der vorletzten Verhandlungsrunde wurden nachgebesserte Zollangebote vorgelegt, die 97 Prozent der Zolllinien abdecken. Die kritischen Punkte aus der Landwirtschaft sind darin noch nicht behandelt, kommen also ganz zum Schluss an die Reihe. Die nächste Verhandlungsrunde ist im April geplant. Bis Juli soll ein Großteil der Verhandlungstexte vorliegen. Ein TTIP-Abschluss noch in diesem Jahr gilt laut Schultes weiterhin für unwahrscheinlich. Für den LK Österreich-Präsidenten steht jedenfalls fest, dass Handelsabkommen für Österreich und die EU besonders wichtig sind. Aus dem geografischen Umfeld der EU – Russland, Nordafrika oder Naher Osten – seien nämlich keine Impulse zu erwarten. Gleichzeitig treffen die USA derzeit mit den pazifischen Staaten umfassende Freihandelsabkommen. Die EU könnte somit auf dem Weltmarkt Schritt für Schritt den Anschluss verlieren.
Das fordert die LK Österreich bei TTIP:
• Zollabbau, aber: spezielle Behandlung für sensible Produkte
• Anerkennung der geografischen Ursprungsbezeichnungen
• Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips (Standards)
• Niveau von EU-Vorschriften nicht senken
• Nicht-tarifäre Handelshemmnisse beseitigen
• Gegenseitig ausgewogener Marktzugang
• Berücksichtigung aller bislang gemachten Konzessionen
• gesamtwirtschaftliche Kosten-Nutzen-Abwägung