Landesbauernrat: Welche Lehren aus den Ergebnissen der Landtagswahl am 29. Jänner gezogen werden müssen, um in Zukunft wieder erfolgreich Wahlen schlagen zu können, wurde von den Bauernbündlerinnen und Bauernbündlern mit Obmann Stephan Pernkopf intensiv diskutiert.
Das höchste Gremium des NÖ Bauernbundes, der Landesbauernrat, trat am vergangenen Samstag in St. Pölten zusammen. Im Mittelpunkt der intensiven Diskussionen standen neben einer eingehenden Analyse des Ergebnisses der Landtagswahl vom 29. September die Inhalte des Arbeitsübereinkommens, das die NÖ Volkspartei am Freitag zuvor mit den Freiheitlichen abgeschlossen hatte. Fazit: Im Sinne einer stabilen Mehrheit und dem Wunsch der Wählerinnen und Wähler entsprechend muss nach der konstituierenden Sitzung des NÖ Landtags am heutigen Donnerstag wieder die Arbeit für die Menschen in Niederösterreich im Vordergrund stehen.
Überzogenen Forderungen ließen Verhandlungen scheitern
„Nur wenn wir die Ergebnisse der Wahl grundlegend aufarbeiten und verstehen, können wir die richtigen Lehren daraus ziehen, um bei künftigen Wahlen wieder erfolgreich zu sein“, stellte Direktor Paul Nemecek fest. Es gelte daher nun in erster Linie wieder besser zuzuhören, um die Anliegen der Menschen im Land zu verstehen und Perspektiven bieten zu können.
Von intensiven vergangenen sieben Wochen seit der Landtagswahl berichtete Bauernbundobmann Stephan Pernkopf. Die Volkspartei sei mit dem Wunsch nach Zusammenarbeit auf Augenhöhe in die Verhandlungen mit der SPÖ gestartet. Das Team um den neuen Parteivorsitzenden Sven Hergovich kenne jedoch offensichtlich Niederösterreich und die Menschen im Land zu wenig. Nur so seien die völlig überzogenen Forderungen und das Fehlen jeder Verhandlungskompetenz und Kompromissfähigkeit zu erklären. Alleine die fünf Hauptforderungen hätten 2,3 Milliarden Euro gekostet, 200 Zusatz-Punkte hätten nochmals 5,9 Milliarden Euro pro Legislaturperiode ausgemacht.
Warum die Verhandlungen mit der SPÖ gescheitert sind lesen Sie hier.
Professionelle Verhandlungen mit den Freiheitlichen
Trotz aller Vorbehalte seien die Verhandlungen mit den Freiheitlichen viel professioneller verlaufen und auch „ideologisch mussten wir uns weniger verbiegen und wir werden gerade im Bereich Landwirtschaft in den nächsten fünf Jahren viele Punkte gemeinsam umsetzen können“, so Pernkopf. Er wird auch weiterhin für die Agenden Landwirtschaft, Umwelt, Energie, Wasser, Jagd und Fischerei und Raumordnung als Regierungsmitglied verantwortlich sein. Erweitert wird das Ressort des Bauernbundobmanns um die bisherigen Agenden der Landeshauptfrau, Wissenschaft und Regionalentwicklung (Dorf- und Stadterneuerung etc.). Finanzlandesrat bleibt weiterhin der Bauernbündler Ludwig Schleritzko, der künftig auch für die Landeskliniken und Landesgesundheitsagentur zuständig sein wird.
„Die einzige Alternative zur Zusammenarbeit mit den Blauen wären Neuwahlen gewesen.“
Stephan Pernkopf
Johanna Mikl-Leitner bleibt Landeshauptfrau, sie wird zusätzlich die Wirtschaftsagenden und Tourismusagenden übernehmen. Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister bleibt für Bildung, Pflege und Familien zuständig und übernimmt zusätzlich die Wohnbauagenden.
An der Spitze des Agrarklubs wird künftig Manfred Schulz stehen, der damit Karl Moser nachfolgt. Das Amt des stellvertretenden VP-Klubobmannes wird Anton Kasser übernehmen.
Bäuerliche Familienbetriebe gemeinsam weiterentwickeln
Die familiengeführte Landwirtschaft sei als gemeinsames Ziel festgelegt worden. Daran orientieren sich auch die vereinbarte Punkte des Arbeitsübereinkommens im Bereich Landwirtschaft, Tierwohl und Ländlicher Raum.
- Beseitigung von Wettbewerbsnachteilen für die niederösterreichische Landwirtschaft (z.B. beim Agrardiesel, Energiekosten)
- Klares Bekenntnis zum Pflanzenschutz zur Sicherstellung der Lebensmittelversorgungssicherheit
- Nein zum Freihandelsabkommen Mercosur
- Anreizsystem für mehr Tierwohl
- Klare Absage an Vermögens- und Erbschaftssteuern
- Vorrang für heimische Lebensmittel in öffentlichen Küchen und ein Ausbau der Herkunftskennzeichnung
- konsequente Managementmaßnahmen gegen Wolf, Biber und Co
- Keine generelle Öffnung von Forststraßen für Mountainbiker und Freizeitnutzer
- Ausbau der landwirtschaftlichen Bewässerung
- Stärkung der Entwicklungsmöglichkeiten im ländlichen Raum und Schutz der Agrarräume in der Raumordnung
- Den Ausbau der Erneuerbaren Energien weiter vorantreiben
- „Dächer vor Äcker“ als Grundsatz beim Photovoltaikausbau
- Massiver Ausbau der Netzinfrastruktur für eine sichere und dezentrale Energieversorgung
- Einführung von E10
- Offensive für des Ausbau von Biogas und Biomasse
Das gesamte Arbeitsübereinkommen zum Nachlesen
Nach hartem Wahlkampf Vertrauen wieder aufbauen
Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit müsse auch nach harten Auseinandersetzungen hergestellt werden können, berichtete Pernkopf von der Einrichtung eines Fonds des Landes im Rahmen der Aufarbeitung der gesetzten Corona-Maßnahmen. Eine Entschädigung könne jedenfalls nur nach strengen rechtlichen Maßstäben erfolgen. Zugestimmt habe die Volkspartei auch deshalb, um Gräben weiter zuzuschütten.
Trotz schwieriger Voraussetzungen und aller medialer Kritik stelle das nun vorgelegte Arbeitsübereinkommen die Niederösterreicherinnen und niederösterreicher sowie die erfolgreiche Weiterentwicklung des Landes in den Vordergrund. Die Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen stelle ein Risiko dar, das nach seiner derzeitigen Einschätzung kalkulierbar sei. „Angst zu haben, bevor die die gemeinsame Arbeit beginnt, sei jedenfalls nicht notwendig“, so Pernkopf.
Das Proporzsystem
Im Zuge der Regierungsverhandlungen wurde wieder einmal viel über den „Proporz“ diskutiert. Was man darunter versteht und warum es Mehrheiten sowohl im Landtag als auch auf Regierungsebene braucht:
- „Proporz“ im eigentlichen Sinn bedeutet anteilsmäßige Beteiligung. Konkret steht allen im Landtag vertretenen Parteien ein Regierungssitz zu, wenn sie bei den Wahlen eine bestimmte Stärke erreicht haben. Eine Proporzregierung ist somit eine abgeschwächte Form der Allparteienregierung oder Konzentrationsregierung.
- Historisch geht die verhältnismäßige Aufteilung der Regierungssitze und damit auch die gegenseitige Kontrolle auf das Jahr 1945 zurück. Die damaligen Regierungspartner ÖVP und SPÖ wollten zukünftige Auseinandersetzungen zwischen den politischen Lagern wie bei den Februarkämpfen 1934 vermeiden. Das Proporzsystem wurde somit als stabilisierender Faktor geschaffen.
- Bis 1999 hatten alle Bundesländer mit Ausnahme von Vorarlberg eine solche Regelung. Aktuell sind es nur mehr Nieder- und Oberösterreich sowie in Wien, wobei in der Bundeshauptstadt die rechtliche Situation speziell ist, da der Wiener Gemeinderat gleichzeitig auch Wiener Landtag ist.
- In der Praxis schließen heute zwei oder mehrere Parteien, die sich auf eine Mehrheit im Landtag stützen können, ein Arbeitsübereinkommen, um rascher Beschlüsse zu fassen. Sie bestimmen die Verteilung der Ressorts und die Politikgestaltung. Als Gegensatz zu Übereinkommen stünde das „Spiel der freien Kräfte“.