Josef Aschbacher leitet seit 1. März die Europäische Weltraumorganisation ESA. Der Geophysiker und gebürtige Tiroler ist der erste Österreicher in dieser hohen Position. Sein Steckenpferd ist die Erd- und Umweltbeobachtung. Was das mit der Landwirtschaft in Österreich zu tun hat? Eine ganze Menge. ProHektar hat mit ihm den Blick in die Sterne gewagt.
Als Neil Armstrong 1969 am Mond seinen kleinen großen Schritt für die Menschheit tat, war Josef Aschbacher gerade einmal sieben Jahre alt. Das Weltereignis verfolgte der Bergbauernsohn via Fernsehen am elterlichen Hof in Ellmau. Die Faszination für die Raumfahrt hat ihn damals gepackt und nie mehr losgelassen. „Es ist wirklich ein Kindheitstraum von mir, in der Raumfahrt zu arbeiten“, sagt der heute 58-Jährige. Deshalb entschloss er sich nach seiner Schulausbildung an der Universität Innsbruck in einem Fach zu inskribieren, „mit dem man Weltraum studieren kann“. Zur Wahl standen Astronomie sowie Meteorologie und Geodynamik. Es wurde schließlich Letzteres. Die Erd- und Umweltbeobachtung wurden zur großen Passion, 2016 übernahm er sogar die Leitung der entsprechenden ESA-Abteilung. Als Bergbauernkind habe ihn die Verbundenheit zur Natur geprägt, die in der beruflichen Tätigkeit für die ESA immer mitgetragen wurde. „Es hat mir immer eine Riesenfreude gemacht, ein Satellitenbild zu sehen von meiner Heimat, von der Natur – wie Österreich aus dem Weltraum aussieht.“
Überwachung von oben
Die Erd- und Umweltbeobachtung sei freilich viel mehr als die simple Betrachtung von Satellitenbildern. Die Raumfahrt ist nichts, das ins Reich der Fiktion geschoben werden kann, sondern ein Forschungsfeld, dessen Ergebnisse sich auf den Alltag – gerade auch in der Landwirtschaft – auswirken und dort auch einen großen Mehrwert bringen. Das bestätigt der ESA-Generaldirektor. „Ich habe die Diskussion mit meinen Eltern und mit meinem Bruder, der den Hof übernommen hat, sehr oft“, schmunzelt Aschbacher im Gespräch mit ProHektar. Dabei profitiere die Landwirtschaft in mehreren Bereichen, „angefangen bei der Wettervorhersage“. Immerhin sei es für einen Landwirt essenziell zu wissen, ob es bald Regen geben wird oder nicht, um sich beispielsweise auf die Heuernte einstellen zu können.
Präzision für die Landwirtschaft
Darüber hinaus werden Satelliten heute auch für das Management großer Betriebe eingesetzt. Das Schlagwort lautet „Precision Farming“, also Präzisionslandwirtschaft. Vor allem größere Betriebe setzen auf die Erkenntnisse aus den Satelliten-Daten. In Österreich seien die Felder zwar etwas kleiner, in vielen anderen Regionen in Europa seien die Flächen aber viel größer. „Da werden wirklich Satelliten verwendet, um zu bestimmen, welcher Teil der Felder zu trocken, über- oder unterdüngt ist,“ erklärt Aschbacher. So könne in weiterer Folge gezielt bewässert werden, und es können Dünge- oder Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Einerseits trägt das dazu bei, die Umweltbelastung zu minimieren, andererseits auch dazu, den Ertrag zu optimieren. Die Daten dazu liefern die Sentinel-Satelliten des ESA-Erdbeobachtungsprogrammes Copernicus. Es gilt als das weltweit umfassendste Programm dieser Art und dokumentiert von oben den Zustand der Erde. Die Satelliten sammeln optische Daten, wie Radardaten, und liefern dadurch räumlich genau aufgelöste Bilder. Dadurch können etwa Klimaveränderungen prognostiziert, die Einhaltung von Umweltabkommen überwacht oder auch Naturkatastrophen bewältigt werden. Für die Landwirtschaft ergibt sich daraus eine effizientere, ressourcenschonendere und damit auch nachhaltigere Betriebsführung. Die Informationen aus dem All ermöglichen schließlich etwa das Messen der Bodenfeuchtigkeit, das Finden des perfekten Aussaat-Zeitpunktes, die Analyse des Pflanzenwachstums und der Pflanzengesundheit, den richtigen Erntezeitpunkt oder auch das Ertragspotenzial eines Feldes.
„Wir sollten die Erde schützen“
All diese Daten sind grundsätzlich frei zugänglich, allerdings für Laien schwer zu interpretieren. Das übernehmen diverse Dienstleister für Landwirte. Daraus ergibt sich dann unter anderem die Präzisionslandwirtschaft, in die bereits die Anwendung von Wetter-Apps oder GPS-Systemen auf landwirtschaftlichen Maschinen fällt. Die Landwirtschaft erhofft sich dadurch in Summe höhere Erträge bei geringerem Betriebsmitteleinsatz, mehr Tierwohl und eine gesteigerte Umweltverträglichkeit. Das Potenzial will man bestmöglich nutzen. Nicht zuletzt deshalb gibt es Bestrebungen, Precision Farming als Umweltmaßnahme in das Agrarumweltprogramm Öpul ab 2023 aufzunehmen. Für Josef Aschbacher stehen in den nächsten Jahren große Aufgaben am Programm. Der gebürtige Tiroler versucht, mit seiner Agenda 2025 europäische Antworten auf die Kommerzialisierung der Raumfahrt zu finden, wie sie durch Tesla-Gründer Elon Musk oder Amazon-Gründer Jeff Bezos vorangetrieben wird. Zudem sucht die ESA derzeit neue Astronautinnen und Astronauten und mischt in der Erforschung des Mars mit. Gleichzeitig legt Aschbacher weiter höchsten Wert auf die Erdbeobachtung, denn er betont: „Wir sollten die Erde schützen und uns auf sie konzentrieren, bevor wir uns überlegen, am Mars eine zweite Erde aufzubauen.“
European Space Agency (ESA): Die Europäische Weltraumorganisation mit Sitz in Paris wurde 1975 zur besseren Koordinierung der europäischen Raumfahrt- aktivitäten gegründet und um technologisch gegenüber den Raumfahrtnationen Sowjetunion und Vereinigte Staaten gleichberechtigt auftreten zu können.
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