Ackerbau in MontesusÍn in Aragonien: Auf dem Gros der Felder wächst ohne Beregnung kaum noch etwas.

Wer hierzulande an Agrarerzeugnisse aus Spanien denkt, dem kommt wohl zuallererst das schier endlose spanische Obst- und Gemüsesortiment in hiesigen Supermärkten in den Sinn. Tatsächlich entfallen rund 14 Prozent der Obst- und Gemüseerzeugung in der EU auf Spanien, meist aus den riesigen Gewächshausanlagen an der Mittelmeerküste Andalusiens. Zudem ist das Land mit jährlich rund 34 Mio. Schweinen auch der größte Schweinefleischproduzent Europas. Auch der Ackerbau spielt neben diversen Dauerkulturen wie Wein, Oliven und Mandeln eine wesentliche Rolle.

Alle diese Produktionszweige eint die (in-) direkte Abhängigkeit von Niederschlägen. Diese fallen in Spanien seit jeher knapp aus. Doch in den vergangenen zwei Saisonen hat sich die Lage zugespitzt. Laut Experten sollen den spanischen Bauern allein 2023 Dürreschäden in Höhe von 450 Mio. Euro entstanden sein. Schon im Frühjahr meldete die nationale Wetterbehörde landesweit nur noch zu knapp 40 Prozent gefüllte Wasserreservoirs, fast die Hälfte weniger als im langjährigen Durchschnitt. Dabei nutzen die Spanier faktisch jede Fließwasserquelle. Kein Land verfügt pro Flächeneinheit über mehr Talsperren, 350 sind es insgesamt zwischen den Pyrenäen und Gibraltar. Aus diesen wird nicht nur die Trinkwasserversorgung gespeist und Energie erzeugt, sondern zu einem Gutteil auch die Landwirtschaft versorgt. 3,5 Mio. Hektar beträgt die bewässerte Fläche Spaniens heute, mehr als ein Viertel der gesamten Nutzfläche. Tendenz steigend.

Gezielte Investitionen in Kanäle

In Sachen Bewässerung seit Jahrzehnten besonders gut erschlossen ist die im Einzugsgebiet der Flüsse Gállego und Cinca gelegene Region Aragonien im Nordosten des Landes. Dort wurde schon vor mehr als 100 Jahren der Wasserbezug für die Landwirtschaft per Gesetz geregelt. Bis in die 1970er-Jahre ließ die Franco- Diktatur gleich mehrere Kanäle errichten, die das Schmelzwasser der Pyrenäen in die semiariden Ackerbaugebiete leiten. Auch nach Montesusín, eine im Norden Aragoniens gelegene Gemeinde, die erst im Zuge der Errichtung des 130 Kilometer langen Monegros-Kanals entstand. Mit gerade einmal 400 Millimeter Jahresniederschlag dürfen die Bauern dort in üblichen Jahren rechnen (in einem typischen Juli sind es gar nur 20 Millimeter). Die Region ist mit nur 14 Einwohnern pro Quadratkilometer dünn besiedelt und agrarisch geprägt. Auch beim Besuch der BauernZeitung im November sind die Auswirkungen des trockenen Sommers noch omnipräsent. Grün sind nur jene Flächen, wo das Wintergetreide unter Beregnung zu spitzen beginnt.

Lebensadern der Region: die 2.000 Kilometer langen Bewässerungskanäle.

„In entvölkerten Regionen wie hier wird das Potenzial korrekter Wasserversorgung ersichtlich“, sagt Yolanda Gimeno bei einem Lokalaugenschein vor Journalisten. Sie leitet die Kommunikationsabteilung von „Riegos de Alto Aragón“, einem staatlichen Unternehmen, das den 48 Bewässerungsgemeinschaften Aragoniens vorsteht. Deren erklärtes Ziel: der nächsten Generation weiterhin eine Zukunft in der Region zu bieten, „den Kindern zeigen, dass man nachhaltig agiert“, sagt Alberto Anadón, Präsident der Bewässerungsgemeinschaft von Montesusín und selbst Landwirt, „damit sie das, was wir tun, auch weiterführen“. Denn neben 10.000 Bauern sei in Aragonien auch die gesamte Trinkwasserversorgung von den vier Dutzend Bewässerungsgemeinschaften abhängig. Entsprechend massiv wurde in den vergangenen Jahren in die 2.000 Kilometer langen Bewässerungskanäle und die zugehörigen rund 750 Mio. Kubikmeter Speicherseevolumen investiert.

Bis zu 60 Prozent Zuschuss vom Staat

So auch in Montesusín. Bereits 2008 begann man dort, die alte Infrastruktur aus der Franco-Ära zu modernisieren. Heute verfügt die Gemeinde über einen Speichersee mit 295.000 Kubikmetern samt Pumpanlagen. Eine Photovoltaikanlage liefert in der Bewässerungssaison von Mai bis September gut Dreiviertel des für die Pumpen benötigten Stroms. Die 150 Landwirte der Gemeinde konnten seither ihre bewässerte Fläche auf gut 3.200 Hektar der knapp 4.000 Hektar Nutzfläche ausweiten. Eine Investitionsförderung unterstützt die Bauern mit bis zu 30 Prozent ihrer Kosten dafür. Ist das System „nachweislich wassersparend“, werden weitere 30 Prozent vom Staat zugeschossen. Ein Landwirt, der in Montesusín 20 Hektar Acker mit Mais oder Futtergetreide bewirtschaftet und rund 400 Rinder für ein Madrider Unternehmen mästet, erzählt: „Die neue Bewässerung brachte zwar hohe Investitionskosten mit sich. Durch das neue System ersparen wir uns aber viel Arbeitszeit. Diese kann ich nun für meine Viehwirtschaft aufwenden.“

Priorisierung bei Wasserknappheit

Nach den jüngsten zwei Dürrejahren bleibt dennoch die Frage der Krisensicherheit. Wissenschaftler der Universität Saragossa, der Haupstadt Aragoniens, haben bereits 2015 festgestellt, dass im gesamten Ebro-Gebiet etwa 60 Prozent der jährlich vorhandenen Wasserreserven verbraucht werden. Damals gingen sie von einem 30-prozentigen Anstieg bis 2027 aus. Zugleich wurde aber bis zum Jahr 2100 ein ebensolcher Rückgang des verfügbaren Wassers prognostiziert. In Montesusín sieht man sich auf diesen Ernstfall mittlerweile vorbereitet. Bei Wasserknappheit finde die Gemeinschaft nach Rücksprache mit Bauern und Kommune stets einen Konsens im Sinne der staatlichen Vorgaben. „Eine effiziente Maßnahme, um Konflikte zu vermeiden“, ist der „Wasser-Präsident“ Anadón überzeugt. Tatsächlich stellte auch Sergio Villamayor-Tomas, Umweltwissenschafter an der Berliner Humboldt- Universität, der Riegos de Alto Aragón in einer Publikation des „Global Water Forum“ ein positives Zeugnis aus. Die Produktivität der Flächen sei gestiegen und Landwirte wären bereit gewesen zu investieren. Das sei bei Weitem nicht überall im Land so, weiß Villamayor- Tomas. Denn in Spanien sei nach wie vor die „Tragödie der Allmende“ allgegenwärtig.

Gemeint ist damit ein im Land seit Jahrhunderten bestehendes System der Eigentumsverhältnisse bei landwirtschaftlichen Nutzflächen. Die Bauern haben nämlich oft nur ein von den Gemeinden erteiltes Nutzungsrecht für Äcker und Wiesen, sind also weder Pächter noch Eigentümer ihres Bodens. Dementsprechend gering sei laut Angaben des Umweltwissenschafters die Bereitschaft dieser Bauern, etwas in die bestehende Bewässerung zu investieren oder gar die Bewirtschaftung umzustellen. Langfristig werde es jedoch eine Abkehr von wasserintensiven Kulturen wie Mais brauchen, um den Wasserhaushalt nicht zu überlasten, schreibt der Forscher.

Für Bauern ist „die Hitze das Problem“

Davor scheinen Aragoniens Bauern derzeit aber eher die Augen zu verschließen. Zwar sind Dauerkulturen wie Wein, Mandeln und Oliven aufgrund des besseren Wasserspeichervermögens im Land weit verbreitet.

Quelle: BZ/Wieltsch
Olivenbäume kommen mit Trockenheit eigentlich gut zurecht. Auf bewässerten Standorten liefern sie jedoch ein Vielfaches an Ertrag und verdrängen so den Getreideanbau.

Mit dem Anschluss an die Bewässerung würden aber auch diese Kulturen intensiviert, erläutert Alfredo Caldú Celma, Olivenbauer im östlichen Aragonien, den Besuchern seiner Plantage: „Sobald die Bauern an die Bewässerung angeschlossen werden, satteln sie von Getreide auf Oliven um.“ Was die Ertragssituation deutlich verbessert. Von 500 Kilogramm Oliven je Hektar auf unbewässerten Standorten auf bis zu sechsmal so viel auf bewässerten Flächen. Immerhin: Statt Beregnung werden die Oliven in den Plantagen sparsamer mit Tröpfchen- Systemen bewässert.

Trotzdem hatten aber auch die Olivenbauern zuletzt zu kämpfen, wie Caldú Celma berichtet. Im vergangenen April seien im Zuge von Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke die Blüten an den Bäumen „verbrannt“, erzählt er. „Trockenheit sind wir gewöhnt, aber anhaltende Hitze wird zum Problem“, so der Bauer inmitten seiner Olivenbäume. Ähnliches berichtet auch Antonio Enfedaque. Er weidet seine 3.000 Mutterschafe ganzjährig auf Allmende- Flächen, kann aber oft nur die Hälfte der ihm zugesprochenen 4.300 Hektar bestoßen, „weil nur dort überhaupt noch etwas wächst“. Im Hochsommer müsse er mit seinen Tieren längst auch auf bewässerte Weideflächen. „Fördergelder aus der EU-GAP bekommen wir übrigens nicht“, sagt Enfedaque. Denn dazu müsse er ja laut EU-Vorgaben eigene Flächen besitzen.  

- Bildquellen -

  • Olivenplantage: BZ/Wieltsch
  • Bewässerung Montesusín: BZ/Wieltsch
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AUTORClemens Wieltsch
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