Die BauernZeitung sprach mit dem Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit im Innenministerium, Konrad Kogler, über die Bedrohungslage in Österreich, die gefühlte Sicherheit der Österreicher und wie das Projekt “Gemeinsam sicher” diese verbessern soll.
In den vergangenen Tagen ist es zu furchtbaren Anschlägen und Amokläufen in Deutschland und Frankreich gekommen. Auch die Österreicher sind verunsichert. Wie schätzen Sie die aktuelle Bedrohungslage ein?
KOGLER: Es geht um Bedrohungslagen aufgrund des Extremismus bzw. aufgrund von Terrorattacken. Wir haben seit Monaten, insbesondere seit dem ersten Anschlag auf Charlie Hebdo in Paris, eine erhöhte Gefährdungslage in Österreich. Eine erhöhte Gefährdungslage deswegen, weil wir als Verbund innerhalb der EU auch als klares Ziel genannt wurden, in vielen Schreiben und Androhungen. Auch durch Kämpfer aus Syrien oder Libyen, die aus Kampfgebieten zurückgekehrt sind, haben wir eine gewisse Gefährdung im Land. Wir haben darauf mit einer Vielzahl an Maßnahmen reagiert. Zwei Beispiele dazu: Wir haben unter anderem unsere Spezialeinheit Einsatzkommando Cobra auf eine erhöhte Bereitschaft gesetzt, ebenso unsere Flugpolizei. Es geht darum, dass wir an jedem Punkt in Österreich sehr schnell mit unseren Spezialkräften vor Ort sind, wenn tatsächlich etwas geschehen sollte. Der Anschlag in München hat genau das bewiesen. Wir wurden vom bayerischen Staatsministerium des Inneren zur Unterstützung mit Cobra-Kräften angefordert. Und wir waren in sehr kurzer Zeit mit unseren Kräften in München vor Ort.
Aber hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben, oder?
KOGLER: Hundert Prozent Sicherheit gibt es nie. Das ist nicht nur bei der Polizei so, sondern auch im Bereich der Verkehrssicherheit oder der Gesundheit. Was wir gewährleisten können, ist zum Ersten eine schnelle Antwort durch polizeiliche Einheiten, wenn etwas passiert ist. Zum Zweiten, dass wir im Vorfeld verhindern, dass etwas passiert. Es braucht gute Integration auf der einen Seite und eine enge Vernetzung der Polizei auf der anderen Seite. Deshalb starteten wir das Projekt “Gemeinsam sicher”, das genau von diesem Gedanken lebt.
Sie sagten, es bedarf der Integration. Kürzlich war zu lesen: Wenn Personen einen negativen Asylbescheid bekommen, dauert es bis zu drei Jahre bis zur Abschiebung. Warum dauert das so lange?
KOGLER: Wie Sie richtig sagen, das ist ein ‚Bis-zu-Wert‘. Für uns ist wesentlich: Wenn Personen einen negativen Asylbescheid haben oder das Gastrecht in Österreich missbrauchen, muss konsequent vorgegangen werden. Wir stehen hier bei einigen Ländern vor großen Herausforderungen, weil sie ihre eigenen Staatsbürger nicht zurücknehmen wollen oder bestreiten, dass sie aus ihren Ländern kommen. Hier zeigt es sich auch, dass es ein Mehrwert ist, wenn Österreich Teil einer größeren Gemeinschaft ist, um auf große Länder, wie zum Beispiel Algerien, Marokko oder Nigeria, entsprechenden Druck auszuüben, damit wir diese Rücknahmeformalitäten auch tatsächlich ausführen können.
Sind unsere bestehenden Gesetze ausreichend?
KOGLER: Ja, die bestehenden Gesetze sind ausreichend. Woran es scheitert, sind die faktischen Rückführungen in Problemländer wie Marokko oder Algerien. In Ländern, wo funktionierende Regierungen am Werk sind, funktionieren auch die Rückführungen.
Was sagen Sie zum Flüchtlingsabkommen mit der Türkei?
KOGLER: Sie wissen, ich bin kein Politiker, sondern ein Beamter. Deswegen kann ich keine politische Bewertung vornehmen. Wir wollen einerseits einen sicheren Außengrenzschutz. Das heißt: Innerhalb des Schengen-Raums muss es die Möglichkeit geben, dass an den Grenzen die entsprechenden Schutzmaßnahmen getroffen werden. Neben diesen polizeilichen Maßnahmen ist es zwingend erforderlich, dass man möglichst nahe an den Herkunftsorten der Flüchtlinge, gemeinsam etwa mit UNHCR, Registrierungsstellen schafft, wo man feststellt, ob die Personen verfolgt sind. Dann kann man diese Flüchtlinge gemeinsam über Europa verteilen.
Gefühl der Unsicherheit Zum Sicherheitsbedürfnis der Österreicher: Im April startete das Pilotprojekt “Gemeinsam sicher”. Sogenannte “Sicherheitsbürger” und “Community Referenten” sollen als Schnittstelle zwischen Bevölkerung und Polizei dienen. Was soll das Projekt bewirken?
KOGLER: Das gefühlte Sicherheitsempfinden und die objektive Entwicklung im Bereich der Sicherheit laufen in Österreich auseinander. Wir haben seit 2004 eine Reduktion der Delikte von 640.000 auf 517.000 pro Jahr erzielt. Die Menschen haben aber trotzdem das Gefühl, dass sie in einer unsichereren Welt leben. Es zeigte sich aber, dass Menschen Sicherheit wesentlich positiver erleben, wenn sie daran aktiv mitgestalten können. Wir schaffen nun intern Strukturen, damit Menschen mit Sorgen auch Ansprechpartner bei der Polizei haben.
Grüne und FPÖ kritisierten, es käme dadurch zum Spitzelstaat. Kritik kam aber auch aus den eigenen Reihen, der Polizeigewerkschaft, die sagt: Der Community Referent ist der Bezirkspolizeikommandant und niemand sonst. Wie entgegnen Sie der Kritik?
KOGLER: Zur Gewerkschaft: Es wird niemand aus seiner Verantwortung entlassen. Für uns ist aber wesentlich, dass jene Polizisten, die Freude an der Kommunikation mit der Bevölkerung haben, in den Kontakt mit der Bevölkerung hineingehen, denn das ist ja der Schlüssel. Der Zugang ist klar: Alle Verantwortlichen bleiben in ihrer Verantwortung. Ergänzend dazu gibt es diese Community- oder Kontaktpolizisten, die als Kommunikatoren in der Gesellschaft verankert werden. Zur Spitzelpolizei: Wenn jemand mit einer berechtigten Sorge zur Polizei kommt, dann ist es auch die Aufgabe einer modernen Polizei, diese Sorgen und Ängste ernst zu nehmen. Wir stellen niemanden an den Pranger oder führen ohne Rechtsgrundlage Ermittlungen durch. Das Neue ist, dass wir jetzt gemeinsam nach Lösungen suchen und das machen wir in einer transparenten Weise. Das ist das Gegenteil von Spitzeltum.
Diese Pilotprojekte sollen zu Jahresende evaluiert werden. Wie wird es dann weitergehen?
KOGLER: Wir haben seit April in Graz, Eisenstadt, Schärding und Mödling die Pilotprojekte laufen, seit 1. August auch in acht Wiener Gemeindebezirken. Wir haben bereits eine Vielzahl von Anfragen von Gemeinden, die sich für das Projekt interessieren. Deshalb werden wir die Evaluierung bereits Ende September durchführen, um das Projekt erweitern zu können.
Was ist Ihr Ziel?
KOGLER: Unser Ziel ist, dass jeder Bürger, der eine Sorge hat, in ganz Österreich auch einen Ansprechpartner auf polizeilicher Seite hat und dass diese in einem neuen Prozess der Beteiligung auch gemeinsam abgearbeitet wird. Haben sie dafür genug Personal? KOGLER: Das ist eine sehr interessante Frage. Das Gleiche haben wir unsere Kollegen in den Regionen gefragt. Was wir dazu auf jeden Fall sagen können: Das Investment an Personal und an Ressourcen wird sich positiv niederschlagen. Polizei versteht sich auch als maßgeblicher Player zur Erhaltung des sozialen Friedens und genau deswegen kann man, wenn man im Vorfeld schon aktiv wird, nach Möglichkeit kriminelle Handlungen verhindern.
Interview: Christine demuth und Eva Zitz
“Gemeinsam sicher”: Das Pilotprojekt für mehr Sicherheit
Das Pilotprojekt “Gemeinsam Sicher” startete im April in den Bezirken Schärding und Mödling sowie in Eisenstadt und drei Grazer Bezirken. Seit 1. August läuft das Projekt in acht Wiener Gemeindebezirken. Sogenannte Sicherheitsbürger und Community Polizisten werden dabei als Schnittstelle zwischen Polizei und Bevölkerung eingesetzt. Gemeinsam sollen Anliegen der Bevölkerung (z. B. mangelnde Beleuchtung in Parks oder Bahnhöfen, etc.) bearbeitet werden. Ziel ist es, das Projekt nach einer Evaluierung im Herbst weiter auszubauen. Infos unter: www.bmi.gv.at