Dieser Platz ist normalerweise für die Almbauern reserviert, aber heute werfen wir den Blick ausnahmsweise einmal auf eine „Hüttendynastie“, nämlich auf die Familie von Albert Weiskopf (geb. 1947) aus Pians.
Es begann mit Ida Weiskopf, Alberts Mutter. Sie stammte aus einer Gastwirtsfamilie und war eine tüchtige Person. Als Hebamme im Dorf ritt sie oft auf Pferden oder fuhr mit dem Fuhrwerk zu den abgelegenen Höfen, um den Wöchnerinnen beizustehen. Sie liebte ihren Beruf, sie liebte aber auch die Almen und Berge und wäre auch gerne Gastwirtin gewesen. Als sich die Gelegenheit ergab, die Darmstädter Hütte unterhalb der Küchel- und Kuchenspitze bei St. Anton am Arlberg zu pachten, überzeugte sie ihren Mann, dass das doch eine gute wirtschaftliche Grundlage für die Familie wäre, und die beiden sagten zu.
Während der Sommermonate übertrug Ida fortan ihre Aufgaben als Hebamme an eine Kollegin in Flirsch und machte sich als Hüttenwirtin einen Namen. Sie nahm ihre zehn (!) Söhne bereits als kleine Kinder mit auf den Berg. Weil diese das Leben auf den Bergeshöhen liebten, pachtete jeder von ihnen später eine eigene Hütte, unter anderem wurden die Kemater Alm, die Konstanzer Hütte, die Freiburger und Kaltenberger Hütte alle von Weiskopfs bewirtschaftet.
Albert übernahm 1973 von Ida die Darmstädter Hütte, die Ende des 19. Jahrhunderts von Mitgliedern des Deutschen Alpenvereins/Sektion Darmstadt-Starkenburg errichtet wurde und noch immer dieser AV-Sektion gehört. Mittlerweile hat er die Hüttenpacht an seinen Sohn Andreas und dessen Familie übergeben. Albert hilft aber weiterhin fleißig mit und kümmert sich auch um die Nebenerwerbslandwirtschaft in Pians und seine Kuh. „Ja, eine Kuh und eineinhalb Pferde, nämlich einen Haflinger und ein Pony, habe ich noch“, sagt Albert und man merkt ihm ein bisschen die Wehmut an, dass nicht mehr Vieh im Stall bzw. auf der Weide steht. „Aber wegen meiner schmerzhaften Finger musste ich den Bestand reduzieren!“
Eine Kuh ist noch geblieben
„Mein Vater besitzt nur wenig Kühe, aber diese sind ihm heilig“, hatte mir Alberts Sohn Andreas lachend erzählt. „Sobald der Sommer kommt und er die Tiere auf die Alpe bringen kann, beginnt für ihn die glücklichste Zeit des Jahres.“
Jetzt ist es also nur noch eine heilige Kuh, eine Mutterkuh, die auf einer Hochweide im Moostal (einem Seitental des Stanzertales), ihren Almaufenthalt genießt und die für Albert als Einzige noch seinen Bauernstand repräsentiert. Und gleichzeitig auch die Entwicklung, die vielerorts um sich gegriffen hat: In Pians zum Beispiel, wo Albert mit seiner Familie zuhause ist, gab es früher 84 Grasrechte auf den gemeindeeigenen Almen und das reichte oft nicht aus für den Bedarf im Dorf, denn jeder Bauer hielt Milchkühe. Heute gibt es in Pians insgesamt nur mehr zwölf Kühe. Und vielleicht sind es inzwischen ja schon wieder weniger geworden.
Alberts Kühe waren immer besonders schön, er kam damit auf Landes- und Bundessausstellungen auf die vordersten Plätze. „Das ist für einen Bauern ein Erfolg wie für einen Sportler ein Sieg bei einer Weltmeisterschaft oder Olympiade“, sagt er, als er mir stolz seine Tafeln und Auszeichnungen zeigt. Durch die Tiere war auch die Verbundenheit mit dem Almleben gegeben, „denn ich hatte selbst für meine wenigen Kühe keine Futterweiden und zu wenig Eigengrund, genau wie die meisten anderen Bauern in unserem Gebiet auch. Die Alpen sicherten unser Überleben als Bauern. Und meine Frau Elfriede hat aus der Milch zuhause auf unserem Hof Käse und Butter gemacht.“
Polternde Almgespenster
Wie sein Vater war auch Albert einmal Bergmeister auf einer Alpe, und zwar auf der gemeindeeigenen Alpe Kaisers im Lechtal. Er hatte dabei durchaus seine Eigenheiten und „stillen Gesetze“, über die manche Bauern den Kopf schüttelten: „Bei mir durfte keine Kuh an einem Dienstag oder Donnerstag oder Sonntag auf die Alm gebracht werden. Diesbezüglich bin ich abergläubisch. Das hatten mir die Altvorderen unter den Almleuten eingeimpft. Viele lachten darüber, aber ich habe es selber erlebt, dass Kühe verunglückten, wenn man sich nicht an diese Regel hielt. Vielleicht war es Zufall, aber ich glaube eher nicht. Ich hatte mehrere unheimliche Alm-Erlebnisse. Als ich als Bub mit meinem Bruder mit einem Rucksack voller Proviant zu meiner Mutter auf die Darmstädter Hütte geschickt wurde, mussten wir aufgrund eines Lawinenabganges in der Tritschalpe übernachten und dazu die Tür aufbrechen. Zwischen 12 und ein Uhr nachts hat es rund um die Hütte geklappert und einen Höllenkrach gemacht, sodass uns fast das Herz in die Hose rutschte, aber als die Geisterstunde vorbei war, wurde es plötzlich ganz still. Die Almleute sagten mir später, man müsse die Almgeister um Erlaubnis bitten, wenn man in einer Hütte unangemeldet übernachten will. Ich habe mich jedenfalls fortan daran gehalten.“
Am Rückgang der Viehhaltung, insbesondere der Milchkühe, sind aber nicht die Almgespenster schuld. Es liegt wohl eher am Gespenst der Unrentabilität. Albert jedoch glaubt fest an den Fortbestand der Milchviehhaltung, an das Durchhaltevermögen der Kleinbauern, an die weitere Bewirtschaftung der Almen und an die vom Aussterben bedrohten Almgespenster: „Wenn man an nichts glaubt, kann man an nichts festhalten!“
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