Werk Yara
Norwegens Dünger-Multi Yara hat seine Stickstoff-Düngerproduktion massiv heruntergefahren.

Die Kosten für Erdgas gehen durch die Decke. Derzeit ist Gas in Europa acht- bis zehnmal teurer als in den USA. Europäische Düngerhersteller straucheln am globalen, genauso wie am EU-Binnenmarkt. Erdgas macht 90 Prozent ihrer variablen Produktionskosten bei stickstoffhaltigen Düngemitteln aus. Stoppte Deutschlands laut eigenen Angaben größter N-Dünger Hersteller, die „SKW Stickstoffwerke Piesteritz“, vergangene Woche offiziell noch „wegen Wartungsarbeiten“, hat mittlerweile auch der polnische Hersteller „Grupa Azoty“ seine Produktion aus wirtschaftlichen Gründen um knapp die Hälfte gedrosselt.

Auch der norwegische Düngerkonzern „Yara“ hat seine Ammoniakherstellung auf rund ein Drittel der möglichen Kapazität heruntergefahren. Konsequenz: das teilstaatliche Unternehmen erzeugt heuer 8 Mio. Tonnen weniger Harnstoff, 1,9 Mio. Tonnen weniger Nitrate und 300.000 Tonnen weniger NPK-Dünger. Ähnlich sei die Situation dem Vernehmen nach auch in Österreichs einzigem Stickstoffwerk der Borealis in Linz. Dort soll derzeit nur in jenem Ausmaß produziert werden, wie Verpflichtungen mit nachgelagerten Unternehmen bestehen.

Düngerindustrie bangt um Ernährungssouveränität
In einem offenen Brief der „Fertilizers Europe“, dem europäischen Branchenverband der Düngerindustrie, haben die Hersteller nun die politischen Entscheidungsträger auf EUEbene um schnelle Lösung der Krise gebeten. Jacob Hansen, Generaldirektor der Fertilizers Europe, zeigt sich besorgt: „Es sind bereits über 70 Prozent der europäischen Produktion runtergefahren oder stillgelegt. Wenn sich die Situation fortsetzt, befürchten wir, dass es auch noch die verbleibenden Produzenten treffen wird.“ Man dürfe durch die Abkehr von russischer Energie nicht Industrie und Arbeitsplätze in das außereuropäische Ausland verlagern, gibt Hansen in dem Brief weiters zu bedenken und fordert die Politik zu Maßnahmen zur Krisenbewältigung auf, „um langfristige Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit der EU zu minimieren.“

Standort- oder doch Produktionsgarantie?
In Österreich hatte der Bauernbund im Zuge des geplanten Verkaufs der Mineraldüngersparte der Borealis- Group an den tschechischen Agrofert- Konzern bereits vor Wochen eindringlich vor einem derartigen Kontrollverlust gewarnt. Land auf, Land ab sehen sich die Bauernvertreter nun in ihren Prognosen bestätigt. „Diese Entwicklung nimmt bedrohliche Ausmaße für die Eigenversorgung mit Lebensmitteln an. Ohne Nährstoffe ist die Produktion und die Qualität, wie etwa beim Brotgetreide, in dem bisherigen Ausmaß nicht aufrecht zu erhalten“, gibt Oberösterreichs Bauernbund-Landesobfrau und Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger zu bedenken.

Die von der Agrofert kommunizierte Standortgarantie sei in Anbetracht der Entwicklungen am europäischen Energiemarkt wohl gegenstandslos, stellen auch Niederösterreichs Bauernbundobmann und Landeshauptmann- Stv. Stephan Pernkopf und Direktor Paul Nemecek schmerzlich fest: „Nun schließt also ein Werk nach dem anderen. Anscheinend zählen dabei weder Standortgarantien noch Versprechungen. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass Borealis nicht verkauft wird“. Pernkopf: „Tauschen die Verantwortungsträger bewusst die Krisensicherheit für eine Profitmaximierung ein?“

Pikantes Detail: auch die bereits eingangs erwähnten SKW Stickstoffwerke Piesteritz gehören zum tschechischen Agrofert-Konzern. „Man braucht eine Produktionsgarantie“, meint Langer-Weninger zur Debatte.

Auch Politik gefordert
Oberösterreichs Bauernbunddirektor Wolfgang Wallner sieht indes auch Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) in der Pflicht: „Mit Blick auf den Herbst muss es nun endlich verbindliche Zusagen von der Ministerin geben, dass im Ernstfall die Land- und Lebensmittelwirtschaft sowie die mineralische Düngemittelproduktion als systemrelevant eingestuft werden.“ Denn ohne Dünger werden die Lebensmittelversorgung knapper und die Preise höher, so die vier Bauernvertreter unisono.

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AUTORClemens Wieltsch
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