BauernZeitung: Wo erreiche ich Sie gerade?
Strasser: Daheim am Hof in Nöchling, wo die Frühjahrsarbeit voll im Gange ist. Mist ausbringen und Wiesen hobeln. Ich bin aber per Telefon, Mail und über alle anderen Internet-Kanäle stets erreichbar.
Wie sieht derzeit Ihr Tagesablauf aus?
Um halb sechs Uhr früh gehe ich gemeinsam mit meiner Familie in den Stall, bevor um sieben Uhr der politische Alltag beginnt mit Zeitung lesen, Mails checken und vielen Telefonaten. Wenn es der politische Tagesablauf hergibt, unterstütze ich zwischendurch meine Familie bei der Arbeit am und rund um den Hof. Unser Leben findet momentan mitten im Grünen statt. Das ist schön.
Die Umstellung auf das Hof-Office hat klaglos funktioniert?
Ja, es hat alles geklappt: Früher habe ich am Institut für Nachhaltigkeit in Yspertal gearbeitet. Seit dieser Zeit bin ich es gewohnt, mittels Videokonferenzen zu arbeiten. Inte-
ressant ist, dass die Technologie, die seit 15 Jahren anwendungsfertig ist, erst jetzt voll auflebt. Da stellt sich schon die Frage, warum haben wir das nicht längst genutzt haben…
Wo sehen Sie derzeit die größten Probleme für die Landwirtschaft?
Wir Bauern müssen jetzt ein stabiler Partner für unsere Gesellschaft sein. Die Corona-Krise verändert gerade das Konsumverhalten in ganz Europa. Daher müssen wir die Entwicklungen auf den Lebensmittelmärkten sehr genau beobachten und rasch darauf reagieren. Das wird uns alle, Bauern, Verarbeiter und Händler, sehr fordern. Ist die Krise vorüber, werden wir die Lehren daraus ziehen und über Verletzlichkeit und Abhängigkeit unserer agrarischen Systeme reden müssen, also über Autarkie in der Lebensmittelproduktion und Billigimporte.
Mit welchen Herausforderungen, abseits der Agrarpolitik, sind Sie derzeit auf Ihrem Hof konfrontiert?
Mit dem Borkenkäfer. Der Wald war immer ein stabiler Einkommensfaktor, jetzt macht uns der Schädling zu schaffen. Wir haben Tannen gesetzt und fördern die Naturverjüngung. Im Stall mästen wir Qualitätskalbinnen. Ich bin nun wie viele sehr besorgt, dass sich die Krise generell negativ auf den Fleischabsatz auswirkt und bin deshalb mit vielen Verbänden laufend in Kontakt, wo und wie wir gegensteuern können.
Von welchen Einschränkungen sind Sie besonders betroffen?
Wie viele, halte ich mich an die Ausgangssperren. Das tue ich aufgrund der Nähe zu meiner Familie sehr gerne. Und wir setzen sorgsam die strengeren Hygienevorschriften der Molkereien. Das empfinde ich aber nicht als Einschränkung.
Können Sie zwischendurch auch mal abschalten?
Ja, beim Spazierengehen mit meiner Frau. Und am Abend schaue ich gerne Musikvideos. Da vergesse ich zumindest kurz all den Trubel rundherum.
Was hat Sie in den vergangenen Tagen gestört?
Um ehrlich zu sein: Viele wollen derzeit doppelt und dreifach bedankt werden. Und es gibt derzeit zehntausende Menschen in diesem Land, die das auch absolut verdienen, weil sie Immenses für uns alle leisten. Tagtäglich wird uns nun vor Augen geführt, was bisher vielleicht eher weniger beachtete Berufsgruppen Immenses leisten. Klar gehören da auch wir Bauern dazu. Es kommt ja auch nicht von ungefähr, dass die Landwirtschaft von der Bundesregierung mit einer systemrelevanten Schlüsselrolle eingestuft wurde. Um jetzt nicht missverstanden zu werden – unsere Gesellschaft darf sich jetzt nicht auseinanderdividieren lassen. Nur mit Umsichtigkeit und Zusammenhalt über alle Berufsgruppen hinweg werden wir diese Krise zusammen meistern können.
Was stimmt Sie trotz aller Unberechenbarkeiten, die womöglich noch auf uns zukommen, optimistisch?
Eben dieser in vielen Bereichen ohnehin schon ersichtliche Zusammenhalt über Berufsgruppen hinweg. Ich spüre geballte Solidarität und glaube, dass sich dieses Miteinander noch viel weiter verstärkten wird.
Worüber haben Sie zuletzt auch geschmunzelt?
Über die vielen Quarantänevideos, die im Internet kursieren. Humor ist auch in Zeiten wie diesen wichtig.
Interview: Bernhard Weber