Oft in der sogenannten “Teller-Trog-Tank-Debatte” verpönt, kann die Produktion von Biokraftstoffen nun in der Corona-Krise einen wichtigen Beitrag leisten, die Lücke in der Versorgungssicherheit mit Desinfektionsmitteln aus inländischen Rohstoffen und ebensolcher Verarbeitung zu schließen. Nachdem Hersteller von Bioethanol, ein aus Getreide, Mais oder Zuckerrüben hergestellter Treibstoffalkohol, wie die heimische Agrana schon auf die Herstellung von Reinalkohol, dem wichtigsten Bestandteil von Desinfektionsmitteln, umgestellt haben, können Biodieselproduzenten nun auch mithelfen, den Mangel eines weiteren Bestandteils, nämlich Glycerin, zu beheben.
Viele Desinfektionsmittel bestehen aus Alkohol und in geringeren Mengen aus Glycerin, ein Fettbestandteil, der als Netzmittel wirkt, sowie aus weiteren Wirkstoffen wie Wasserstoffperoxid. Von zahlreichen Herstellern in der Pharmaindustrie, etwa dem Verband der chemischen Industrie in Deutschland, hieß es dieser Tage, dass neben dem Alkohol Ethanol aus Glycerin knapp sei. Der Bedarf sei bis zu 30% unterdeckt. Glycerin ist ein Nebenprodukt der Biodieselerzeugung, es setzt sich nach der Umesterung der Pflanzenöle ab und kann ebenfalls für industrielle Zwecke aufgearbeitet und genutzt werden.
Wie in der Ethanolproduktion gilt auch für die Biodieselbranche, dass sie eine Win-win-Situation herbeiführen kann. Wie Biosprithersteller – mittlerweile auf der ganzen Welt – mit der Alkoholproduktion für medizinische Zwecke gleichzeitig einen wichtigen Beitrag in der Bekämpfung der Corona-Epidemie leisten und auf den Rückgang der Treibstoffnachfrage reagieren können, sollte dies auch für den Biodieselsektor möglich sein. So verfiel jüngst als Folge des Preiseinbruchs von Rohöl gerade auch die Notierung von Raps, in unseren Breiten der wichtigste Rohstoff von Biodiesel, massiv. Damit erscheint die “böse” industrielle Verwertung von Agrarrohstoffen unter anderem zu Energieträgern in der Krise plötzlich in einem völlig neuen Licht.
AIZ