Was sind derzeit die wichtigsten Kulturen im Gemüsebau?
Martin Flicker: Im geschützten Anbau bei Fruchtgemüse steht die Gurke bereits in voller Ernte, wir haben hier seit Mitte März bereits Hochsaison. Bei Paprika und Paradeisern, den beiden anderen großen Fruchtgemüsekulturen, steht die Erntesaison am Beginn.
Hochsaison bedeutet großen Bedarf an Arbeitskräften. Wie ist hier die Situation?
Da die Gurkenernte bereits vor den Corona-Maßnahmen eingesetzt hat, haben wir unsere Saisonkräfte größtenteils auf den Betrieben. Wir versuchen, die Arbeiter nach Möglichkeit zum Hierbleiben zu motivieren. Bei den anderen Kulturen, bei denen die Ernte erst am Beginn steht, ist die Situation schwieriger. Hier ist die Unsicherheit groß, ob es ausreichend und vor allem geeignete Arbeitskräfte zur Ernte gibt. Derzeit schauen die Betriebe von Tag zu Tag, wie sie mit der Situation zurechtkommen.
Große Unsicherheit bis hin zu Verzweiflung besteht bei den Spargelbauern. Dort wird die Ernte mit steigenden Temperaturen voll einsetzen und einen entsprechenden Arbeitsbedarf mit sich bringen. Die bisher bewährten und bereits fachkundigen Arbeitskräfte, meist aus der Slowakei oder aus Rumänien, sind jedoch nicht verfügbar.
Sind die via Internet platzierten Arbeitskräftebörsen eine Hilfe?
Hier war das Echo nach den ersten Tagen bereits sehr groß. Wenn die Nachrichten stimmen, dann haben sich binnen kurzer Zeit etwa 7.000 Hilfsbereite gemeldet. Das ist sogar mehr als der Bedarf. Ich sehe das sehr positiv und als Chance für unsere Betriebe. Es gibt zwar gewisse Bedenken, wie man die Einschulung bewältigen kann, ich vertraue da aber ganz einfach auf die Notwendigkeit und die positive Welle der Hilfsbereitschaft.
Ist Gemüse sicher? Welche Hygienevorkehrungen treffen Sie auf den Betrieben?
Gemüse ist sicher. Das ist Priorität. Wir haben im Gemüsebau besondere Maßnahmen getroffen und unsere Arbeitskräfte auch entsprechend unterwiesen. Dazu haben wir eigens Dolmetscher organisiert, um Kommunikationsprobleme auszuschalten. Hier geht es vor allem darum, das Verständnis für die reduzierten Sozialkontakte zu erreichen. Konkret auf meinem Betrieb haben wir die Arbeit bei der Gurkenernte in kleinen immer gleich zusammengesetzten Trupps mit versetzten Arbeitszeiten organisiert. Damit ist der Sicherheitsabstand gewährleistet und es halten sich auch im Pausenraum nie mehr Personen auf als zulässig. Wir haben weiters auch einen zweiten Pausenraum eingerichtet. Zur Erntearbeit und zum Abpacken haben wir unsere Beschäftigten mit Mundschutz ausgerüstet, der verpflichtend zu tragen ist.
Ändern die Corona-Maßnahmen etwas an der Saisonplanung der Fruchtgemüsegärtner?
Unsere Kulturen sind großteils Ganzjahreskulturen. Das heißt, die Kulturen, die gepflanzt sind, muss man auch bis zum Saisonende entsprechend führen. Wichtig für uns ist das Arbeitskräftethema und die Situation am Markt.
Wie ist die Absatzsituation?
Wir stehen derzeit am Beginn der Saison. Da ist die Absatzlage generell einfacher. Was die Corona-Maßnahmen betrifft, so ist nach den starken Vorratskäufen zu Beginn nun eher wieder der übliche saisonale Verlauf eingetreten. Am Herzen liegt mir die Botschaft, dass die derzeitige Situation zeigt, wie wichtig die produzierenden Betriebe im Inland sind.
Keine Handelskette und kein Politiker könnte „Versorgungssicherheit“ gewährleisten, wenn es keine Gartenbau- oder Landwirtschaftsbetriebe gäbe. Das sollte allen zu denken geben und auch konkrete Maßnahmen in der österreichischen Agrarpolitik zur Folge haben.
Wie der Vermarkter LGV Sonnengemüse die Versorgung sichert, lesen Sie hier.
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- Überschrift: Wiener Bauernbund
- 2013 Web Gurkenernte: Wiener Bauernbund