COVID-19: Gespräch mit Bauernbund-Präsident Georg Strasser und LH-Stv. Stephan Pernkopf.
Wie ist die Lage auf den Intensivstationen?
Pernkopf: Die Lage ist besser als Experten vorausgesagt haben. Aufgrund der Krisendauer zwar angespannt, dennoch sind es Gott sei Dank viel weniger Intensivpatienten, da wir eine gute Impfrate haben. Ich bin deshalb dafür, dass wir die Lage neu beurteilen, so wie es die Experten derzeit auch machen. Aus meiner Sicht brauchen wir relativ rasch Lockerungen.
Öffnungsschritte jetzt?
Strasser: Lockerungen sind jetzt wichtig und richtig. Die niedrige Auslastung in den Intensivstationen erlaubt weitere Öffnungen, und die sind auch notwendig, um die Spannungen der vergangenen Monate zu entkrampfen. Der Blick auf das Infektionsgeschehen war notwendig, jetzt braucht es aber einen breiteren Blick auf die Bevölkerung und auf die Probleme, die wir als Gesellschaft haben. Wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, Schritte in Richtung Normalität zu gehen.
Ist eine Impfpflicht zum jetzigen Zeitpunkt noch verhältnismäßig?
Pernkopf: Als die Impfpflicht beschlossen wurde, waren unsere Intensivstationen überfüllt. Das ist derzeit nicht mehr der Fall. Die Omikronwelle wird abflauen und die nächste Welle kommt voraussichtlich erst im Herbst. Genau dann müssen wir besser geschützt sein. Experten wie auch die Regierung denken das mit Hausverstand durch, das Gesetz sieht ja auch Adaptierungen vor. Ich glaube, wir müssen jetzt einen Doppelstrich ziehen. Erstens Gräben zuschütten, die Leute zusammenbringen und nicht an den Pranger stellen. Und es wird Zeit, sich wieder die Hände zu reichen, innerlich wie äußerlich. Ostern soll ein Neustart werden, wo es wieder Familienfeiern gibt.
Strasser: In den vergangenen Wochen habe ich unzählige Telefonate mit den Menschen aus meiner Region geführt, egal ob mit Befürwortern oder Gegnern. Dabei konnte ich aufklären: Das Impfpflichtgesetz bietet einen flexiblen Rahmen, um bei Bedarf rasch und situationsangepasst agieren zu können. Wissenschaftlicher, Mediziner und Juristen werden die Impfpflicht ständig hinterfragen, das steht auch so in dem mit großer Mehrheit beschlossenen Gesetz. Es wird sich zeigen, welche Teile des Gesetzes im wahrsten Sinne des Wortes „notwendig“ sind und welche hoffentlich nicht.
Corona spaltet Gesellschaft wie Parteien. Wie können die wieder Brücken geschlagen werden?
Pernkopf: Der gesellschaftliche Brückenbau ist viel wichtiger als der politische. Wir sind ein Land, ein Bauernbund, ein Verein, eine Feuerwehr und überall hat das Virus auseinanderdividiert. Wir müssen wieder mehr miteinander reden, das ist schöner als sich online über alles auszulassen.
Strasser: Der Kampf gegen Corona stellt uns alle seit mehr als zwei Jahren vor eine gewaltige Aufgabe. Die Maßnahmen sind einschneidend und wurden mit all ihren Vor- und Nachteilen umfassend in der Bevölkerung diskutiert. Das ist auch wichtig in einer Demokratie. Damit einhergehend haben sich aber auch Emotionen aufgestaut, die einem Zusammenleben und einem Miteinander nicht guttun. Entscheidend ist deshalb nun, dass wir das Verbindende vor das Trennende stellen und die Gräben zuschütten. Wichtig ist aber auch, dass die Menschen endlich wieder zusammenkommen. Gerade bei uns am Land muss das Vereinsleben wieder möglich werden.
Die Landwirtschaft ist größtenteils besser durch die Krise gekommen als andere Sektoren. Was lernt man als Agrarpolitiker daraus?
Strasser: Wir kämpfen gerade mit einem sehr hohen Kostendruck, das hängt stark von den internationalen Märkten ab. Deshalb brauchen wir dringend höhere Preise. Profitiert haben wir während der Krise vom gestiegenen Bewusstsein für Regionalität – in der Direktvermarktung, im Handel und in der Gastronomie. Auch die Qualitätsprogramme unserer Genossenschaften und Verbände waren stabiler. In Krisenzeiten haben sich die Preise bei Qualitätslebensmitteln schneller erholt, als bei anderen Vermarktungsschienen.
Pernkopf: Der ländliche Raum wie auch die Bäuerinnen und Bauern sind langfristige Gewinner der Krise. Die Realwirtschaft, also das Handfeste, hat bis auf wenige Ausnahmen eigentlich gewonnen – ob Land- oder Bauwirtschaft. Die Arbeitswelt wird sich ändern, denn viele gehen zurück aufs Land, um dort zu arbeiten. Das Sprichwort ‚Viel Land, wenig Arbeit‘ hat sich umgedreht.
- Bildquellen -
- Pernkopf und Strasser: Neuhauser