Bauernbunddirektor Bundesratspräsident Peter Raggl verwies zu Beginn der Kundgebung am Landhausplatz darauf: „Die Bäuerinnen und Bauern gehen nicht oft auf die Straße, aber heute ist es notwendig!“ Zuletzt war das in Innsbruck im Jahr 1986 der Fall – damals ging es allerdings um den Milchpreis. „Mit dieser Kundgebung wollen wir der städtischen und nichtbäuerlichen Bevölkerung klarmachen, dass das Thema Wolf nicht nur die Bauern, sondern die gesamte Bevölkerung angeht“, so Raggl.
Almen für die Zukunft erhalten und Bewusstsein schaffen
„Wir wollen die Almen und die gepflegte Kulturlandschaft nicht aufgrund der Gefährdung durch den Wolf aufgeben, sondern für die Zukunft erhalten“, unterstrich Bauernbundobmann Josef Geisler. Tirol werde nun als erstes Bundesland schärfere Maßnahmen setzen und in einem ersten Schritt in der nächsten Landtagssitzung das Tiroler Almwirtschaftsgesetz und das Jagdgesetz ändern. Damit soll eine leichtere und raschere Entnahme von Problemwölfen möglich werden. „Das ist kein Kulturkampf ‚Stadt gegen Land‘, vielmehr ist die Almwirtschaft für das ganze Land wichtig und im öffentlichen Interesse“, so Geisler. „Das wollen wir allen Menschen, die von der Landwirtschaft weiter entfernt sind, klarmachen. Ein friedliches Nebeneinander von Wolf und Schaf ist nicht möglich, die passen nicht zusammen!“
„Wir Bäuerinnen und Bauern hätten heute was anderes zu tun als in Innsbruck zu demonstrieren“, erklärte Landesbäuerin Helga Brunschmid. „Es steht viel auf dem Spiel – dass nämlich die bäuerlichen Familien die Freude an der Arbeit verlieren und ihre Höfe aufgeben. Das würde Tirol massiv verändern.“
Unterstützung vonseiten der angrenzenden Länder
Klare Unterstützung kam auch von Österreichs Almwirtschaftsobmann, dem früheren Vorarlberger Landesrat Erich Schwärzler: „Es braucht jetzt ein starkes Miteinander, denn heute ist der Wolf eine Frage der Almwirtschaft, morgen aber auch eine Frage all jener, die auf den Almen Ruhe und Erholung suchen!“
Daniel Gasser, Obmann-Stellvertreter des Südtiroler Bauernbundes, beschwor die Solidariät aller Tiroler Bauern: „Wir müssen alpenübergreifende Lösungen suchen und ein Zeichen, auch gegenüber der Stadtbevölkerung, setzen.“
„Beim Thema Wolf muss die Bevölkerung aus Stadt und Land zusammenarbeiten“, gab sich auch Ralf Huber, Präsident des Oberbayerischen Bauernverbandes, überzeugt.
Die stellvetretende bayerische Landsbäuerin Christine Singer ergänzte: „Die Wolfsrisse werden auch bei uns immer mehr – da müssen wir über die Grenzen zusammenhalten und nicht lugg lassen!“
Für BR Silvester Gfrerer, Obmann des Salzburger Alm- und Bergbauernvereins, sei es eine Verpflichtung gewesen, bei der Kundgebung mit einer starken Abordnung dabeizusein. Er selber hat durch den Wolf vier Kälber verloren. „Wir produzieren Lebensraum und Lebensmittel so günstig, wie das sonst niemand kann. Das steht auf dem Spiel!”
Situation ist unzumutbar, Herdenschutz nicht umsetzbar
Mit kämpferischen Worten vertrat Michael Bacher, Obmann des Tiroler Schafzuchtverbandes, seine Bäuerinnen und Bauern: „Die derzeitige Situation ist unzumutbar. Wie soll eine artgerechte Haltung möglich sein, wenn alles eingezäunt ist? Eine Koexistenz von Nutztieren und Wolf ist nicht möglich, vielmehr geht die Entwicklung zu einer sanften Enteignung von Grund und Boden.“ Herdenschutz sei nicht nur vielfach nicht machbar und finanzierbar, sondern habe sich als untauglich erwiesen. Die angekündigten Maßnahmen, die der Landtag beschließen soll, sind aus der Sicht Bachers zuwenig: „Die Fußabdrücke der Grünen sind uns da viel zu stark. Wir brauchen noch bessere Lösungen, das sind wir auch unserer Jugend schuldig!“
Dass Herdenschutzprojekte nicht funktionieren, musste auch Elmar Monz, Bezirksobmann des extremen Bergbauernbezirkes Landeck, bestätigen: „Wenn hier nicht rasch etwas geschieht, wird Tirol als Tourismusland Nummer ein Ende haben!“ Es brauche auf Landesebene die Möglichkeit, den Wolf schnell und unbürokratisch zu entnehmen, „sonst sperren viele unserer Klein- und Kleinstbetriebe zu!“
Tourismus und Jägerschaft muss sich stärker positionieren
Für Landwirtschaftskammerpräsident NR Josef Hechenberger ist das Thema Wolf beängstigend geworden: „Ich habe heuer mein eigenes Vieh nur mit einem schlechten Gefühl auf die Alm gebracht.“ Wie aktuelle Beispiele zeigten, mache der Wolf auch vor Rindern nicht Halt. Er wünsche sich noch mehr Unterstützung vonseiten des Tourismus und der Jägerschaft und betonte abschließend: „Der Wolf ist bei uns vor gut hundert Jahren ausgerottet worden – und er hat in Tirol auch heute keinen Platz!“
Mahnmarsch beeindruckte Innsbrucker Stadtbevölkerung
Anschließend formierte sich der schier endlose Zug als Mahnmarsch durch die Innsbrucker Innenstadt – mit unzähligen Transparenten und begleitet vom lautstarken Läuten hunderter Kuhglocken – diszipliniert und ohne Zwischenfälle.
Almabtrieb als trauriges Zeugnis der Wolfsproblematik
Trauriges Detail am Rande der Veranstaltung: Nach der Demonstartion fand noch am vergangenen Samstag ein Almabtrieb der Westendorfer und Hopfgartner Schafbauern mit rund 160 Schafen von der Oberkaralm statt, weil es dort am vergangenen Wochenende wieder gerissene Schafe gab (mehr dazu im untenstehenden Beitrag).
Zudem vermeldete das Land Tirol am Montag 14 gerissene, sieben verletzte und zahlreiche vermisste Schafe in den Osttiroler Gemeinden Hopfgarten im Defereggen, Prägraten und Außervillgraten. Bereits vergangene Woche waren in Anras fünf tote Schafe gefunden worden.
Ebenfalls wurde in St. Anton am Arlberg ein totes Schaf gefunden, das von einem großen Beutegreifer gerissen wurde. Ein totes Schaf in Umhausen wurde von einem Bären gerissen.
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- 196: DieFotografen