Ambitioniertes Agrana-Ziel: Völlig klimaneutral bis 2050

Die völlige Dekarbonisierung der eigenen Produktion binnen zwanzig Jahren hat langfristig auch Auswirkungen auf die Lieferanten der Agrana.

Der Frucht-, Stärke- und Zuckerkonzern Agrana will für seine gesamte Produktion mit konkreten Projekten bis 2040 CO2-Neutralität, bis 2050 sogar totale Klimaneutralität erreichen und lässt sich das laut dem scheidenden Konzernboss Johann Marihart rund 400 Millionen Euro kosten. Auch die in der „vorgelagerten Wertschöpfungskette“ entstehenden Emissionen sollen dann „netto bei null“ liegen.
Diese große Herausforderung soll in vier Teilschritten zu jeweils fünf Jahren bewältigt werden“, erläuterte Norbert Harringer, Technik-Vorstand und künftig auch für Rohstoffbeschaffung sowie das Segment Stärke in der Konzernzentrale zuständiger Agrana-Manager, Ende Mai beim letzten Pressegespräch von Johann Marihart als Agrana-Vorstandsvorsitzender vor dessen offiziellem Wechsel in den Ruhestand.
Minus 25 Prozent bis 2025 lautet das Ziel für die erste Dekarbonisierungs-Etappe bis Ende des Geschäftsjahres 2025/26. Erreichen will man dieses Zwischenziel etwa mit Ausstieg aus der Kohle in noch zwei Zuckerfabriken in Tschechien und der Slowakei oder den Umstieg auf Grünstrom in heimischen Agrana-Anlagen. Laufend sollen zudem verschiedenste Anlagen auch in Pischelsdorf, Aschach oder Gmünd teils technisch eher banal aufgerüstet werden, um Rohstoff-, (Ab-)Wärme- und Energiekreisläufe noch effizienter zu nutzen.
Apropos Kreisläufe: Ab Phase 2 will der Konzern vermehrt eigene Rohstoffreste etwa mit geringen Proteinanteilen zu Biogas fermentieren und damit Erdgas ersetzen. Dabei erwartet man bei Agrana schon jetzt, dass sich einige Investments wohl erst nach vielen Jahren rechnen dürften, sollte sich der aktuelle CO2-Zertifikatspreis von 50 Euro je Tonne nicht bald auf 100 Euro verdoppeln, besser auf 150 Euro sogar verdreifachen. Vorerst hätten nur 63 % der vorerst etwa 50 (von insgesamt 450) geplanten Energieeinsparprojekte eine Kapitalrentabilität („Return of Investment“) binnen fünf Jahren; auch bei 100 Euro für handelbare CO2-Zertifikate wären es gerade einmal 2 Prozent mehr, listet der Konzern selbst auf. Mit der geplanten energetischen Nutzung von Rohstoff-Resten, wie etwa Kleie oder Rübenschnitzel als erneuerbare Biogasquelle, holt sich Agrana auch das Konfliktthema Futter versus Energie ins eigene Haus. Auch das sei erst bei einem CO2-Preis ab 110 Euro je Tonne rentabel. So hofft man bei Agrana bis dahin auf „geeignete gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen“, wie die Ausweitung des CO2-Emissionshandels auf alle Konsumgüter mit entsprechend hohem Co2-Preis oder auch auf Erstattungs- oder Abschöpfungssysteme durch die EU.
Aber egal, ob solche wirtschaftspolitischen Entscheidungen auch getroffen werden: Für Agrana sei „jede Investition in die Umsetzung der CO2-Neutralität eine ‚Win-Win’-Situation“, betonte Harringer. Auch seien CO2-Emissionen aus der eigenen Produktion für „Scope 1 und 2“ (direkte Emissionen fossiler Energieträger in den Werken und indirekte Emissionen aus Zukauf von Strom oder Dampf, Anm.) leicht zu erheben und bis 2025 auch ohne große Herausforderungen zu ersetzen.
Wirklich herausfordernd (und teuer) werde es ab Etappe 3 mit der Umsetzung erster Emissionseinsparungen im vor- und nachgelagerten Bereich. Daher startet Agrana noch im Juni mit einem Projekt zur Erfassung solcher „Scoop-3“-Emissionen aus dem Rohstoffanbau, Transport oder auch der Mitarbeiter-
mobilität. Hier sei der Einfluss der Agrana vielfach nicht direkt beeinflussbar, betonten Marihart und Harringer, weshalb man mit Lieferanten, Partnern und Kunden Einsparungspotenziale entwickeln und umsetzen werde.
Lieferanten und Kunden der Agrana sind auch Tausende Bauern, die ihre Rüben, Mais oder Kartoffeln, nicht zu vergessen auch Obst, an den Konzern liefern. Und diese könnten in fünf bis zehn Jahren immer öfter damit konfrontiert werden, den Anbau von Kulturen für Agrana klimaneutral sicherzustellen, vermutlich am ehesten etwa durch expliziten Nachweis von Biodiesel-Input im Tank von Traktoren und Erntemaschinen. Marihart: „Wir werden die Landtechnik auf nachwachsende Kraftstoffe umstellen müssen. Wenn das nicht gelingt, gelingt vieles nicht.“
Übrigens: 2019/20 emittierte Agrana in ihren Werken 929.000 Tonnen CO2: 46 % in ihren Stärkefabriken, 38 % in den Zuckerraffinerien.

Bernhard Weber

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AUTORRed. SN
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