Bereits in den frühen Morgenstunden an diesem 19. März vor genau 50 Jahren waren Tausende bäuerliche Demonstranten einem Aufruf des NÖ. Bauernbundes gefolgt und stauten in Kolonnen aus dem Marchfeld kommend ebenso wie über die Triester Straße oder über die Bundesstraße 1 durch das Wiental in Richtung Wiener Innenstadt. Die ersten Traktoren stoppten bereits um 7 Uhr früh vor dem Bundeskanzleramt. Auch Delegationen aus anderen Bundesländern rollten in Autos und insgesamt 100 Bussen an. Was genau aber hatte die Bauern auf die Straßen getrieben?
Seit knapp einem Jahr regierte damals Bundeskanzler Bruno Kreisky mit einer von der FPÖ geduldeten SPÖ-Minderheitsregierung. Viele Landwirte plagten damals Existenzsorgen, angesichts geringer Einkommen und ständig steigender Kosten für Betriebsmittel. Die letzte
Erhöhung des amtlich geregelten Milchpreises lag sechs Jahre zurück. Hatten die Bauern 1965 für eine Mechanikerstunde den Gegenwert von 28 Litern Milch zu berappen, waren es 1971 bereits 43 Liter. Dazu kam der per 1. Jänner des Jahres mit Abstand höchste Diesel-
Preis in ganz Europa.
SPÖ-Kanzler negierte die Forderungen der Bauern
Kreisky, sein junger Finanzminister Hannes Androsch und Landwirtschaftsminister
Oskar Weihs hatten die Bauern monatelang mit Zusagen auf einen Ausgleich hingehalten, um deren schwierige Situation zu verbessern. Das Gegenteil war der Fall. Die Forderungen der Bauernvertreter – etwa nach billigerem Kraftstoff zum Preis von Heizöl oder 35 Groschen mehr Milchgeld – wurden trotz zahlreicher Vorsprachen, Warnungen und
Protestaktionen ab Herbst 1970 nicht ernst genommen und stets mit Hinweis
auf „genauere Prüfung“ abgeschmettert.
Im Februar 1971 aber war die Lage eskaliert. Statt den Bauern entgegenzukommen, hatten Kreisky und sein Team zudem eine neue „Bundesprüfungskommission“ über die Vergabe von Agrarkrediten angekündigt, um mit einer solchen bewusst die Landwirtschaftskammern
auszubremsen. Die FPÖ wiederum ließ im Parlament die Landwirte im Regen stehen, für die der Bauernbund einen Antrag auf günstigeren Agrardiesel eingebracht hatte. „Die Freiheitlichen haben damit unmissverständlich gezeigt, dass sie die Bauern längst um ein Linsengericht verkauft haben“, schrieb die Chefredakteurin des „Bauernbündlers“, Therese Kraus.
Demo gegen bauernfeindliche SPÖ-Politik
Für den Obmann des NÖ. Bauernbundes Andreas Maurer, zugleich Landeshauptmann
von Niederösterreich, war damit das Maß endgültig voll. Am 27. Februar rief er zu einer großen Demo in Wien „gegen die bauernfeindliche Agrarpolitik der SPÖ-Regierung“ auf.
Niederösterreichs Bauernbunddirektor Josef Robl wurde mit der Organisation beauftragt.
Das Motto lautete: „Man hat unsere Sache lang genug geprüft. Wir setzen uns zur Wehr, verschaffen uns Gehör.“
Alsbald wurde deutlich, dass damit keine Spazierfahrt geplant wurde. Im Bauernbundbüro in der Schenkenstraße rechnete man anfangs mit 4.000 Traktoren. Demonstriert werden sollte daher nicht nur vor dem Kanzleramt, sondern auch vor dem Finanzministerium in der
Himmelpfortgasse sowie dem Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium am Stubenring, mit Vorsprache bei den jeweiligen Ministern. Der Präsident des Österreichischen Bauernbundes, Roland Minkowitsch, flankiert von seinem Direktor Sixtus Lanner, erklärte im Vorfeld: „Die wachsende Erregung und Unruhe innerhalb des Bauernstandes könnte zu einer explosiven Entwicklung führen, die sich der Staat nicht leisten sollte.
Die Anzahl der Teilnehmer in die Höhe getrieben hatte aber Kreisky selbst mit der Aussage „Keinen Groschen für die Bauern“ – und mit einer Entgleisung nach einem Ministerrat.
Der Kanzler verglich via Rundfunk den Großdemo-Aufruf des Bauernbundes mit dem Putschversuch der Kommunisten im Herbst 1950 als erneute „Störung des inneren Friedens“. Aus den angekündigten Traktoren machte er „Bauernpanzer“. Und empörte damit am Vorabend der Demo nicht nur die Landwirte, die sich wenige Stunden später
geballt in Wien versammelten, sondern auch eine breite Öffentlichkeit.
Medienschelte für Kreisky, Verständnis für Bauern
Die Medien gingen am und nach dem Josefitag mit Kreisky und der SPÖ hart ins Gericht:
„Die Agrarpolitik, bisher Stiefkind, ist plötzlich brennheiß geworden. Hat es wirklich erst der Proteste des Bauernbundes bedurft, um jedermann begreiflich zu machen, welche
Schwierigkeiten es zu meistern gilt?“ (Die Presse);
„Wenn Kreisky der Ausgleich mit den Bauern nicht gelingt, verlieren er und seine Regierung weiter an Prestige“ (Kleine Zeitung);
„Anstatt ausgleichend und versöhnend zu wirken, fachte Kreisky die Erregung noch weiter
an.“ (Kurier);
„Die Demo mit dem KP-Putschversuch zu vergleichen, war nicht nur unfair, auch unklug.“ (Wiener Kirchenzeitung);
„Es geht um mehr als nur um den Milchpreis und das Dieselöl.“ (Die Furche);
„Mit seiner neuen Rolle als Provokateur der Bauernschaft hat Kreisky den Bogen zweifellos überspannt. Ein Regierungschef sollte dafür sorgen, dass allen Bevölkerungsgruppen Gerechtigkeit zuteil wird.“ (Freiheit).
Die Bauern selbst punkteten bei weiten Teilen der Bevölkerung, dank beispielhafter
Disziplin der Demonstranten, entsprechender Vorkehrungen sowie Flugblättern für und in Gesprächen mit Passanten, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Einen Monat später lenkte die Regierung ein, neben anderen Zugeständnissen wurde auch der Milchpreis um 25 Groschen angehoben.
Mit Kreisky als Bundeskanzler hatten sie trotzdem noch bis 1983 zu ringen, mit weiteren roten Kanzlern und speziell Agrarministern – auf Oskar Weihs folgten später Günter Haiden und Erich Schmidt – bis 1987.
Dem Bauernbund gelang eine machtvolle Demonstration
Was Kreisky trotz vieler Schalmeientöne in Richtung Bauernschaft nicht gelungen ist – mit diesen das bürgerliche Lager zu teilen. „Kreisky machte nie ein Hehl daraus, darin eine Chance zu sehen“, schrieb der damalige Androsch-Sekretär Beppo Mauhart Jahre später,
2006, in seinen Memoiren „Ein Stück des Weges gemeinsam“, in dem er der Josefi-Demo einige Seiten widmete. So hielt der SPÖ-Mann auch 35 Jahre später noch fest: „Der Bauernbund ist die am besten organisierte und funktionierende Teilorganisation der ÖVP. Traditionell besonders stark in Niederösterreich. Den Bauern gelingt tatsächlich eine machtvolle Demonstration.“
Gibt es dazu eine Brücke in die heutige Zeit? „Ja“, sagt Österreichs Bauernbunddirektor Norbert Totschnigg: „Damals wurden die Preise vom Staat festgesetzt, heute meist von
den Handelsketten. Wenn nötig, wehrt sich der Bauernbund – wie zuletzt vor einem Jahr vor Spar – lautstark gegen Preisdrückerei.“
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- Bauernbund Archiv: NÖ Bauernbund Archiv