Sie kamen mit aufrüttelnden Transparenten wie „Nicht vergessen, wir sorgen fürs Essen“, „Unser Fleiß hat seinen Preis“, „Ist der Bauer ruiniert, wird Dein Essen importiert“, aber auch mit fordernden Botschaften wie „Auch mit uns fair-handeln“ bis hin zu „SPAR dir deinen Geiz“.
Österreichs zweitgrößter Supermarktkonzern war erklärtes Ziel der Proteste, weil SPAR aus Sicht vieler Landwirte und des Bauernbundes seine enorme Marktmarkt mit Preisdruck auf Bauern und Lebensmittelverarbeiter, etwa Molkereien, ausspielen würde. Daher hatte der Bauernbund vor fünf Tagen geschlossen für Aschermittwoch zu Demonstrationen vor SPAR-Standorten in Nieder- und Oberösterreich, der Steiermark, Kärnten und Tirol sowie im Burgenland aufgerufen.
Bei Protestmärschen und Demo-Fahren forderten die Bauern faire Einstandspreise für agrarische Erzeugnisse, ein Ende von Preisdumping-Aktionen oder auch eine klare Herkunftsdeklaration von Milch, Fleisch oder Eiern in Eigenmarken-Produkten der Handelsketten.
Es gehe dem Bauernbund mit dieser Aktion nicht darum, dass Lebensmittel teurer werden, sondern, “dass Spar seine Margen an die Bauern und Verarbeiter weitergibt”, betonte Bauernbund-Präsident Georg Strasser etwa gegenüber der Austria Presse Agentur.
Laut Österreichs Bauernbunddirektor Norbert Totschnig protestierten vor der SPAR-Zentrale in St. Pölten 800 Bäuerinnen und Bauern mit 200 Traktoren und vor mehreren Filialen der Kette in Oberösterreich 1.300 Landwirte mit 1.060 Traktoren. In Tirol belagerten 750 Bäuerinnen und Bauern mit 200 Traktoren das SPAR-Verteilzentrum in Wörgl, unterstützt von 150 Protestteilnehmern, die eigens aus Salzburg mit Bussen angereist waren. In Kärnten versammelten sich vor der SPAR-Zentrale in Maria Saal 200 Landwirte, in Leoben demonstrierten 300 steirische Bauernbündler mit 70 Traktoren vor einem INTERSPAR-Markt. Und in Oberwart hatte der Bauernbund Burgenland 50 Landwirte mit 15 Traktoren mobilisiert. Die Demonstrationen endeten zu Mittag.
Erneut Öl ins Feuer gegossen und damit zusätzlich zur Mobilisierung weiterer erboster Landwirte beigetragen hatte SPAR Österreich-Chef Gerhard Dexel in einem Interview mit den „OÖ. Nachrichten“, indem er der Landwirtschaft vorwirft, sie habe „generell ein großes strukturelles Problem, das eigentlich die Politik lösen sollte.“
Dagegen erklärte Bauernbund-Präsident Georg Strasser bei der Bauerndemo in St. Pölten: “Wir Bauernvertreter kämpfen täglich für den Weiterbestand jedes einzelnen Familienbetriebes, während SPAR als einer der erfolgreichsten Handelsriesen im Land dazu auffordert, den Strukturwandel zu beschleunigen. Billige Lebensmittel können aber nur Großbetriebe produzieren, das aber wollen weder die Gesellschaft noch wir.” SPAR zeige damit sein wahres, widersprüchliches Gesicht: “Trotz schöner Werbekampagnen mit den Bäuerinnen und Bauern will der Konzern offenbar etwas ganz anderes”, so Strasser.
Auch habe der SPAR-Konzern in Österreich im Vorjahr zehnmal mehr Rendite gemacht als etwa die heimische Milchwirtschaft. Während die Erzeugerpreise für die rund 150.000 bäuerlichen Betriebe seit Jahren stagnieren oder gar sinken, verzeichnete Spar im vergangenen Jahr 352 Millionen Euro Gewinn. Strassers Forderung lautet daher: „Von diesem guten Konzernergebnis soll auch etwas für die Lebensmittelverarbeiter und die Bäuerinnen und Bauern übrig bleiben.“
Anders als andere große Handelsketten habe SPAR gegenüber der Landwirtschaft bisher „kein Entgegenkommen“ gezeigt. Im Gegenteil: Der Handelsriese benehme sich gegenüber den Bauern „wie ein Feudalherr“, sagte Strasser.
SPAR-Chef Gerhard Drexel dagegen verwehrte sich gegen solche Vorwürfe. Er sieht den Handel generell vom Bauernbund „gebasht“, also zu unrecht kritisiert. Österreichische Lebensmittelhändler würden im Vergleich zu den Preisen am Weltmarkt deutlich mehr für Milch oder Fleisch bezahlen, so der Handelsboss.
Indes will SPAR mit den Bauern weiter im Gespräch bleiben. Und laut SPAR-Sprecherin Nicole Berkmann laufen auch Gespräche mit den Molkereien. “Wir sind sicher, diese zu einem guten Abschluss zu bringen.”
Weitere Reaktionen
Der Präsident der LK-Österreich, Josef Moosbrugger, äußerte Verständnis für die Bauernproteste. Er erklärte in einer Aussendung: “Wir erzeugen auf vergleichsweise kleinen Höfen beste Qualität zu europaweit höchsten Standards. Dafür brauchen unsere Bäuerinnen und Bauern auch einen gerechten Anteil an der Wertschöpfung.”
Bauernbund-Landesobmann in Oberösterreich, Landesrat Max Hiegelsberger, forderte ein Umdenken von Seiten des Handel. Hiegelsberger: „Wir stehen vor den SPAR-Filialen, weil sich gerade SPAR Österreich trotz unserer Bemühungen bei den Verhandlungen im Milchbereich gegen die kleinstrukturierten Familienbetriebe entschieden hat und sich sogar, wie in Tageszeitungen zu lesen war, mehr Dankbarkeit seitens der Bauern erwartet.”
EU-Abgeordnete Simone Schmiedtbauer protestierte in Leoben. Sie betonte: “Durch anhaltende Preisschlachten und Aktionen im Lebensmitteleinzelhandel wird unsere tägliche Arbeit teils quasi mit Füßen getreten. Gleichzeitig werden Lebensmittel aus aller Welt importiert, bei denen die Produktions-, Tierwohl- und Umweltstandards unseren stark hinterherhinken.”
Unter den gut 3.400 Demo-Teilnehmern waren auch sehr viele Jungbauern. Deren Bundesobmann Franz Xaver Broidl, stand vor SPAR in St. Pölten. Er erklärte: „Die Praktiken des Handels zerstören unsere nachhaltige Landwirtschaft und nehmen uns Jungbäuerinnen und Jungbauern als künftige Hofübernehmer eine faire Chance für unsere Zukunft“, so Broidl. “Es ist an der Zeit, dass wir Bauern zu offensiveren Maßnahmen greifen, damit der Handel seine Gewinne auch entsprechend weitergibt und zudem erkenne, dass die heimische Landwirtschaft mit ihren weithin noch familiären Sturkturen etwa im Hinblick auf den Kilmawandel Teil der Lösung ist und nicht das Problem.”
Salzburgs Bauernbund-Obmann Rupert Quehenberger stand gemeinsam mit Landwirten aus Salzburg und Tirol vor der SPAR-Zentrale in Wörgl: „Das Bewusstsein für regionale Lebensmittel steigt. Auf unzähligen Produkten findet man die rot-weiß-rote Fahne und erfährt wenn überhaupt nur bei genauem Hinsehen im Kleingedruckten, dass die Rohstoffe aus dem Ausland stammen. Kunden, die bewusst Produkte aus Österreich kaufen, werden so aber in die Irre geführt. Das muss aufhören“, erläuterte Quehenberger die Forderung nach klarer Deklaration der Herkunft aller Zutaten in Lebensmitteln.
Im Burgenland erklärte Bauernbund-Obmann Nikolaus Berlakovich vor SPAR in Oberwart: „Wir brauchen ein Ende der chronischen Aktionitis bei hochwertigsten Lebensmitteln und ein Umdenken bei der Einkaufs- und Preispolitik der Handelsriesen, auch um unseren Hofübernehmerinnen und Hofübernehmern nicht die Perspektiven zu stehlen. Auch die vielen Passanten, die bei der Protestaktion dabei waren, haben ihr Verständnis für die Situation der Landwirte betont und zeigen sich mit ihren Forderungen solidarisch.“
Kärntens Bauernbund-Obmann Johann Mößler betonte vor dem Zentrallager von SPAR Kärnten und Osttirol in Maria Saal vor 200 Bauern: “Während die Kärntner Bauern angesichts der sinkenden Einkommen den Gürtel immer enger schnallen müssen, sprudeln die Konzerngewinne. Das ist nicht gerecht. So kann es nicht weitergehen.”
Eine interessante Reaktion zu den Bauernprotesten kam auch vom Verein „Land schafft Leben“, der sich der Recherchearbeit für mehr Transparenz rund um die Erzeugung von Agrarprodukten und Lebensmitteln verschrieben hat. Dieser wird laut eigenen Angaben von verschiedenen Produzenten und Verarbeitern als auch vom Lebensmittelhandel finanziell unterstützt. Laut Vereinsobmann Hannes Royer seien die Bauernproteste “ein ernstzunehmendes Warnsignal, das nicht nur den Handel wachrütteln sollte. Es geht dabei nicht um eine reine Preisdebatte, sondern auch darum, was ein partnerschaftliches Miteinander innerhalb eines Systems ausmacht.“ Für eine ökologisch-ökonomisch ausgerichtete Landwirtschaft brauche es auch Konsumenten und Einkaufsverantwortliche, die sich ihrer Machtrolle bewusst sind und sich Gedanken darüber machen, was ihnen heimische Lebensmittel wert sind ebenso wie Lebensraum, soziale Standards, Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz. “Auf dem Spiel steht die ganze heimische Lebensmittelproduktion und damit unsere Versorgungssicherheit.“ Royer appelliert in Richtung Handel, “die permanente Aktionierung von Lebensmitteln einzustellen”. “Der Handel baut seit Jahrzehnten seine Werbestrategie auf dem Slogan ‘Geiz ist geil’ auf. So aber hat die österreichische Lebensmittelproduktion mittel- bis langfristig keine Überlebenschance. Unsere Landwirtschaft wird im beinharten internationalen Preiskampf immer das Nachsehen haben, weil diese höchste Produktionsstandards in den Bereichen Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz einhält.”
2020 02 24 Forderungsliste ÖBB2
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- Traktoren Linz: Bauernbund