Kühe lieben frische Winterluft

Damit das Arbeiten in einem kalten Stall nicht unangenehm wird, werden alle Türen und Fenster geschlossen - und das Tierleid beginnt. Hochleistungskühe benötigen im Winter mindestens vier Luftwechsel pro Stunde.

Kalte Zuluft darf nicht direkt auf wandständige Liegeplätze fallen. Mittels Montage von Luftleitplatten lässt sich die Zuluftführung tiergerecht steuern. ©Pichler
Kalte Zuluft darf nicht direkt auf wandständige Liegeplätze fallen. Mittels Montage von Luftleitplatten lässt sich die Zuluftführung tiergerecht steuern. ©Pichler
Kühe lieben das Winterhalbjahr, denn ihrem Wesen nach sind Rinder Tiere der kalten Klimaregionen. Milchkühe müssen aufgrund des intensiven Stoffwechsels insbesondere bei hohen Milchleistungen viel Körperwärme abgeben; sie leiden daher bei sommerlicher Hitze, genießen aber die Winterkälte. Selbst bei Temperaturen bis zu -30 °C verursacht die Kälte keine Leistungseinbußen, wenn jederzeit genügend hochwertiges Futter erreichbar ist, mit dem der erhöhte Erhaltungsbedarf gedeckt werden kann.
Auch Kälber danken es mit besserer Gesundheit, wenn sie im Freien in Kälberhütten keimarme und frische Luft zur Verfügung haben. Sie reagieren jedoch empfindlicher und müssen bei sehr tiefen Temperaturen die Möglichkeit haben, sich in der Hütte ein Mikroklima zu schaffen (mehr Stroheinstreu, Sack vor der Öffnung usw.) und zusätzlich auch mindestens dreimal pro Tag getränkt werden. Dann können sich die verschiedenen Klimazonen positiv auf die Gesundheit der Kälber auswirken.

Zuluftführung beachten

Schimmelbildung ist ein Warnsignal für mangelnde Frischluftzufuhr. ©Pichler
Schimmelbildung ist ein Warnsignal für mangelnde Frischluftzufuhr. ©Pichler
In Milchviehställen spielt die Temperatur der Bauteile nur eine untergeordnete Rolle. Lediglich die Wärmeleitfähigkeit der Liegefläche (Mistmatratze oder Beton) wirkt sich direkt auf die Liegedauer der Kühe aus. Denn die Euterhaut mit einer Oberflächentemperatur von 35 °C hat nicht die Fähigkeit, die Temperatur wie die normale Haut zu regulieren. Ist die Isolierung der Liegefläche zu gering, verkürzt die Kuh ihre Ruhe- und Liegezeiten, um eine hohe Wärmeableitung am Euter zu verhindern.
Bei wandständigen Liegeflächen ist auf die Zuluftführung zu achten. Die kalte Luft sollte nie direkt an der Traufe in den Liegebereich abfallen können. In diesem Fall ist eine Luftleitplatte (Abbildung 1) zu montieren, welche die Luft mindestens zwei Meter in das Stallinnere leitet. Die Frischluft kann sich anschließend mit der von den Tieren aufsteigenden Wärme mischen und zugluftfrei über den Liegeplätzen verteilen (siehe Aufmacherbild).

Tag-Nacht-Unterschiede

Luftfeuchte über 80 % - kondensiertes Wasser schädigt die Bausubstanz. ©Pichler
Luftfeuchte über 80 % – kondensiertes Wasser schädigt die Bausubstanz. ©Pichler
Häufig treten auch im Temperaturverlauf zwischen Tag und Nacht sehr große Unterschiede auf. In der Praxis wurden beispielsweise Temperaturunterschiede zwischen Futtergang und Liegeplatz von bis zu 15 °C gemessen. Starke Luftturbulenzen im gesamten Tierbereich sind die Folge. Oft breitet sich die Kaltluft unter den Spaltenboden aus und bringt Schadgase aus dem Güllelager in den Tierbereich. Auch in Ställen mit Fensterlüftung ist die Zuluftführung oft verbesserungswürdig. Derartige Temperaturschwankungen in kurzen Zeiträumen sind selbst für ausgewachsene Tiere schwer verträglich. Da in der Nacht die Tierbeobachtung entfällt, lassen sich derartige Situationen kaum feststellen. Speicherfähige Messgeräte (Datenlogger), die kostengünstig im Fachhandel erhältlich sind, helfen bei der Problemsuche.
In Außenklimaställen folgt die Stalltemperatur der Außentemperatur. Da die Gebäudehülle in der Regel nicht isoliert wird, ist dieses System mit gewissen Einschränkungen verbunden. Bei sehr kalter Witterung friert der Kot in den Laufgängen ein, die Tränkebecken müssen vor Frost geschützt werden, und der Arbeitskomfort für den Landwirt sinkt (vor allem auch im Melkstand).
Kältestress kann bei niedrigen Temperaturen nur dann entstehen, wenn feuchte Stallluft die isolierende Wirkung des Haarkleides vermindert. Die Tiere empfinden dadurch bestehende Temperaturen, vor allem in Verbindung mit höheren Luftgeschwindigkeiten, als niedriger.
Die thermoneutrale Zone ist jene Temperatur, bei der die Tiere eine konstante Körpertemperatur halten können. Sie hängt stark von Lebensalter, Leistung, Haarkleid und Witterungseinflüssen (Wind, Feuchtigkeit, Regen, Nebel) ab. Ausgewachsene Rinder haben eine thermoneutrale Zone von -10 bis +20 °C und Kälber von +5 bis +15 °C. Messungen haben gezeigt, dass bei Unterschreiten dieser Neutralzone der Erhaltungsbedarf steigt, und zwar um 15 kJ je kg LG0,75 je Tag und je °C-Unterschreitung (Berger u. Hoffmann, 1996).
Zur Vermeidung von Atemwegserkrankungen, welche primär durch virale und bakterielle Erreger verursacht werden, sind tiefe Stalltemperaturen und geringe relative Luftfeuchte (nicht unter 30 %) vorteilhaft.

Keime und Schadgase

Spinnweben zeigen schlecht wirksame Lüftungsanlagen an. ©Pichler
Spinnweben zeigen schlecht wirksame Lüftungsanlagen an. ©Pichler
Je höher die Lufttemperatur im Stall, umso mehr können Schadgase aus Kot und Urin bzw. aus Gülle und Jauche verdunsten und damit die Luftqualität beeinträchtigen. Regelmäßiges Entmisten, Sauberkeit und eine ausreichende Luftströmung (Gasaustausch) im Stall tragen zur Schadgasminderung bei. Stallluft ist meist feucht und mit Gasen belastet. Zu beachten sind hier beispielsweise:
• Ammoniak (max. 15 ppm; Augen brennen ab 30 ppm; Augen tränen ab 50 ppm),
• CO2 (max. 2000 ppm),
• Schwefelwasserstoff und Methan (max. 5 ppm).
Weitere Schadfaktoren sind Viren und Bakterien sowie Staub. Staub in der Stallluft kann u. a. durch ein schlechtes Einstreumanagement bedingt sein. Frische Luft führt je Kubikmeter (m3) ca. 150 Bakterien und Staubpartikeln mit sich, während ein schlecht belüfteter Stall bis zu 700.000 Bakterien je m³ beinhalten kann. Dies belastet sowohl das Tier als auch den Tierhalter. Eine reduzierte Milchleistung oder Rindergrippe sind deutliche Hinweise auf keimbelastete Luft.
In vielen Ställen sind die Luftwechselraten zu gering, weshalb sich Schadgase und Mikroorganismen vor allem im Winter anhäufen. Gülle, die mittels Güllekeller unter dem Spaltenboden gelagert wird, kann die Stallluft erheblich belasten. Die Gase vermindern die Sauerstoffkapazität der Luft, sie reizen die Atemwege und schädigen die Lungenbläschen. Unter ungünstigen Bedingungen kann die Ammoniakemission in Laufställen gegenüber Anbindeställen um bis zu viermal höher sein. Bei günstigen Verhältnissen gibt es dagegen nur geringe Unterschiede.

Schwitzende Wände

Kalte Luft kann weniger Wasser aufnehmen, ist rascher gesättigt und kondensiert früher. Das bedeutet, dass kalte Luft bei gleicher relativer Luftfeuchte immer trockener ist als warme Luft.
Im Stall beschlagen sich zuerst kalte Oberflächen wie Metallteile und Fensterscheiben. Später beginnen die Wände zu schwitzen und Metallteile zu rosten, Schimmelbildung setzt ein. Bei tiefen Temperaturen bildet sich Eis. Neben der Gesundheitsgefährdung ist eine kostenaufwendige Bausanierung programmiert. Um Schadgase und Staub aus dem Stall abzuführen und den Tieren immer frische und saubere Luft anzubieten, ist ein regelmäßiger Luftwechsel erforderlich. Auch die 1. Tierhaltungsverordnung und das Tierschutzgesetz sehen in geschlossenen Ställen einen “ständigen und ausreichenden Luftwechsel” als Grundbedingung vor.

Vier Luftwechsel/Stunde

Um den Bedürfnissen der Hochleistungskühe Rechnung zu tragen, sind hohe Luftwechselraten notwendig. Es hat sich gezeigt, dass die Kühe mehr Milch produzieren, wenn die Luft kühl und trocken ist. Während des Winters werden mindestens vier Luftwechsel pro Stunde angestrebt. Je nach Witterung können die Öffnungen mit heb- bzw. absenkbaren Planen teilweise oder ganz geschlossen werden. Bei Neubauten lassen sich deshalb optimale Luftverhältnisse durch die Kombination von offenen Seitenwänden, offenem First, hoher Traufe (ideal vier Meter) und verstellbaren Planen realisieren. Luftgeschwindigkeiten über 1 m/s sind immer großflächig zu ermöglichen (z. B. im Offenfrontstall).
Messungen in der Praxis zeigen, dass beim Luftwechsel selbst bei günstigen Witterungsbedingungen häufig Schwachstellen festzustellen sind. Selbst neueste Technik nützt wenig, wenn sie falsch angewendet wird. Es reicht nicht, nur während der Fütterungs- und Melkzeiten oder selbst den ganzen Tag über ein optimales Stallklima zu gewährleisten. Die Tiere benötigen in der Nacht ebenso optimale Bedingungen.

Luftzufuhr

Um Kondenswasserbildung zu vermeiden, darf die Luftgeschwindigkeit im Fressbereich bis 2 m/s betragen; im Liegebereich soll sie dagegen unter 0,2 m/s liegen. Die Belüftung soll warme, feuchte Luft gegen trockene, kühle Luft austauschen. Dadurch bleiben Liegeflächen und Laufgänge trockener, die Gesundheit der Tiere wird gefördert und die Futteraufnahme steigt. Der Luftaustausch muss unabhängig von der Außentemperatur oder den Wetterbedingungen stattfinden. Lassen sich Warnsignale nicht beseitigen, dann sollte das Stallklima mithilfe entsprechend kompetenter Berater analysiert werden.
Merke: Luft sucht immer den Weg des geringsten Widerstandes. Es ist zu verhindern, dass die eindringende Luft bei der nächstgelegenen Öffnung wieder ausströmt und so nur ein kleiner Teil des Stallvolumens mit Frischluft versorgt wird.
Auch ein Luftwechsel gegen die Hauptwindrichtung sollte vermieden werden, um einen höheren technischen Aufwand und höhere Energiekosten zu vermeiden.

Michael Pichler, Bergheim

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