Ohne unsere Aktivität hätten wir in der Region nur noch die halbe Fläche an Kartoffeln für die Stärkeindustrie”, mit dieser realistischen Einschätzung belegt Gerhard Bayer, Obmann der Maschinengemeinschaft “Kartoffelroder Waldviertel Nord” den Stellenwert der überbetrieblichen Kartoffelernte im Bezirk Waidhofen an der Thaya (NÖ). Mit insgesamt vier Selbstfahrvollerntern des Typs Grimme SF 150-60 wird die Gemeinschaft heuer für 71 Mitgliedsbetriebe rund 400 Hektar Kartoffeln roden. Diese Leistung wusste im heurigen Frühjahr auch der Agrana-Konzern als Hauptabnehmer der Kartoffeln zu würdigen. Im Rahmen der Beta-Expo 2016 verlieh Agrana Vorstand Fritz Gattermayer der Rodegemeinschaft den Nachhaltigkeits-Award 2016. Schlagkraft und günstige Rodekosten sowie die Tatsache, dass bei der Einteilung der Rodetage auf die Bedürfnisse vieler kleinerer Betriebe Rücksicht genommen wird, waren die Hauptgründe für die Zuerkennung des Preises. Nicht von ungefähr kam, dass Obmann Bayer zur Verleihung des Agrana-Awards von Maschinenring-Mitarbeiter Kurt Flicker begleitet wurde.
Maschinenring organisiert und rechnet ab
Denn der Maschinenring Waldviertel Nord ist die organisatorische Schaltzentrale der Rodegemeinschaft. Hier laufen bei Administrator Kurt Flicker alle Telefonate zur Rodeeinteilung zusammen und durch seine Hände gehen auch alle Belege und Abrechnungen. Auch von der Unternehmensform her ist die Rodegemeinschaft als Kostenstelle in der Maschinenring Waldviertel Nord – Kommanditgesellschaft organisiert.
Während der Saison wird die Nacht zum Tag
Dass die Waldviertler Bauern bei der Auswahl der Rodemaschine mit einem zweireihigen Selbstfahrer gleich ganz oben in die Maschinenpalette gegriffen haben, hatte laut Obmann Bayer mehrere Gründe. Vor allem überzeugte zunächst die Wendigkeit der Maschine. Denn mit einem Lenkeinschlag der auf ein Doppelrad komprimierten Vorderachse von 68° kann die fast zwölf Meter lange Maschine praktisch im Stand wenden. Bayer: “Bei unseren vielen Kleinflächen erleichtert das die Arbeit erheblich.” Weiters war den Landwirten ein Verleseband wichtig. Die Grimme SF ist eine der wenigen Maschinen dieser Größenordnung, die noch mit einem Verlesetisch ausgestattet ist. Bei den an Steinen reichen Böden im Waldviertel ist das unverzichtbar. Vier bis fünf Personen finden Platz, um das Rodegut zu verlesen. Willkommener Zusatzkomfort – der direkt unter dem Verlesetisch situierte 320 PS-Motor trägt mit seiner Abwärme an kalten Herbsttagen zum Wohlbefinden des Verlesepersonals bei. Und nicht zuletzt war auch die Schlagkraft der SF 150-60 ein Argument für die Anschaffung. In der Typenbezeichnung steht “SF” für Selbstfahrer, die Ziffer “150” für die zweireihige Aufnahme mit 75 cm Reihenabstand und “60” für das Fassungsvermögen des Bunkers von 60 dt. Aktuell schlägt ein Neugerät mit etwa 300.000 Euro zu Buche.
Bei einer Rodeleistung von durchschnittlich gut ein viertel Hektar pro Stunde sind mit einer SF 150-60 pro Saison etwa 120 Hektar zu bewältigen. Bayer: “Unser Einsatzzeitraum reich von Mitte August bis Ende Oktober. Für den November können wir uns witterungsbedingt nur Restflächen aufheben.” In der Hochsaison ab etwa Mitte September wird für die Maschine “die Nacht zum Tag”, denn die Schlagkraft des Selbstfahrers veranlasst dazu, das Potenzial spät reifender Sorten möglichst voll zu nutzen.
Nicht zum Sklaven der Maschine werden
“Wir wollen aber auch nicht zum Sklaven der Maschine” werden, betont Bayer. Deshalb hat die Gemeinschaft bisher immer rechtzeitig den nächsten Erweiterungsschritt gewagt. Nach dem ersten Roder im Jahr 2000 – er läuft dank perfekter Wartung immer noch und hat mittlerweile in 10.000 Betriebsstunden über 2000 Hektar (!) gerodet – wurde bereits im Jahr 2002 die zweite Maschine angeschafft. Damals wurden für 80 Betriebe 275 Hektar gerodet. Nachdem 2008 Gerhard Bayer als Nachfolger Gründungsobmann Ernst Starkl abgelöst hatte, folgte im Jahr 2011 die dritte Maschine; die Rodefläche war zwischenzeitlich auf über 350 Hektar gestiegen. Und für die laufende Saison konnte nach einer Mitgliederbefragung gebraucht wiederum eine SF 150-60 erworben werden. Diese vierte Maschine soll das Ausfallrisiko der bereits in die Jahre gekommenen ersten Maschinen mildern und Rodesicherheit gewährleisten.
Die Endabrechnung für die Mitglieder der Rodegemeinschaft wird im Rahmen der jährlichen Mitgliederversammlung Mitte Dezember erläutert. Mit Rodekosten von durchschnittlich 570 Euro pro Hektar (brutto) hat die Gemeinschaft ihren Gründungsauftrag sehr gut erfüllt. Gerhard Bayer und seine Mitstreiter setzen darauf, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Mit der aktuellen Maschinenausstattung ist die Rodegemeinschaft Waldviertel Nord für eine weitere erfolgreiche Arbeit gerüstet.
MR Waldviertel Nord: Über 70 Gemeinschaftsmaschinen
Der Maschinenring Waldviertel Nord hat seit 2002 seinen Sitz in Waidhofen an der Thaya. Der Ring zählt zu den Vorzeigeunternehmen der heimischen Maschinenringorganisation. Die neun Mitarbeiter dieses Ringes administrieren insgesamt mehr als 70 Maschinengemeinschaften; zudem ist der Ring mit je nach Saison 80 bis 100 Mitarbeitern in den Bereichen MR Service und MR Personalleasing aktiv. Der Jahresumsatz einschließlich der Agrarsparte beläuft sich auf gut vier Millionen Euro. Neben der überbetrieblichen Zusammenarbeit ist im Ring vor allem die Soziale Betriebshilfe für die Mitglieder bedeutsam. Forstarbeiten, Winterdienst und Grünraumpflege sind weitere wichtige Tätigkeitsfelder.