Würdigungen eines großen Bauernbündlers

Er zählt zu den bedeutendsten Symbolfiguren in der Geschichte der Zweiten Republik. Sein frühes Eintreten für die Unabhängigkeit Österreichs während der Nazi-Zeit und seine entschieden anti-nationalsozialistische Haltung hätte er beinahe mit seinem Leben bezahlt. Leopold Figl hat für Österreich gelitten, gekämpft und gearbeitet. Dafür soll der tiefgläubige Bauernbündler nun seliggesprochen werden.

Paul Nemecek, Bischof Alois Schwarz und Stephan Pernkopf im Büro des NÖ. Bauernbundes vor der Büste Figls FOTO: NÖ Bauernbund

Bereits kurz nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurde Figl 1938 ins Konzentrationslager Dachau deportiert und in Folge bis 1943 dort sowie in Flossenbürg interniert. Nach kurzer Freilassung 1943 wurde er wegen seiner illegalen Tätigkeit und seinem Bemühen um die Schaffung politischer Strukturen für die Zeit nach dem NS-Regime neuerlich inhaftiert und kam ins KZ Mauthausen. Das Kriegsende 1945 erlebte er in der Todeszelle des Wiener Landesgerichts.
Nur elf Tage nach seiner Entlassung gründete er gemeinsam mit Leopold Kunschak, Hans Pernter, Lois Weinberger, Felix Hurdes und anderen am 17. April die Österreichische Volkspartei. Zehn Tage später war er Mitbegründer der Zweiten Republik und führte die Regierungsfraktion der ÖVP in der Provisorischen Staatsregierung an. Am 20. Dezember 1945 wurde Figl von Bundespräsident Karl Renner als erster Bundeskanzler der Zweiten Republik angelobt.
In seiner Regierungserklärung vor dem Nationalrat führte er aus: „Es wird heuer leider kein Weihnachten sein, so wie wir es gerne haben möchten. Auf den Christbäumen, so wir welche haben, wird ein schönes Päckchen voll Sorgen hängen. Trotzdem wollen und dürfen wir an diesem Weihnachtsabend, wo zum ersten Mal wieder die Kerzen in einem neuen demokratischen Österreich leuchten, […] versprechen, dass wir […] Stück um Stück und Stein um Stein gemeinsam […] zusammenlegen können für den Neuaufbau unseres geliebten Österreichs. […] Und nun wollen wir an die Arbeit gehen.“
Diese Rede hielt der Bundeskanzlers kurz darauf auch noch im Radio. Sie wurde 20 Jahre später in ähnlichem Wortlaut nachgesprochen, damit für die Nachwelt dokumentiert und berührt heute nach wie vor viele Menschen. Es war ein Versuch, der Bevölkerung in Zeiten der bittersten Not ein wenig Zuversicht zu schenken. Mit seinem Wirken – fast ein Jahrzehnt hat Leopold Figl beharrlich den Staatsvertrag ausverhandelt und im Mai 1955 selbst unterzeichnet – habe der gebürtige Tullnerfelder „Österreich maßgeblich geprägt“, erklärte Bundeskanzler Sebastian Kurz wenige Tage vor Weihnachten, anlässlich Figls Kanzler-Ernennung vor genau 75 Jahren. „Er hat Großes für unser Land geleistet. In den dunkelsten Stunden unserer Geschichte hat ihn nie der Mut verlassen, für seine Überzeugungen zu kämpfen, auch nicht als er ins KZ gebracht und dort mehrfach schwer misshandelt wurde“, sagte Kurz im Beisein von Figls Tochter Anneliese, die er ins Kanzleramt am Wiener Ballhausplatz eingeladen hatte. Anlass dafür war nur nicht nur das besondere Jubiläum, sondern die Umbenennung des Steinsaales der Staatskanzlei in „Leopold-Figl-Saal“. Bekannt ist dieser Raum als Pressefoyer der Bundesregierung, in dem etwa die „Doorsteps“-Kurzinterviews vor den Ministerratssitzungen stattfinden.

Unbändiger Wille, Courage und unerschütterlicher Glaube
„Figl hat durch seinen unbändigen Willen, seine Courage und seinen unerschütterlichen Glauben an Österreich vielen in den schwersten Stunden unserer Geschichte Orientierung und Mut gegeben. Für seinen Einsatz für ein freies, geeintes Österreich sind wir ihm zu tiefstem Dank verpflichtet“, so Kurz.
Gerade diese vom Bundeskanzler besonders betonten Eigenschaften Figls haben den St. Pöltener Diözesanbischof Alois Schwarz dazu veranlasst, kurz vor dem Jahreswechsel im Vatikan die Eröffnung eines Seligsprechungverfahrens für Figl zu erwirken. Eine solche „Beatifikation“ (lat. „beatus” – selig, „facere” – machen) ist ein kirchenrechtliches Verfahren. Nach entsprechender Prüfung erklärt der Papst, dass ein Verstorbener als Seliger bezeichnet werden und als solcher öffentlich durch die Ortskirche verehrt werden darf. Voraussetzung sind entweder das Martyrium oder ein „heroischer Tugendgrad“ sowie der Nachweis eines Wunders, das auf Anrufung der betroffenen Person bewirkt wurde. Mit einer Seligsprechung bekundet die Kirche das Vertrauen, dass dieser Mensch die Vollendung bei Gott bereits erreicht hat und um Fürsprache bei Gott angerufen werden kann.

Tief in Österreichs Erinnerung verankert
Im Bauernbund hält man das selige Andenken an den früheren Direktor, Kanzler, späteren Außenminister und Landeshauptmann von Niederösterreich seit dessen Tod im Mai 1965 hoch. „Sein Wirken prägt die Zweite Republik bis heute. Seine Persönlichkeit ist unvergesslich in der Geschichte und tief in der Erinnerung Österreichs verankert“, betonten NÖ. Bauernbundobmann Stephan Pernkopf und Direktor Paul Nemecek bei einem Gespräch mit Bischof Schwarz im Bauernbundbüro in St. Pölten, in dem auch eine Büste an den wohl berühmtesten Vertreters in der langjährigen Geschichte des Bauernbundes erinnert.
Auch der Direktor des Österreichischen Bauernbundes, Norbert Totschnig, erklärt: „Wir sind stolz, dass dieser Jahrhundertpolitiker seine Laufbahn im Bauernbund begann.“ Dessen Glauben mit ganzer Kraft an das ‚Projekt Österreich‘ habe vielen Österreicherinnen und Österreichern, ungeachtet ihrer politischen Einstellung, „in Zeiten größter Not Hoffnung und Halt gegeben“, ergänzt Präsident Georg Strasser.
Genau dafür soll die Erinnerung an Figl nun in dessen Seligsprechung münden. Ein Kirchenanwalt („promotor justitiae“– Förderer der Gerechtigkeit) muss dazu Tatsachen und Ereignisse finden, die einer solchen entsprechen. Ein solcher Prozess dauert oft Jahrzehnte, manchmal wenige Jahre, mit päpstlicher Ausnahme wie 2005 bei Papst Johannes Paul II. nur drei Monate.

100 Heilige und Selige Österreicher
An die 100 Heilige und Selige waren Österreicher oder lebten und wirkten hierzulande. Der „jüngste“ Heilige mit Österreich-Bezug ist der (Süd-)Tiroler Missionar Joseph Freinademetz, der sich in China um die Heranbildung eines katholischen Klerus bemühte und 2003 heiligesprochen wurde. Der „älteste“ Heilige Österreichs ist der Hl. Florian, ein römischer Beamter, der 304 in Lorch bei Enns als Märtyrer gestorben ist. Zudem sind neben Figl andere Seligsprechungsverfahren für (Alt-)Österreicher im Gange. Die jüngste Seligsprechung in Österreich fand 2012 statt, jene der Gründerin der „Caritas Socialis“, Hildegard von Burjan, am 29. Jänner im Stephansdom. Burjan zog 1919 als christlich-soziale Politikerin in den neuen Nationalrat ein und ist die erste Parlamentarierin weltweit, die seliggesprochen wurde. Einer der berühmtesten österreichischen Seligen des 21. Jahrhunderts ist der Landwirt und Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter. Geboren 1907 in St. Radegund, verurteilten ihn die Nazis wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ zum Tode. Jägerstätter wurde am 9. August 1943 in Brandenburg an der Havel hingerichtet. Am 26. Oktober 2007 wurde er im Linzer Dom seliggesprochen.

Bernhard Weber

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