Seit Beginn der Corona-Krise haben viele EU-Länder Grenzkontrollen und Einreisebeschränkungen verhängt. Auch in Österreich mangelt es an osteuropäischen Arbeitskräften, insbesondere in der Landwirtschaft. So suchen etwa allein Tirols Gemüsebauern rund 800 Erntehelfer. Schon demnächst könnte es bei der Spargel- ernte zu großen Engpässen kommen und in weiterer Folge bei der Ernte von Salat, den ersten frischen Kohlgemüsen, Radieschen oder Jungzwiebeln. Erwartet wird ein regelrechter Run auf die wenigen Arbeitskräfte. „So sie denn da sind“, wie LK-Gemüsebauberater Stefan Hamedinger gegenüber orf.at erklärte. In Österreich sind zahlreiche Initiativen entstanden, allen voran die Plattform dielebensmittelhelfer.at, über die Arbeitskräfte auch für den Lebensmittelbereich gesucht werden.

Der Bedarf ist jedenfalls enorm: Aktuell suchen rund 420 Betriebe auf der Plattform nach rund 3.500 Helfern. 40 % der Betriebe brauchen bereits in den nächsten Tagen helfende Hände. 60 % benötigen erst mittelfristig Unterstützung, da die Pflege und Ernte vieler Kulturen erst in einigen Wochen beginnt. Der Ansturm an Arbeitswilligen sei zwar enorm, heißt es, die Vermittlung gestaltet sich jedoch schwierig, da es stark auf die Qualifikation der Arbeitskräfte ankomme. Deshalb haben Landwirtschaftsministerium, Kammern und der Maschinenring die wichtigsten Anforderungen an die Erntehelfer definiert.

Trotz dieser Initiativen fehlen auf den Betrieben dennoch die meist eingespielten Stammteams aus dem Ausland. Von den Bauern und der Landwirtschaftskammer werden deshalb zusätzliche Maßnahmen gefordert.

Visa werden verlängert

In einem ersten Schritt wurde daher die zulässige Beschäftigungsdauer für jene Saisonarbeitskräfte aus Drittstaaten erweitert, die bereits im Land und bewilligt beschäftigt sind und die nun für besondere Arbeiten benötigt werden. Auch die bis dato geltende Maximalbeschäftigungsdauer für ein und dieselbe Saisonarbeitskraft wurde von neun Monaten auf zwölf Monate ausgedehnt.
Für Saisonarbeitskräfte, deren Beschäftigungsdauer verlängert wird, muss kein neues Visum ausgestellt werden. Die Gültigkeit ihres bestehenden Visums bleibt bis zum Ende der erteilten Beschäftigungsbewilligung aufrecht, wird also automatisch verlängert.

Wegen der eingeschränkten Reisemöglichkeiten ist die Beantragung eines Visums bei der zuständigen Vertretungsbehörde im Ausland faktisch nicht möglich. Für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit als Drittstaaten-Saisonarbeiter ist aber nach geltender Rechtslage ein Visum zu Erwerbszwecken notwendig. Deshalb wird die Arbeitsaufnahme auch für Inhaber eines Visums mit besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zulässig. Dieses Visum kann auch im Inland beantragt werden. Die Erfordernis einer aufrechten Beschäftigungsbewilligung des AMS bleibt bestehen.

Deutschland prescht vor

In Deutschland haben sich indes das Landwirtschafts- und das Innenministerium auf eine begrenzte Einreise von dringend benötigten Ernte-
helfern geeinigt. Trotz der Pandemie dürften nun im April und Mai je 40.000 Saisonarbeiter aus Osteuropa nach Deutschland einreisen, teilte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit. Rund 20.000 Saisonarbeiter waren schon vor dem Einreisestopp nach Deutschland gekommen, berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ in ihrer Online-Ausgabe. Das reiche laut Klöckner aber bei Weitem nicht. Bis Ende Mai benötigen die deutschen Landwirte 100.000 Saisonarbeiter.

Die Einreise der Saisonarbeitskräfte wurde nun mit strengen Auflagen ermöglicht. So dürfen Arbeiter etwa ausschließlich in Gruppen und mit dem Flugzeug ein- und ausreisen. Vorgesehen ist außerdem eine Gesundheitsprüfung. Auch müssen Neuanreisende in den ersten 14 Tagen strikt getrennt von den sonstigen Beschäftigten leben sowie arbeiten und dürfen das Betriebsgelände nicht verlassen, das bedeutet faktisch Quarantäne bei gleichzeitiger Arbeitsmöglichkeit.

Nur wenige Minuten nach Einreiseerlaubnis für rund 40.000 Helfer organisierte der Gruppenflug-Spezialist „Pro Sky“ bereits erste Flüge. Während man noch auf die finale Bestätigung aller involvierten Behörden wartet, können Landwirte ihren Bedarf bei dem Reisevermittler bereits online melden. Hunderte Anfragen von Landwirten seien bereits eingegangen, heißt es seitens Pro Sky, weitere Flüge werden laufend geplant. Landwirte können online Plätze für Gruppen jeder Größe reservieren.

Auf Nachfrage der BauernZeitung, ob auch in Österreich ähnliche Möglichkeiten geschaffen werden sollen, meint LKÖ-Präsident Josef Moosbrugger: „Angesichts von mittlerweile mehr als 560.000 Arbeitslosen vor allem wegen Corona muss es nun unser vorrangiges Ziel sein, möglichst viele Menschen aus dem eigenen Land zu vermitteln, die eine Beschäftigung suchen. Bei Betrieben mit Spezialkulturen habe ich aber Verständnis, dass erfahrene Schlüsselarbeitskräfte unverzichtbar sind.“ Moosbrugger will sich jedenfalls dafür einsetzen, dass jene Betriebe, die heimische Arbeitskräfte einsetzen, einen Bonus erhalten. 

Michael Stockinger, Eva Zitz

Update: www.dielebensmittelhelfer.at

Vor drei Wochen wurde die Plattform dielebensmittelhelfer.at zur Arbeitskräftevermittlung ins Leben gerufen. Hier ein kurzes Update, zur aktuellen Entwicklung: Der Ansturm an freiwilligen Helfern ist bislang enorm.
Rund 1.000 Arbeitskräfte befinden sich bereits in der Vermittlung. Dabei kommt es aber stark auf
die Qualifikationen der Arbeitskräfte an. Der Fokus wird deshalb auf
folgende fünf Kriterien gelegt:
1.) Zeit: Die Betriebe benötigen überwiegend Vollzeit- oder Teilzeit-
arbeitskräfte. 40 % der Arbeitskräfte haben angegeben, dass sie
mehr als 30 Stunden in der Woche arbeiten wollen)
2.) Qualifikation: Gesucht werden vor allem Personen mit (Grund-)
Kenntnissen in der Landwirtschaft oder Lebensmittelverarbeitung.
20 % haben angegeben, dass sie solches (praktisches) Wissen haben
3.) Belastbarkeit: Arbeit auf einem Agrarbetrieb ist harte Arbeit.
4.) Örtliche Nähe: Personen sollten in der Nähe des Einsatzortes wohnen.
Der höchste Bedarf an Arbeitskräften besteht zurzeit in Ober- und Nieder-
österreich, Burgenland, Steiermark, Kärnten und Tirol
5.) Verlässlichkeit: Es funktioniert nur, wenn alle Beteiligte unter Einhaltung
aller gesetzlichen Vorgaben zusammenarbeiten.

- Bildquellen -

  • Erntehelfer: Fotos: CGiHeart – stock.adobe.com, Agrarfoto.com; Retusche BZ/Merl
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