Wenn beim Almabtrieb nur mehr die Hälfte der Schafe ins Tal kommt

Immer mehr Almbäuerinnen und Almbauern überlegen, ihr Vieh im nächsten Sommer gar nicht mehr auf die Alm zu bringen zu groß ist die Angst vorm Wolf. Zumindest ist in Oberösterreich jetzt der Abschuss von Wölfen unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt und auch auf EU-Ebene kommt etwas in Bewegung. Höchst an der Zeit, denn bei 20.000 Wölfen in Europa müsse sein Schutzstatus überdacht werden, sagen die bäuerlichen Vertreter.

Wolf beobachtet Schafherde

Am 13. September, war die Frist für die Erlegung des Schadwolfes am Krippenstein am Dachsteinplateau vorbei. Neun tote, zwei verletzte und 16 vermisste Schafe sind diesem Wolf zuzuordnen. Damit war er der erste zum Abschuss freigegebene Wolf, seit die oberösterreichische Wolfsmanagementverordnung das mit 1. Juli erlaubt. Zumindest bis zum Redaktionsschluss am 12. September wurde kein Abschuss gemeldet. Der zweite freigegebene Wolf in Unterweißenbach im Mühlviertel darf noch bis 23. September erlegt werden. Ein soge­nannter Risikowolf, weil er keine Scheu vor Menschen mehr gezeigt hatte und auch zweimalige Vergrämungsmaßnahmen keine Wirkung zeigten.

„Gefunden haben wir nur noch einen Beckenknochen“

Vier Wochen lang gilt die Abschussfrist und zwar in einem Zehn-Kilometer-Umkreis. „Den Wolf in dieser Frist und diesem abgegrenzten Gebiet zu erlegen, ist natürlich schwierig“, sagt Johann Feßl, der Obmann des oö. Vereins Alm und Weide und selbst Almbauer. Wenn der Wolf z. B. am Dachsteinplateau über die steirische Grenze spaziert, hat er nichts zu fürchten. Denn in der Steiermark ist eine derartige Verordnung noch nicht in Kraft. Außerdem sei das Weidegebiet dort von einer enormen Weite und einer steinigen, kargen Landschaft geprägt, in der Latschen und Geländekanten den Einblick verdecken.

„Die Wolfsmanagementverordnung ist ein Schritt in die richtige Richtung und wir sind froh, dass Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger diese umgesetzt hat“, sagt Feßl. Um einer „dauerhaften Ausbreitung entgegenzuwirken“, brauche es aber weitere Anstrengungen.

„Wenn die Tiere beim Almabtrieb nicht mehr dabei sind, tut das schon weh.“ Johann Feßl

Feßl und seine Almbäuerinnen und Almbauern fordern zum einen eine österreichweite Regelung sowie die Möglichkeit, den Wolf in Problemgebieten dauerhaft bejagen, also regulie­ren zu können. Eine Entnahme ist mit der jetzigen Verordnung nur bei nachgewiesenen Wolfsrissen möglich. „Wir können aber nicht alles beweisen“, sagt Feßl. Auch in seiner Rinderherde ist ein zwei Tage altes Kalb verschwunden. „Mit sechs Leuten haben wir nach dem neugeborenen Kalb gesucht. Gefunden haben wir nur mehr einen Beckenknochen“, sagt der Almbauer. Nachsatz: „Das ist schon bitter.“

Ein geeigneter Nachweis sei dann natürlich nicht mehr möglich. „Die Dunkelziffer der Wolfsschäden liegt sicher höher als die offiziellen Zahlen“, schildert Feßl. Und außerdem stehen „hinter jedem getöteten Tier Bäuerinnen und Bauern, die ihr Vieh hegen, streicheln und für die Alm vorbereiten. Wenn die Tiere dann beim Almabtrieb nicht mehr dabei sind, tut das schon weh“, sagt Feßl.

Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger kann die Emotionen nachvollziehen: „Wenn die Bäuerinnen und Bauern nach einem Sommer nur noch die Hälfte ihrer Schafe von der Alm ins Tal bringen, werden sie irgendwann verständlicherweise nicht mehr auftreiben wollen.“

20.000 Wölfe in Europa: „Jetzt regulierend eingreifen“

Man kämpft gemeinsam mit den heimischen Agrarpolitikern auf einer Front – bis hinauf zur EU-Ebene. Dort scheinen die seit Jahren wiederholten Rufe nun Gehör zu finden. Vergangene Woche ließ EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit einer Aussage aufhorchen. Die Konzentration von Wolfsrudeln sei „in einigen Regionen Europas eine reale Gefahr geworden – für Tierherden und potenziell auch für Menschen“ (die BauernZeitung berichtete). Konkret werden nun Änderungen beim Schutzstatus von Wölfen im EU-Raum überlegt. Vorerst kann dazu jeder, der betroffen oder interessiert ist, bis zum 22. September seine Erfahrungen oder In-formationen der EU-Kommission mitteilen.

Zu diesem längst überfälligen Schritt „haben auch die regelmäßigen Interventionen aus den Bundesländern beigetragen“, so die bäuerliche EU-Abgeordnete Simone Schmiedtbauer, die vergangene Woche mit Langer-Weninger zusammentraf. „Bei einer europaweiten Population von 20.000 Tieren und einer jährlichen Repro-duktionsrate von 30 Prozent ist ein Erhaltungszustand längst erreicht
und gesichert“, sagt Langer-Weninger. Jetzt gehe es darum regulierend einzugreifen, so wie bei anderen Tierarten auch.

- Bildquellen -

  • Wolf Watching Herd Of Sheep: Adobe Stock
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AUTORAnni Pichler
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