Sich zu Weihnachten wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren und die Botschaft Gottes zu hören, dazu lädt Bischof Alois Schwarz im Hinblick auf das bevorstehende Weihnachtsfest ein.
BAUERNZEITUNG: Herr Bischof, das bevorstehende Weihnachtsfest steht ganz im Zeichen vieler Einschränkungen durch die Corona-Pandemie. Wie kann die Kirche den Menschen in dieser Zeit Hoffnung geben?
SCHWARZ: Die Kirche macht Mut das Leben wahrzunehmen, wie es ist. Denn darin wird Gott Mensch. In dieser, unserer, Welt. Keine heile Welt, keine erträumte, keine vergangene. Eine Welt der unerfüllten Sehnsüchte, der menschlichen Konflikte. Gott wird ein Mensch in und von dieser Welt. Menschwerdung Gottes ist kein Ereignis der Vergangenheit, das wir ins Gedächtnis rufen. In diese, unsere, Welt geht Gott ein. Er teilt unser Leben. Das unterscheidet das Christentum von allen anderen Religionen. Gott nimmt unser Schicksal auf sich. Davon sollen wir erzählen.
Was ist für Sie – gerade im Hinblick auf die Pandemie – die wichtigste Botschaft heuer zu Weihnachten?
Gott entscheidet sich für das Leben als Mensch. Ein Kind wird geboren. Das Leben geht weiter mit einem Hoffnungsträger der Zukunft. Gott fängt klein an. Zu Weihnachten wird den Hirten gesagt: Geht in den Stall. Geht in euren Alltag. Dort findet ihr ein Kind, in Windeln gewickelt in einer Krippe liegend (Lk2,12). Weihnachten ermöglicht uns einen anderen Blick auf die Welt. In unserer Welt ist Gottes Herrlichkeit verborgen.
Der Sinn des Lebens entscheidet sich im Alltäglichen. Da ist Enge, Leere, Langeweile, das Gefühl von Überdruss. Man schaut aus nach Flucht aus der Mühle der Zwangsläufigkeiten. Wir suchen Erlebnisse jenseits des Alltags. Nun ist gerade in der Alltäglichkeit Gott mit uns, der selbst in Nazareth unauffällig dreißig Jahre gelebt hat. Die Verschlossenheit, in die wir hineingeführt wurden, hat Fenster, die sich auf eine andere Wirklichkeit hin öffnen. Gott zeigt uns Herrlichkeit in der Niedrigkeit.
Welche Erfahrungen aus der Corona-Krise nehmen Sie für die Zukunft mit?
Viele haben sich mutig geopfert, um Kranke zu pflegen, die Gesunden zu schützen und die notwendigen Dienstleistungen sicher zu stellen. Das war eine starke Übung der Verantwortung für alle. Ich freue mich dankbar über die kleinen Gesten der Aufmerksamkeit und Güte. Ich danke für alle Gebete, alles Nachdenken und Zuhören. Ich nehme eine neue Wachsamkeit für das Leben mit. Und eine Aufmerksamkeit darauf, dass die digitale Welt den Charakter der Menschen verändert. Manchmal Einfühlsamkeit zerstört, Phrasen der Verbundenheit vermittelt, Menschen aggressiv macht. Wir brauchen Resonanzräume des Lebens und der Liebe.
Welche Angebote gibt es für Menschen, die zur Risikogruppe zählen und die deshalb an den kommenden Weihnachtsfeiertagen nicht zur Kirche kommen wollen?
Zunächst einmal möchte ich Ihnen sagen: Gehen Sie gut mit sich selbst um. „Gönne dich dir selbst“ hat der heilige Bernhard gesagt, und: „Sei wie für alle anderen auch für dich selbst da, oder jedenfalls sei es nach allen anderen.“ Machen Sie sich selbst ein Angebot. Das kann das Mitfeiern eines Gottesdienstes im Fernsehen oder im Radio sein.
Weihnachten ist kein fernes Geschehen, das viele Jahre zurückliegt. Wer sich dafür öffnet, kann Christus in sich zur Welt kommen lassen. Dass er in uns geboren wird. Was will ich von Christus in meinem Leben darstellen, seine Geduld mit den Kranken, seine Aufmerksamkeit für Kinder, sein Wort der Vergebung. Ich nütze die Zeit, um über andere nachzudenken, wie sie mir etwas Bestimmtes von Christus verdeutlichen. Was kann mir an dem oder an der von Christus aufgehen? Damit wird Weihnachten zu einem Prozess der Verlebendigung von Christus in unserer Welt. Wir spielen im Weihnachtsgeschehen persönlich mit. Er traut mir zu, dass ich etwas von ihm der Welt heute zeige.
Sie sind nun seit zweieinhalb Jahren in St. Pölten. Wie fällt Ihre Bilanz aus? Was war Ihr schönstes Erlebnis in dieser Zeit?
Die Einführung und Aufnahme als Bischof in St. Pölten war eine starke Ermutigung zu einem vertrauensvollen Miteinander von vielen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Priestern, Diakonen und Ordensleuten. Kirche wird in diesem Land als lebensrelevante Wirklichkeit wahrgenommen und viele tragen die Anliegen der Kirche mit. Der Blick auf den Glauben der Menschen erfüllt mich mit großer Dankbarkeit hier Bischof sein zu dürfen. Die NÖ Bauernbundwallfahrt nach Mariazell gehört sicher zu meinen schönsten Erinnerungen.
Anfang Juni haben Sie einen Reformprozess für die Organisationsstruktur der Diözesanverwaltung angekündigt. Was ist das Ziel und gibt es bereits erste Ergebnisse?
Wir treffen uns in Projektgruppen und beraten, wie wir als Kirche in Niederösterreich die Menschen zu einem erfüllten Leben begleiten können und Kirche als Erlebniswelt der Nähe Gottes erfahrbar werden kann. Durch die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie brauchen wir noch etwas Geduld, um erste Ergebnisse präsentieren zu können.
Sie sind auf einem Bauernhof aufgewachsen und kennen die Arbeit und das Leben der Bäuerinnen und Bauern. Gibt es Gemeinsamkeiten im Beruf eines Landwirtes und Priesters?
Beide sind Hirten: Der Bauer, die Bäuerin und der Priester. Es geht um Brot und Wein, es geht um Jahreszeiten und Kirchenjahr, um Aussaat und Ernte. Die Bibel ist aus einer agrarischen Welt und muss städtischen Menschen nahegebracht werden. Das Leben und Arbeiten der Bauern und Bäuerinnen als Hüter unserer Schöpfung und Produzenten von wertvollen Lebensmitteln muss auch immer wieder verständlich gemacht werden. Von meiner bäuerlichen Herkunft her kenne ich eine Leidenschaft für das Arbeiten auf dem Acker und im Wald, ich kenne Mühe und Ausdauer. Ich bin dankbar für die Erinnerung an den Haustisch daheim und ich freue mich über meinen Dienst am Altar, also dem Haustisch in der Kirche, mit einladender Gastfreundschaft.
Eva Riegler
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