Im Norden und Osten der Ukraine bedeckt immer wieder mit Blut betröpfelter Schnee den Ackerboden. Die Unterjochung der Ukraine durch Russland fordert täglich Opfer, nicht nur in den besonders umkämpften Städten, auch am Land. Wäre nicht seit zwei Wochen Krieg, würden die Bauern in weiten Teilen der Ukraine jetzt regulär mit dem Frühjahrsanbau starten. Warum sie ihren Sommerweizen, Mais und Soja heuer nicht wie gewohnt aussäen können, erklärt sich anhand von Panzern, Truppen, Lastwagen-Konvois und Heereslagerstätten des russischen Agressors, die in mehr und mehr Regionen vorstoßen. Die Invasion von Putins Armee führt zu heftigen Kämpfen und unabsehbaren Flüchtlingsströmen, aber auch zu Wertverlust agrarischer Produktionsflächen, zerbombten Häusern und Betrieben, auch zu Plünderung bis hin zu Mähdrescher-Diebstählen.
Nachdem der vom Kreml angeordnete Einmarsch nicht wie geplant als Blitzkrieg binnen weniger Tage zur Übernahme von Kiew und dem Sturz der ukrainischen Regierung geführt hat, drohen laut Beobachtern nun sogar wochen- oder gar monatelange
Kampfhandlungen. Solche führen zwangsläufig dazu, dass vor allem Treibstoffe und Lebensmittel knapp werden und sich neben der ukrainischen Armee auch russische Soldaten und deren Söldner in den Dörfern an Dieseltanks, verschiedensten Lagerhallen und -räumen von Agrarbetrieben und in Häusern und Kellern der Landbevölkerung bedienen werden.
Armee kassiert Diesel ein
Vor allem braucht die ukrainische Armee jetzt alle verfügbaren Transportkapazitäten von Lastwägen, PKW oder auch Traktoren sowie gehortete Treibstoffreserven, welche zweifellos auch von landwirtschaftlichen Betrieben kommen müssen. Und speziell der Diesel für die Traktoren wird beim Frühjahrsanbau fehlen. Was auf den landwirtschaftlichen Betrieben ebenso fehlen wird, sind die vom ukrainischen Militär und der Regierung für den Abwehrkampf einbefohlenen Männer zwischen 18 und 60 Jahren als Arbeitskräfte auf den Feldern und Obstplantagen, aber auch in den Ställen.
Traktoren und Mähdrescher sind wertvolle Kriegsbeute
Neben den erwähnten Plünderungen von Treibstoff und Nahrungsmitteln gelten übrigens auch Landmaschinen als eine begehrte Beute der russischen Invasoren. Befürchtet wird, dass sich die Russen alsbald auch große moderne Traktoren und Mähdrescher, Rübenvollernter, Düngerstreuer und Feldspritzen sowie sonstige Agrartechnik als hochwertige Mitbringsel unter den Nagel reißen könnten. Ganz abgesehen vom Wertverlust, den die meisten Agrarbetriebe der Ukraine – nicht wenige werden längst auch von ausländischen Investoren, darunter viele aus der EU, geführt – durch den Diebstahl ihrer Agrartechnik verkraften müssten, würden die Maschinen bei der Feldarbeit fehlen, sollte der Krieg doch rascher enden als erwartet.
An Wert verlieren werden mit Sicherheit auch die wertvollen Tschernosemböden. Denn durch den Einsatz von Artillerie, Raketen und Minen müssen die Bauern auf ihren Äckern und Wiesen künftig über lange Zeit mit Munitionsresten und womöglich explosiven Blindgängern rechnen. Die Überreste des Krieges werden bei der Feldarbeit selbst dann noch zur tödlichen Gefahr, wenn die Soldaten beider Seiten wieder längst abgezogen sind.
Was auch die landwirtschaftliche Produktion darüber hinaus auf Jahre erschweren wird, sind die mittlerweile auf Hunderten Kilometern zerbombten Straßen und Schienen, dazu gesprengte Brücken, Häuser, Betriebsanlagen. Binnen nur weniger Tage wurde die Infrastruktur in vielen Regionen massiv zerstört. Wichtige Transportwege und damit Lieferketten sind unterbrochen, vereinzelt sind Betriebsmittellager in Flammen aufgegangen, von so mancher Produktionsstätte – Ställe, Schlachthöfe, Molkereien Mühlen, Bäckereien – stehen ebenso nur noch die Grundmauern. Einige Betriebe haben ihre Treibstoffe und sonstige Güter freiwillig an die Verteidiger ihre Landes abgegeben, Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel wurden bei den Angriffen der Russen vernichtet, ebenso Werkstätten für Landmaschinen.
Futter wird knapp
Wo solche Verarbeitungsbetriebe noch stehen, sind diese aber fast überall geschlossen, da die Angestellten nicht mehr zur Arbeit kommen können. Auch viele Agrarbetriebe mit Nutztieren laufen nur noch im Notbetrieb. Verbliebene Besitzer und deren Angestellte bangen um ihre Zukunft und fürchten sich vor der Ankunft und den Plünderungen durch russische Truppen. Zu erliegen gekommen, weil blockiert, ist auch der Agrarhandel über die Exporthäfen am Schwarzen Meer. Das wiederum hat die Preise für Weizen, Mais, Soja oder Dünger in lichte Höhen katapultiert. Was wiederum langfristig zu einem weltweiten Anstieg der Hungersnot etwa in Afrika führen könnte. Der Krieg um die Ukraine hat die globalen Agrarmärkte binnen weniger Tage völlig auf den Kopf gestellt.
Viele Informationen zur aktuellen Lage im Kriegsgebiet stammen aus Medienberichten, wie von agrarheute.de
Martina Rieberer
- Bildquellen -
- A Tank With The Symbol “Z” Painted On Its Side Is Seen In The Donetsk Region: Foto: ALEXANDER ERMOCHENKO / REUTERS / picturedesk.com