In mehreren Bezirken Tirols hat es im heurigen Jahr bereits Sichtungen von Wölfen und Nutztierrisse gegeben. Der Unmut und das Unverständnis von Bauern, Tourismus und Bevölkerung darüber, dass es keine legale Möglichkeit zur Entnahme problematischer Tiere gibt, ist groß.
„Der Weg zu einer rechtlich gedeckten Entnahme eines für die Landwirtschaft problematischen Wolfs führt derzeit einzig und allein über den Nachweis, dass Schutzmaßnahmen für die Weidetiere entweder ausgereizt oder nicht möglich sind. Und genau aus diesem Grund hat die Tiroler Landesregierung für die Jahre 2020 und 2021 jeweils 500.000 Euro zur Unterstützung und zum Schutz der heimischen Weide- und Almwirtschaft vor Schäden durch große Beutegreifer beschlossen“, betont Bauernbundobmann LHStv. Josef Geisler. „Das ist kein Begrüßungsgeschenk für den Wolf, sondern eine Notwendigkeit, um unter den derzeitigen Umständen überhaupt einmal zu einer Entnahme zu kommen.“
Doppelstrategie
Parallel dazu setzen die bäuerlichen Vertreter auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene gemeinsam mit den Kollegen der Euregio alles daran, auch in Brüssel ein Umdenken hinsichtlich des hohen Schutzstatus von Wolf & Co zu bewirken.
„Wir können aber nicht warten, bis die EU erkennt, welche Gefahr der Wolf für die Almwirtschaft, den Tourismus und das Naturgefahrenmanagement darstellt. Deshalb müssen wir den vorhandenen Handlungsspielraum – wie wir das beispielweise auch in der Transitfrage tun – bestmöglich ausnutzen“, so Geisler.
Im Gegensatz zu Salzburg, Niederösterreich oder auch Bayern fördert das Land Tirol die allgemeine Beratung und die Erstellung von Weidelenkungs- und Schutzkonzepten sowie Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen auch dann, wenn es keine konkreten Übergriffe gibt. „Auf Almen und Betrieben, die diese Unterstützung frühzeitig annehmen, können wir im Fall einer Wolfspräsenz dann auch schneller agieren“, skizziert Geisler den Tiroler Weg. Die Beratung und Konzepterstellung wird sowohl mit als auch ohne konkrete Übergriffe vom Land Tirol zur Gänze übernommen. Hier arbeiten Land Tirol und Landwirtschaftskammer eng zusammen.
Heuer 60 Prozent Förderung für Infrastruktur
Eine Aktion, die ebenfalls bereits im heurigen Jahr startet, ist die Förderung von GPS-Trackern. Diese stellen zwar selbst keinen Schutz vor Wolfsübergriffen dar, ermöglichen es aber, die Bewegung von Schafen und Ziegen auf den Almen nachzuvollziehen und etwaige Beunruhigungen und Auffälligkeiten zeitnah zu bemerken. Auch das Auffinden von gerissenen oder versprengten Schafen wird so erleichtert. Das Land Tirol übernimmt in Zusammenarbeit mit dem Schafzuchtverband im Rahmen der bestehenden Förderrichtlinie 60 Prozent der Kosten für die GPS-Tracker.
Im heurigen Jahr ebenfalls mit 60 Prozent unterstützt wird die Anschaffung von wolfssicheren Elektrozäunen und die Verstärkung von bestehende Fixzäunen mit Elektrolitzen. Für die Zäunung vom Almweiden wird zudem ein pauschaler Beitrag pro Laufmeter für die Errichtung ausbezahlt. Mit gelenkter Weideführung und Herdenschutz in Verbindung stehenden Infrastrukturmaßnahmen wie Zaunmaterial oder Hirtenunterkünfte werden im heurigen Jahr mit 60 Prozent gefördert. Voraussetzung für den Erhalt der Förderung ist eine fachliche Vor-Ort-Bertatung. Bis zur Almsaison 2021 wird es eine eigene in Brüssel zu notifizierende Förderrichtlinie geben, bei der auch die Kostenbeiträge für eine Behirtung im Sinne einer gelenkten Behirtung geregelt werden sollen. „Ziel ist es, die finanzielle Belastung für die Almbauern so gering wie möglich zu halten“, so Geisler.
Weiterhin Geltung hat die bestehende Entschädigungsrichtlinie des Landes mit den Standardkostensätzen für gerissene oder im Zusammenhang mit großen Beutegreifern abgestürzte oder nicht mehr auffindbare Schafe und Ziegen. Das Land Tirol übernimmt auch weiterhin die Futterkosten für jene Tiere, die aufgrund von Rissen großer Beutegreifer von den Almen in die Heimbetriebe gebracht werden.
Hausaufgaben gemacht
Nicht unwidersprochen lassen will LHStv. Josef Geisler die Äußerung von LKÖ-Präsident Josef Moosbrugger, wonach Tirol beim Jagdgesetz nachschärfen müsse: „Wir haben unsere Hausaufgaben in Tirol schon lange gemacht.“ Im Rahmen des Tiroler Jagdgesetzes kann die Behörde nach Anhörung geeigneter Sachverständiger innerhalb des EU-Rechtsrahmens mit Verordnung die Entnahme eines bestimmten Wolfes anordnen. Anders als ein Bescheid kann eine solche Verordnung unmittelbar nach der Verlautbarung in Kraft treten.
In Salzburg hat es bekanntlich ein Jahr gedauert, bis der Bescheid zur Entnahme eines bestimmten Wolfes erlassen wurde. Und dieser ist noch immer nicht rechtskräftig. Naturschutzorganisationen haben bereits angekündigt, dagegen Beschwerde zu erheben. Für alle innerstaatlichen Maßnahmen gilt aber gleichermaßen, dass diese nur im Rahmen des strengen EU-Schutzsystems möglich ist – und hier bestehen – wie oben ausgeführt – enge Grenzen.
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