„Viele Lagerhäuser stellen nun auch direkt zu“

RWA-Generaldirektor Reinhard Wolf

Raiffeisen-Ware-Manager Reinhard Wolf spricht über den hohen Organisationsaufwand, der im Agrarhandel mit der Corona-Krise verbunden ist. Dennoch laufe die Abwicklung „eigentlich einwandfrei“ dank vieler engagierter Mitarbeiter an vorderster Front in den Lagern wie auch in der Auslieferung, deren Aufrechterhaltung er gewährleistet sieht.

Interview: Bernhard Weber

BauernZeitung: Herr Generaldirektor, den Lagerhäusern kommt dieser Tage besondere Bedeutung zu, um die Versorgung der Landwirtschaft mit Betriebsmitteln aufrecht zu erhalten. Mit welchen Problemen haben Sie derzeit besonders zu kämpfen?
Wolf: Die aktuelle Situation ist nicht leicht und bringt natürlich Probleme mit sich. Ich glaube aber, dass wir die meisten Probleme lösen können. Denn gerade in der jetzigen Krisensituation ist ein starker Zusammenhalt in der Gesellschaft zu spüren. Die Bevölkerung in diesem Land zeigt eine unglaubliche Bereitschaft, das Coronavirus gemeinsam einzudämmen und beachtet die entsprechenden Regeln und Richtlinien. Diese Bemühungen sind auch den Lagerhäusern wichtig. Die Menschen erkennen zudem gerade jetzt wieder wie wichtig die Selbstversorgung durch heimische Produkte ist und dass die österreichische Landwirtschaft dabei eine wichtige Rolle spielt. Die größte Herausforderung oder Umstellung für uns derzeit ist, die Kunden wie immer rasch und effizient zu servicieren und dabei einen größtmöglichen Schutz für Mitarbeiter und Kunden sicherzustellen. Aber das spielt sich von Tag zu Tag immer besser ein, wir lernen damit umzugehen.

Gibt es genug Saatgut, Dünger, Pflanzenschutzmittel, Futter, Diesel? Und vor allem: Funktionieren auch der Handel, die Verteilung und Logistik, was das Personal angeht?
Ja, in den Lagerhäusern ist von allem genug eingelagert – egal ob Saatgut oder verschiedene Betriebsmittel, so dass die Landwirte beruhigt in die Frühjahrssaison starten können. Explizit betonen möchte ich auch, dass genug Diesel zur Verfügung steht, da wir durch langfristige Verträge mit der Raffinerie Schwechat genug Mengen abgesichert haben. Wir sind für die Landwirte da, gerade auch in Krisenzeiten. Diese können sich auf die Lagerhäuser vor allem auch dann verlassen, wenn es mal nicht so ganz rund läuft. Die Mitarbeiter der Lagerhäuser und vorgelagert auch in der RWA machen aktuell einen fantastischen Job und zeigen vollen Einsatz, damit die agrarische Versorgung wie gewohnt weiterläuft. Aber auch bei unseren Logistikpartnern sehen wir derzeit noch keine gravierenden Einschränkungen. Selbstverständlich kommt es hier und dort aufgrund der aktuellen Situation an den Grenzen, Quarantänemaßnahmen usw. zu Einschränkungen, aber diese fallen momentan nicht ins Gewicht.

Befürchten Sie Ausfälle bei Ihren Zulieferern aufgrund der Flucht vieler Menschen in ihre Heimatländer, in welchen Bereichen und wo könnte die Lage mittel- bis langfristig prekär werden?
Wie gesagt sehen wir derzeit keine drastischen Auswirkungen, wenngleich im LKW-Transit eine herabgesetzte Leistungsfähigkeit spürbar ist. Dort wo notwendig, versuchen wir rechtzeitig entgegenzusteuern. Wir versuchen beispielsweise im Düngerbereich den Nachholbedarf aus der österreichischen Industrie abzudecken. Problematisch sehe ich aktuell nur einzelne Teilbereiche, so könnte es beispielsweise bei einigen NPK-Formulierungen zu Verzögerungen kommen oder bei Kellereimaschinen, deren Hauptproduktionsgebiet in Norditalien liegt. Man muss die Situation aber selbstverständlich laufend beobachten, da wir in den vergangenen Wochen gelernt haben, dass sich die jeweilige Lage auch rasch verändern kann.

In ganz Europa werden die Unternehmen heruntergefahren. Was bedeutet das etwa für die Maschinen-, Geräte und Ersatzteileversorgung?
Auch bei den Landmaschinen Produzenten merkt man, dass die Werke bereits ihre Kapazitäten reduzieren. Doch hier möchte ich die Landwirte ebenso beruhigen. Erstens ist die Produktion unserem Informationsstand nach bei allen unseren Herstellern weiterhin im Laufen. Und zweitens haben wir seitens des Lagerhaus Technik-Centers eine entsprechende Bevorratung bei Landmaschinen durch die Landtechnik-Lieferanten abgesichert. Daher sind und bleiben wir kurzfristig lieferfähig und bieten darüber hinaus auch mit unserem Landtechnik-Mietmodell Rentflex weitere flexible Möglichkeiten. Auch die Beratung und Übergabe läuft normal weiter, wenngleich wir auch hier die persönlichen Kontakte klar minimieren und alle Regeln einhalten. Sollten Reparaturen bei bestehenden Maschinen notwendig werden, kann man weiterhin jederzeit in die Lagerhaus-Werkstätten kommen oder Teile im Online-Shop bestellen. Aufgrund der Logistik-Situation kann die Lieferung aktuell ein paar Tage länger dauern, aber es ist genug auf Lager.

Was bekommt man auch bei Ihnen im Lagerhaus derzeit nicht zu kaufen? Welche Abteilungen dürfen Sie derzeit nicht offen halten? In den Lagerhäusern gibt es ja üblicherweise auch Baustoffe, Energie oder das Gartensegment.
Selbstverständlich müssen auch wir unseren Beitrag leisten, um die Ausbreitung des Coronaviruses einzudämmen. Daher halten wir uns strikt an die gesetzlichen Vorgaben. Von den Einschränkungen betroffen sind insbesondere die Lagerhaus Bau- und Gartenmärkte, die nur mehr ein begrenztes Sortiment wie Lebensmittel, Tierfutter oder Heizmaterialien verkaufen dürfen. Baustoffe dürfen weiterhin ausgeliefert werden und Tankstellen bleiben geöffnet. Eine große Bereicherung in dieser Situation ist der Lagerhaus Online-Shop, der den Kunden eine gute Alternative zum stationären Geschäft bietet. Denn gerade jetzt möchten viele Kunden die Zeit nutzen, um im Garten oder am Balkon aktiv zu werden. Darüber hinaus bieten viele Lagerhäuser nun auch kurzfristig Hauszustellungen aufgrund von Bestellungen per E-Mail oder Telefon und richten sich damit gezielt an Kunden, die im Online-Shop nicht bestellen wollen oder spezielle Produkte suchen.

Was klappt – trotz aller Widrigkeiten – nach wie vor reibungslos?
Die aktuelle Situation bringt einen hohen Organisationsaufwand mit sich, zum einen aufgrund der gesetzlichen Vorgaben und zum anderen aufgrund der allgemein verändernden Rahmenbedingungen. Vor diesem Hintergrund laufen die Prozesse und die Abwicklung eigentlich einwandfrei. Das ist in einer solchen Krisensituation nicht verständlich und ist den Mitarbeitern zu verdanken, die gerade jetzt höchsten Einsatz zeigen. Ein besonderer Dank gilt dabei den Mitarbeitern, die an vorderster Front stehen, dazu zählen unter anderem die Lagermitarbeiter oder die Mitarbeiter, die in der Auslieferung tätig sind.

Was geht Ihnen derzeit abends so durch den Kopf?
In Situationen wie dieser wird mir noch mehr als sonst bewusst, wie dankbar wir sein dürfen in Österreich zu leben. Trotz der aktuellen Herausforderungen sind wir hier gut versorgt, wir schauen aufeinander und wir ziehen gemeinsam an einem Strang. Das ist bei weitem nicht selbstverständlich. Und haben wir einen vergleichsweise hohen Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln. Das haben wir unseren heimischen Bäuerinnen und Bauern zu verdanken, die tagtäglich auf den Feldern und in den Ställen größten Einsatz zeigen, um uns zu versorgen. Mich beschäftigt aber auch die Frage, ob wir in der Vergangenheit nicht vieles falsch gemacht haben und ob diese Krise uns hilft, künftig andere Wege einzuschlagen.

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  • RWA GD Wolf: RWA/Georges Schneider
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