Ein Jahr nach dem Brexit halten im britischen Königreich die Ausfälle und Verzögerungen in der Logistikbranche weiterhin an. Vor allem rigorose Zuwanderungsregeln, verhängt von der Regierung in London, haben in vielen Branchen längst zu erheblichen Engpässen geführt, darunter auch in der Landwirtschaft und im Lebensmittelhandel.
Ist Österreich ebenfalls von den Lieferengpässen betroffen?
So konnte die Obst- und Gemüseernte auf vielen Feldern in England nicht rechtzeitig eingeholt werden, weil auf der Insel zu wenig Erntehelfer einreisen durften. Und ohne die erforderliche Zahl an Fachkräften für die Schlachtung und Fleischverarbeitung landeten die Kadaver tausender notgeschlachteter Tiere auf dem Müll.
Mit dem kommenden Jahreswechsel enden nun die meisten der einseitigen Import-Übergangsfristen. Vor allem kleine Unternehmen seien aber weiterhin nicht ausreichend auf die neuen Zollregeln vorbereitet. Somit sei spätestens im Sommer der nächste veritable Versorgungsengpass auf dem Inselstaat vorprogrammiert, mutmaßen Beobachter.
Neben dem Brexit und der Corona-Pandemie ist auch die historisch hohe Abhängigkeit der Briten mit Lebensmitteln vom Weltmarkt ein Problem.
„Corona und Brexit haben gezeigt, dass einem eine ausreichende Selbstversorgung nicht geschenkt wird, sondern hart erarbeitet werden muss. Den Briten, bekanntlich Musterschüler der Globalisierung und des Freihandels, wird das nun deutlich vor Augen geführt“, sagte NÖ Bauernbunddirektor Paul Nemecek.
Soweit sei es in Österreich noch lange nicht, nur Nonfood-Produkte, wie Chips für Autos und Technikartikel, sind auch hierzulande seit einigen Monaten Mangelware. „Dass unser Weihnachtstisch reich gedeckt ist, ist aber nicht selbstverständlich. Unsere Bäuerinnen und Bauern sichern die regionale Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln bester Qualität an 365 Tagen im Jahr und garantieren auch zu den Festtagen kulinarische Spezialitäten“, betont Nemecek. Er fordert daher mehr Respekt für die Landwirte ein: „Sorgen wir gemeinsam dafür, dass das, wofür unsere Bäuerinnen und Bauern tagtäglich die gesunde und nachhaltige Grundlage bilden, auch die entsprechende Wertschätzung erfährt.“
Denn auch in Österreich sei eine funktionierende Selbstversorgung nicht in Stein gemeißelt, betonte EU-Abgeordneter Alexander Bernhuber. Insbesondere durch das Freihandelsabkommen Mercosur, welches das Tor für Rindfleisch aus Südamerika nach Europa öffnen soll, oder durch den Green-Deal der EU, der für die Landwirtschaft deutliche Einschränkungen vorsieht, könnte es zu einer deutlichen Verschlechterung kommen.
„Unsere Position ist klar“, sagen Bernhuber und Nemecek: „Statt Freihandel um jeden Preis braucht die Selbstversorgung unseres Landes mit Agrarprodukten einen höheren Stellenwert. Besser vom nahen Bauernmarkt, als vom fernen Weltmarkt.“
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