Herr Landesrat, das Freihandelsabkommen wird mittlerweile seit drei Jahren verhandelt. Viel wurde bereits darüber geschrieben und gesagt. Konkrete Ergebnisse sind jedoch nicht bekannt. Wie ist Ihre Einstellung zu dem geplanten Abkommen?
Schwaiger: In einem kleinen Land wie Österreich, das den Wohlstand zu fast der Hälfte des Wertschöpfungsvolumens durch den Waren- und Dienstleitungsaustausch mit anderen Ländern erwirtschaftet, wäre es ein Fehler, sich gänzlich einem gut ausverhandelten Abkommen zu verschließen. Das ist aber nicht passiert, sondern es wurde hinter verschlossenen Türen und ohne einer Spur von Transparenz verhandelt. Das kann nicht gut gehen. Hier liegt die Gefahr nahe, dass alles schrankenlos durchgewunken wird. Was ich damit sagen will: Freihandel ja, aber bitte nicht so – schon gar nicht im Landwirtschafts- und Lebensmittelbereich!
Was meinen Sie damit im Detail? Was wäre aus Ihrer Sicht zu tun?
Schwaiger: Aus meiner Sicht müssten sich zwei wesentliche Dinge ändern. Erstens muss man für Transparenz sorgen. Wenn alles hinter verschlossenen Türen geschieht, ist das der optimale Nährboden für Spekulationen, Gerüchte und Falschmeldungen. Da bekommen die Menschen den Eindruck, da machen es sich einige wenige untereinander aus. Das erzeugt enormen Widerstand, unabhängig davon, ob das Abkommen positiv oder negativ für die Bürger ist. Ich denke, das wurde vollkommen unterschätzt. Zweitens wäre man bei einem zweiten Anlauf – falls es einen solchen in absehbarer Zeit überhaupt noch gibt – gut beraten, den Bereich Lebensmittel bzw. Landwirtschaft aus dem Abkommen auszunehmen. Ich würde das zum einen inhaltlich für richtig halten, weil das ganz sensible Bereiche sind, bei denen es nicht darum gehen darf, durch Import und Export die letzten Dollars oder Euros an Wertschöpfung herauszuquetschen. Lebensmittel sind einfach nicht zu vergleichen mit Maschinen und industriellen Bauteilen – dies muss sich auch im rechtlichen Umgang mit diesen widerspiegeln. Zum anderen würden sich aus meiner Sicht auch die Aussichten auf eine Zustimmung in den EU-Mitgliedsstaaten deutlich erhöhen, wenn man diesen Bereich generell ausklammern würde.
Wie sehen Sie aktuell die Chancen, dass es zu einem Abschluss des Abkommens kommt? Die Verhandlungen scheinen ja im Moment nicht richtig voranzukommen.
Schwaiger: Aus meiner Sicht wird das Zustandekommen des Abkommens für längere Zeit nicht mehr weiter verfolgt werden. Dies insofern, da die sozialen und rechtlichen Standards so tief in die Gesellschaft eingreifen, dass hier ein völlig anderer Prozess – basierend auf Transparenz und breiter Beteiligung – aufgesetzt werden muss. In allen 27 bis 30 Kapiteln gibt es bisher keine Verständigung in der Sache – im agrarischen Bereich wurde lediglich über den Abbau von Leistungsentgelten in der Sache berichtet. Also kein Status, der weiterverfolgungswürdig ist.
Wie beurteilen Sie die Gesamtlage?
Schwaiger: Die Politik hat auf beiden Seiten diese Geschichte völlig unterschätzt. Eine gemeinsame Lösung – im Interesse der beiden größten Volkswirtschaften der Welt – kann nicht gegen die Bürger, sondern nur mit den Bürgern als Beteiligte gelingen. Und wieder sieht man, dass die Politik derart abstrakt agiert, viel zu weit weg von den Menschen ist, beinahe mit dem Unterton: Ihr versteht dies ohnehin nicht. Genau so funktioniert Politik nicht, weder auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene, aber – wie sich hier beweist – auch nicht auf dem Parkett der Weltpolitik! Wenn das einmal funktioniert hat, ist es schon lange her – jetzt ist TIPP aus meiner Sicht Geschichte – und das für lange Zeit!
Würde dem Scheitern in Europa eigentlich wer nachtrauern?
Schwaiger: Ja, da bin ich überzeugt. Gerade im Bereich der Industrie wäre eine Abstimmung von Normen und fiskalischen Maßnahmen, wie etwa Zöllen, ein ganz enormer Vorteil. Europa ist gerade in diesem Bereich mit außerordentlich hohem Know how und Produktionstechnik ausgestattet. Das würde Europa und insbesondere Deutschland im Export massiv helfen. Jetzt lauert die Gefahr, dass es zu bilateralen Abkommen zwischen den USA und großen europäischen Ländern kommt – ohne dass die kleineren Länder, so wie Österreich, mit partizipieren können. Das ist in letzter Zeit schon öfter passiert. Da sieht man, die EU ist derzeit nicht in der Lage, mit einer Stimme zu sprechen. Das schadet Europa und somit mittelfristig auch allen Bürgerinnen und Bürgern!