Studierende erwünscht: Wahlfach Erntehelfer

Der Rektor der Universität für Bodenkultur, Hubert Hasenauer, über erwünschte Einsätze seiner Studierenden als Lebensmittel- und Erntehelfer. Ihr praktisches Engagement soll auch für deren Studien anerkannt werden. An der BOKU versucht man trotz der Corona-Krise den Forschungs- und Studienbetrieb am Laufen zu halten, was zu einem massiven Digitalisierungsschub, insbesondere im Lehrbetrieb, geführt hat.

Hubert Hasenauer, Rektor der Universität für Bodenkultur FOTO: ZVG

BauernZeitung: Magnifizenz, die Landwirtschaft sucht derzeit dringend Hilfskräfte für Gemüse-, Obst- und Weinbaubetriebe für nun anstehende Kulturpflege- und Ernteeinsätze. Gesucht werden primär Personen mit einschlägigem Vorwissen, auch Studenten. Letzteren soll ein solcher Einsatz als Teil von Pflicht-Praktika auch für deren Studium angerechnet werden. Wie weit sind die Details dazu ausgearbeitet?

Hasenauer: Das kann ich ganz einfach beantworten. Wir haben gestern eine Info an alle unsere Studierenden ausgesendet, wo wir folgende Regelungen für die Anerkennung der Ernteeinsatzzeiten definiert haben: Wer sich freiwillig als Erntehelfer meldet, kann sich diese Zeit je nach Dauer als Teilleistung für die Pflichtpraktika anrechnen lassen. Zudem haben wir ein freies Wahlfach mit dem Titel „Boku-Coronahelfer“ eingerichtet, wofür man zwei ECTS-Studienpunkte erhält. Als zusätzliche Möglichkeit haben wir vorgesehen, dass wenn der jeweilige Lehrveranstaltungsleiter dies für fachlich sinnvoll erachtet, die Erntehelferzeiten auch als Praktika, etwa im Obst- und Gemüsebau, sowie als Übung oder Exkursionstage angerechnet werden können.

Und wie wird das organisiert?

Die Studierenden melden sich bei der Plattform lebensmittelhelfer.at an und gehen dann mit ihrer Einsatz-Bestätigung zu ihrem Studienprogrammbegleiter, um sich die Erntehilfezeit gemäß der beschriebenen Möglichkeiten anrechnen zu lassen.

Wie sollen solche Einsätze entlohnt werden. Was kann man den Studierenden hier raten?

Wie uns mitgeteilt wurde, ist ein Stundenlohn von 9 Euro vorgegeben. In Entlohnungsfragen ist die BOKU nicht eingebunden.

Das Corona-Virus hat auch den Studienbetrieb an Ihrer Uni lahmgelegt. Was sagen Sie Studierenden, die in den nächsten Tagen wichtige Prüfungen ablegen sollten?

Den Studienbetrieb hat das Virus nicht lahmgelegt. Wir haben sofort, wo immer es geht, auf digitale Lern- und Prüfungsformen umgestellt. Außenübungen gibt es derzeit leider nicht, das geht aus Sicherheitsgründen nicht. Dafür geht der Lehrbetrieb via Skype und vor allem Zoom, wo sich bis zu 300 Teilnehmer*innen virtuell treffen können, mit Vorlesungen und auch Prüfungen weiter. Vor allem der Prüfungsbetrieb soll so normal wie möglich weiterlaufen. Alles andere hätte massive Konsequenzen für unsere Studierenden, denken Sie nur an die Stipendienbezieher oder auch die Kinderbeihilfe, die ja an Prüfungserfolge gebunden sind. Natürlich geht eine derart massive Umstellung nicht binnen weniger Tage völlig reibungslos. Vor allem die ersten Tage waren sehr fordernd, aber mittlerweile ist alles voll angelaufen, und wir sind sehr zufrieden. Unsere Lehrenden haben ja nicht frei, sondern sind in Heimarbeit dazu angehalten, ihren Lehrverpflichtungen nachzukommen.

Denkt man an der BOKU auch über Aufschübe für gewisse Studien-Zeiträume nach?

Wir wollen darüber vorerst nicht zu viel nachdenken. Jetzt ist uns wichtig, dass unsere Studierenden beschäftigt sind. Von uns bereits angedacht wird, dass das laufende Semester in den Sommer hinein verlängert wird, damit aufgeschobene Lehrveranstaltungen und Prüfungen, etwa die Außenübungen, nachgeholt werden können. Wichtig ist, dass die Studierenden keine Nachteile im folgenden Wintersemester haben und ganz normal ihr Studium fortsetzen können.

Auch laufende wissenschaftliche Arbeiten und Versuche sind nun auf Standby gesetzt. Wie groß sind die Ausfälle, etwa bei Laborarbeiten?

Sie treffen hier einen wunden Punkt. Teile der individuellen Forschung lassen sich auch von zu Hause aus bewerkstelligen, etwa Publikationen schreiben oder Statistiken analysieren. Bei Versuchen, vor allem im Labor, ist das kaum möglich, weil man oft mehrere Personen dazu braucht und diese aus Sicherheitsgründen verschoben werden müssen. Im Außendienst gelten alle Auflagen und Abstandsregeln, da ist einiges noch machbar. Wir sind also wie viele andere Betriebe im Notdienst-Modus. Das heißt, es sind nur absolut notwenige Arbeiten zu machen, etwa Kühlgeräte zu kontrollieren oder Versuche am Laufen zu halten. Dazu zählt alles, das durch Ausfall oder Abbruch am Ende zu massiven Schäden für unsere Universität führen würde.

Wie sehr wirft die Corona-Krise die agrarische Lehr- und Forschungstätigkeit zurück, oder bringt diese die Agrarwirtschaft längerfristig sogar schneller nach vorne?

Dazu zwei Anmerkungen. Wir haben binnen weniger Tage einen unglaublichen Digitalisierungsschub gemacht, den wir im Normalfall vermutlich nicht mal in ein bis zwei Jahren geschafft hätten. Der extreme Druck hat zu enormer Kreativität unserer gesamten Mannschaft geführt. Es ist großartig, was entstanden ist, damit unser Lehr- und Forschungssystem weiterhin funktioniert. Andererseits können wir die mittel- bis langfristigen Auswirkungen auf mögliche Nachteile für die Versuchsprogramme, damit verbundene Mehrkosten und Budgetbelastungen, derzeit noch nicht abschätzen.

Interview: Bernhard Weber

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