Herr Mag. Spielmann, was sind die Aufgaben der Raumplanung?
SPIELMANN: Im Wesentlichen geht es um eine geordnete räumliche Entwicklung. Dabei wird das Ziel verfolgt, möglichst alle Ansprüche und Anforderungen an den Raum zu erfüllen und dabei gegenseitige Beeinträchtigungen zu vermeiden und auch der Natur ihren erforderlichen Raum zu lassen. Der Raum ist eine begrenzte Ressource, weil die Erdoberfläche nicht vergrößert werden kann. Daher kommt es oft auch zu widersprüchlichen und nicht miteinander zu vereinbarenden Nutzungsansprüchen. Man denke z. B. an die landwirtschaftliche Nutzung, die durch eine Bebauung nicht mehr möglich ist. Dazu kommt noch, dass jedes Grundstück auch eine/-n Eigentümer/-in hat, die/der ebenfalls Vorstellungen über die möglichen Nutzungen hat oder nur den monetären Wert des Grundstücks sieht. Nicht zu vergessen sind alle Menschen, die keine Grundflächen besitzen, aber natürlich ebenfalls Ansprüche an denselben Raum haben.
Wie unterscheiden sich die raumordnerischen Herausforderungen von Speckgürtel-Gemeinden und ländlichen Gemeinden?
SPIELMANN: Konkret geht es in jeder Gemeinde um die Herausforderung, wie es gelingt, dass für die Gemeindebürger ausreichend leistbarer Wohnraum zur Verfügung steht, attraktive Arbeitsmöglichkeiten gegeben sind und die erforderlichen technischen und sozialen Infrastrukturen im Rahmen des verfügbaren Gemeindebudgets bereitgestellt werden können. Der Unterschied zwischen sogenannten Speckgürtel-Gemeinden im Umfeld von Ballungsräumen und periphereren ländlichen Gemeinden liegt im Wesentlichen in der Entwicklungsdynamik.
Was bedeutet das für die Umlandgemeinden?
In den Umlandgemeinden entsteht aus verschiedenen Gründen der Druck auf das Bauland zu einem Großteil von außerhalb der Gemeinden. Neben dem Anstieg der Grundstückspreise kommt es durch den Zuzug zu einem deutlich schnelleren Wachstum der Bevölkerung, was durchaus auch die Infrastrukturen an die Grenzen bringen kann. Meist ändert sich durch den Zuzug nur der Wohnort, aber nicht der Arbeitsort, womit auch die Belastung durch den motorisierten Individualverkehr steigt. Aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte weisen diese Gemeinden zwischenzeitlich aber meist ein attraktives Versorgungs- und Dienstleistungsangebot auf.
In den Speckgürtel-Gemeinden stellen sich insbesondere folgende raumplanerische Fragen: Wie kann die bauliche Entwicklung der bestehenden Baulandreserven nachhaltig gestaffelt werden? Wie kann leistbarer Wohnraum geschaffen werden? Welche Baudichten sind mit der baukulturellen Entwicklung der Gemeinde in Einklang zu bringen? Welche Entwicklungsdynamik steht im Einklang mit der technischen und sozialen Infrastruktur? Welche Maßnahmen unterstützen eine Verlagerung vom motorisierten Verkehr in Richtung Fußgänger und Radfahrer?
Welche Anforderungen stellt die Entwicklungsdynamik an Landgemeinden?
Viele entlegenere Gemeinden sind durch eine stagnierende oder gar rückläufige Bevölkerungsentwicklung gekennzeichnet. Dies führt dazu, dass Infrastrukturen nicht mehr rentabel sind oder sogar geschlossen werden müssen. In diesen Gemeinden stellen sich somit insbesondere folgende raumplanerische Herausforderungen: Wie kann der Abwanderung entgegengewirkt werden? Wie kann ein maßvoller Zuzug zur Erhaltung der Infrastrukturen erreicht werden?
Wie versucht man diesen Schwierigkeiten entgegenzuwirken?
SPIELMANN: Besonders wichtig ist es, möglichst alle Betroffenen zusammenzubringen und die verschiedenen Ansprüche und Ansätze zu formulieren und herauszufinden, welcher Nutzen für wen erzielt werden soll. Wesentlich dabei ist, immer auch mögliche Alternativen zu erarbeiten und die Konsequenzen für die Betroffenen und die Allgemeinheit aufzuzeigen. Das bildet schlussendlich eine gute Grundlage, auf deren Basis politischen Bewertungen und Entscheidungen getroffen werden können.
Welche Richtung muss die Raumordnung zukünftig einschlagen, damit auch die kommenden Generationen noch Platz zum Leben und Arbeiten haben?
SPIELMANN: Die Raumordnung ist eine der wichtigsten Aufgaben, die die Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung bildet. Der Mensch braucht Raum, um zu leben. Somit schafft eine nachhaltige Raumordnung die Basis dafür, dass auch künftige Generationen noch genügend Raum zum Leben haben. Es muss uns gelingen, dass wir uns bei jeder raumbezogenen Entscheidung bewusst sind, dass es sich beim Boden um eine wertvolle Ressource handelt, die nicht vermehrbar ist. Raumplanerische Entscheidungen, die ausschließlich Vorteile für Einzelne bringen und zu Lasten der Allgemeinheit gehen, würde es somit künftig nicht mehr geben.
Mag. Klaus Spielmann, MSc. (GIS) ist Geschäftsführer der Planalp ZT-GmbH mit Sitz in Innsbruck. Das interdisziplinäre Team berät zahlreiche Gemeinden und private Auftraggeber u. a. im Bereich der örtlichen Raumplanung und Verkehrsplanung (www.planalp.at).Der Experte war Fachreferent bei der Forum-Land-Onlineveranstaltung „Raumordnung im Spannungsfeld zwischen Speckgürtel und Landgemeinde“ am vergangenen Mittwochabend. Die Nachberichterstattung erfolgt in der nächsten Ausgabe der Tiroler Bauernzeitung.
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