Auf Bär und Wolf könnte er sehr gut verzichten, erklärt Alfons Falch, Obmann des Zweidrittelgerichts, zu dem auch die Verwall-Alm gehört. Dennoch habe er nach dem Riss von mehreren Schafen 2021 nach einer Lösung für den Fortbestand der Alm gesucht.
Ein Rückblick: Im Juli 2021 wurden 19 Schafsrisse auf der Verwall-Alm einem Bären per DNA-Analyse nachgewiesen. 25 weitere Tiere werden bis heute vermisst. Der Almverantwortliche reagierte prompt und veranlasste einen frühzeitigen Almabtrieb.
„Uns hat sich die Frage gestellt, was wir unternehmen. Dass wir die Schafe auf die Alm treiben, damit sie von Wolf und Bär gerissen werden, war für uns keine Option. Mit dem Herdenschutzprojekt sahen wir eine Möglichkeit, etwas auszuprobieren“, blickt Falch zurück. „Die Verwall-Alm bietet schöne Weideflächen und ist eine der wenigen heimischen Hochalmen, auf denen man Herdenschutz überhaupt versuchen kann. Hätten wir stattdessen die Schafe nicht mehr aufgetrieben, wären die Flächen innerhalb kurzer Zeit verwildert – mit allen negativen Folgen wie Erosion, Lawinen, Vermurungen etc.“ Mit dem Land Tirol als Partner wurde daher die Verwall-Alm zum Herdenschutz-Pilotprojekt gemacht. Als besonders heikles Thema sieht Alfons Falch die Personalfrage: „Die Behirtung ist extrem arbeitsintensiv. Unsere beiden Hirtinnen haben ihre Aufgaben aber schon im vergangenen Jahr gut gemeistert und stehen uns auch heuer wieder zur Verfügung.“
Kritik, dass die Schafe im vergangenen Jahr durch die Behirtung einen stressigen Almsommer erlebt und gesundheitlich angeschlagen wieder nach Hause gekommen seien, weist er zurück: „Im vergangenen Jahr hatten wir auf der Alm mit schwierigen Wetterbedingungen und Nässe zu kämpfen. Zum Vergleich: Im Sommer 2022 gab es 22 Tage mit Niederschlag oder Nebel, der Sommer 2023 bescherte uns 54 Tage mit Niederschlag, Nebel und Schnee. Dennoch haben die Hirtinnen ihr Bestes gegeben, um die Tiergesundheit zu gewährleisten.“ Die Gesundheit des Viehs sei die Grundvoraussetzung eines gelungenen Almsommers. Daher lege man auch Wert darauf, dass die Tiere einem intensiven Gesundheitsscreening vor dem Almauftrieb unterlaufen und achte auch während des Almsommers auf den Zustand der Tiere.
„Beim Almauftrieb kommt es immer wieder vor, dass Tiere in einem schlechten Zustand aufgetrieben werden. Die Tiergesundheit beginnt im Heimbetrieb und nicht auf der Alm“, verdeutlicht Falch und bittet Auftreibende um verantwortungsvolles Kontrollieren der Tiergesundheit vor dem Almauftrieb. Es habe durch Einzelfälle, in denen dies vernachlässigt wurde, bereits negative Zwischenfälle auf der Verwall-Alm gegeben. „Im Jahr 2022 wurde eine hohe Parasitenbelastung im Kot einiger weniger Tiere schon beim Almauftrieb festgestellt. Es verendeten dadurch einige Lämmer und auch erwachsene Schafe durch den gedrehten Magenwurm. Durch rasches Handeln der Almverantwortlichen, das heißt die Entwurmung aller Schafe, konnte dies schnell wieder unter Kontrolle gebracht werden.“
Vorwürfe, dass die Schafe von den Herdenschutzhunden verletzt worden seien, möchte er ebenso nicht stehen lassen: „Ein Hund hat mit Sicherheit auch Probleme gemacht und dieser Fehler sollte heuer korrigiert werden. Doch es war kein tierärztlicher Einsatz aufgrund eines Hundebisses vonnöten.“
Insgesamt sei er mit der Umsetzung des Projekts und der Arbeit der Hirtinnen sehr zufrieden, erklärt Falch: „Im ersten Jahr hatten wir die besten Zunahmen auf der Alpe mit 163 Gramm durchschnittlicher Tageszunahme bei den Lämmern – ein sehr gutes Ergebnis.“ Als Pilotprojekt sei der Herdenschutzversuch auf der Verwall-Alm dazu da, aus Fehlern zu lernen. „Das Projekt dient dazu, Erfahrungen zu machen.“
Daten für die Schutzstatus-Senkung
Heuer werden rund 220 Schafe von elf auftreibenden Bauern auf der Verwall-Alm erwartet. Laut Statistik des Landes Tirol seien generell sinkende Auftriebszahlen bei den Schafen spürbar: Waren es vor wenigen Jahren noch 65.000 Stück, werden nun nurmehr 60.000 Schafe gealpt. Zum großen Teil liege das an den Großraubtieren, meint Alfons Falch: „Wolf und Bär werden wir so schnell nicht mehr los. Wir müssen darauf reagieren.“
Seinen Anteil an der Bekämpfung der Ausbreitung der Beutegreifer leistet der langjährige Obmann vom Zweidrittelgericht durch das Herdenschutz-Pilotprojekt. „Wir brauchen diese Projekte für unsere Argumentation auf EU-Ebene. Nur zu sagen, dass Herdenschutz in Tirol nicht umsetzbar ist, ist aus rechtlicher Sicht zu wenig. Wir brauchen Daten und Auswertungen, um die Senkung des Schutzstatus von großen Beutegreifern argumentieren zu können“, heißt es vonseiten des Landes Tirol. Inzwischen sei die Datenlage schon gut, bis zum Ende der Herdenschutz-Pilotprojekte bis Ende 2026 erhoffe man sich noch weitere Erkenntnisse. Aus heutiger Sicht würden die Daten jedoch zeigen, dass Herdenschutz im Hochgebirge wirtschaftlich überhaupt nicht und praktisch nur in sehr wenigen Fällen machbar ist.
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- Schafe Verwall 2022 (3): Privat