Patentieren und verlieren

Patente auf Pflanzen sind umstritten und gefährden Züchter und Landwirte. Im Mai könnte Bewegung in die Patentproblematik kommen.

Kürzlich wurde die Eigenschaft einer Tomate, weniger Wassergehalt aufzuweisen, patentiert. ©agrarfoto.com
Kürzlich wurde die Eigenschaft einer Tomate, weniger Wassergehalt aufzuweisen, patentiert. ©agrarfoto.com
Wer nicht erfindet, verschwindet. Wer nicht patentiert, verliert.” Das sagte schon Erich Häußer. Er war bis 1995 Präsident des Deutschen Patentamts. Doch was man patentieren darf und was nicht, darüber lässt sich streiten – besonders beim Thema “Patente auf Leben”. Patentrecht und politischer Konsens besagen eindeutig: Patente auf Leben sind verboten. Dennoch wurden vom Europäischen Patentamt (EPA) vor wenigen Monaten zwei umstrittene Patente auf bestimmte Pflanzen erteilt. Dabei handelte es sich um einen Brokkoli, der “Anti-Krebs-Substanzen” enthält, und eine Tomate, die aufgrund ihres geringen Wassergehalts besser für die Verarbeitung zu Ketchup geeignet ist (die BauernZeitung berichtete). Doch wie kam es zu diesen umstrittenen Patententscheidungen?

Pflanzen gelten nicht als Erfindung

Im Europäischen Patentübereinkommen heißt es ganz eindeutig: “Nicht als Erfindung gelten (…) neue Pflanzensorten und Tierrassen.” Es gibt drei Voraussetzungen, die für einen Patentschutz erfüllt werden müssen: Es muss sich um eine neue technische Lösung handeln, die auf einer erfinderischen Leistung beruht und gewerblich anwendbar ist. Kurz gesagt: Nur für Erfindungen werden Patente erteilt. So können beispielsweise gentechnische Verfahren patentiert werden, wenn die gentechnische Manipulation erfinderischen Charakter hat. “Biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren” sind laut Europäischem Patentübereinkommen von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Das EPA habe mit dem Patent für besagten Brokkoli und besagte Tomate beide Vorgaben umgangen, ist Christoph Then überzeugt. Then beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit Patenten, unter anderem für Greenpeace und als Berater der EU-Kommission.
Die Patente möglich gemacht hat laut Then folgende Interpretation der Rechtsgrundlage: Die Züchtungsverfahren dürfen nicht patentiert werden, die damit gezüchteten Produkte schon. Außerdem handelt es sich bei diesen “Produkten” eigentlich um neue Sorten. Diese unterliegen aber nicht dem Patentschutz, sondern dem Sortenschutz. Argumentiert wird die Entscheidung damit, dass nicht Sorten patentiert würden, sondern nur bestimmte Merkmale von Pflanzen.
Ein Beispiel dazu: Die Eigenschaft, dass besagte Tomate weniger Wasser enthält, ist nicht erfunden, sondern wurde in der Natur so vorgefunden. Die Eigenschaft wurde mit einem gewöhnlichen Züchtungsverfahren in die Pflanzen eingekreuzt. Bauern und Pflanzenzüchter hätten das schon immer gemacht, weswegen nur die Gentechnik als innovativ und damit als patentierbar gelten könne, erklärte Iga Niznik vom Verein Arche Noah, der sich für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt einsetzt. Die EPA-Entscheidung ist also zweifelhaft. Manche Nicht-Regierungsorganisationen sprechen vom “Ausverkauf der Natur”.

Der Sortenschutz hat sich bewährt

Patente auf Pflanzen führen nämlich dazu, dass Landwirte Lizenzgebühren für Saatgut und Nachbau bezahlen müssen. Das seien Kosten, die sich viele nicht leisten könnten, erklärte Michael Oberbichler, Sprecher von Saatgut Austria, der Vereinigung der Pflanzenzüchter und Saatgutkaufleute Österreichs. Zudem unterlägen normale Züchtungen dem Sortenschutz und dieser habe sich bewährt, so Oberbichler. Er erklärte: Saatgut Austria sei zwar nicht generell gegen Patente, es müsse aber klar geregelt werden, ab wann eine technische Neuerung vorliegt.
Deshalb fordert auch Saatgut Austria Rechtssicherheit für die Pflanzenzüchter und Landwirte und begrüßt den Einstieg von Arche Noah und Bio Austria in den Diskurs um den Patentschutz. Saatgut Austria-Obmann Michael Gohn erklärte bereits vor einigen Wochen: “Im Gegensatz zum bestehenden Open-Source-System mit der Züchtungsausnahme würden Patente auf Pflanzen Innovation und Züchtungsfortschritt hemmen. Mit dem Sortenschutz gibt es eine gut funktionierende Regelung, die in der Vergangenheit wesentlich zum Züchtungsfortschritt beigetragen hat.”
Der Züchtungsfortschritt basiere auf dem Züchterprivileg, erklärt Anton Brandstetter von der LK Niederösterreich. Das Züchterprivileg besagt: Wenn eine neue Sorte entstanden ist, darf jeder Züchter die Sorte verwenden und damit eine neue Sorte züchten, sprich weiterkreuzen. Bei Patenten ist das ausgeschlossen. Brandstetter: “Wenn ich das nicht mehr habe, dann wird der Züchtungsfortschritt langsamer.” Nur große Chemiekonzerne mit dementsprechenden Mitteln könnten sich das leisten, kleine Züchter nicht. Darunter würde der Wettbewerb leiden. “Man ist dann den Unternehmen ausgeliefert, die die Patente haben”, so Brandstetter. Das würde kleine Züchter umbringen.
Um das zu verhindern, muss die EU-Biopatentrichtlinie novelliert werden. Diese Novelle soll eine einheitliche und klare Unterscheidung zwischen Patent- und Sortenschutz beinhalten. Darüber besteht in Österreich breiter Konsens. Auch der für das Patentamt in Österreich zuständige Infrastrukturminister Gerald Klug sagte: “Indem wir innovative Ideen schützen, fördern wir die Forschung und die Industrie. Aber das Leben ist nicht patentierbar. Deshalb kann und darf es auch keine Patente auf Pflanzen und Tiere geben.”

Mit Petitionen politischen Druck aufbauen

Nun gilt es, politischen Druck aufzubauen und sich auf EU-Ebene gegen die “Patente auf Leben” einzusetzen, so der Tenor. Deshalb laufen bereits mehrere Petitionen gegen die “Patente auf Leben”. Bio Austria-Obfrau Gerti Grabmann ruft zur Unterstützung der Unterschriftenaktion “Keine Patente auf Pflanzen und Tiere” unter www.keinpatentaufleben.at auf und betont: “Patente auf Pflanzen bedrohen nicht nur die Biodiversität und den Züchtungsfortschritt, sondern untergraben auch die Ernährungssouveränität.” Bauernbund-Vizepräsidentin und EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger setzte sich bereits auf EU-Ebene für mehr Rechtssicherheit ein. Ende vergangenen Jahres verabschiedete das EU-Parlament eine Resolution gegen Patente auf Leben. Nun muss die EU-Kommission für Klarheit sorgen. Köstinger schließt eine Nachschärfung der Patentgesetze nicht aus.
Bewegung in die Sache kommt voraussichtlich im Mai. Der niederländische EU-Ratsvorsitz will Patente auf Rats-Ebene zum Thema machen und plant zusätzlich eine Konferenz am 18. Mai. Dort werden zwar keine definitiven Entscheidungen fallen, wie dort die Meinungen der EU-Mitgliedsstaaten ausfallen, könnte aber zu einer Weichenstellung führen.

Eva Zitz

Zuständigkeit

Das Europäische Patentamt ist keine EU-Institution, sondern ein multilaterales Abkommen von derzeit 38 europäischen Staaten. Das Europäische Patentübereinkommen ist die Richtschnur für die europäische Zusammenarbeit im Patentwesen. Die Biopatentrichtlinie 89/44 der EU wird aber zur Interpretation herangezogen. Deshalb setzt sich eine breite Front von Interessenvertretern und Politik für die Novellierung dieser Richtlinie ein. Den ersten Schritt müsste nun die EU-Kommission machen. Das EU-Parlament kann in dieser Sache nur Druck auf die Kommission ausüben.

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