Seit 18. Mai diesen Jahres lenkt Norbert Totschnig die Geschicke der Agrarpolitik. Für den aus Osttirol stammenden Minister für Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft fiel die 100-tägige Schonfrist aus. Eine erste Bilanz über Erfolge und Stolpersteine.  

In normalen Zeiten, wie wir sie noch  von vor zweieinhalb Jahren kennen,  gilt für neue Regierungsmitglieder eine Schonfrist von bis zu 100 Tagen, um sich zu finden, Abläufe abzustimmen und Prioritäten zu setzen. Diese Gepflogenheit gibt und gab es für die Mitglieder der aktuellen Bundesregierung – und das waren doch mehr als geplant – angesichts der aufeinanderfolgenden Krisen und der deshalb entstandenen Dringlichkeit zur Lösung von Herausforderungen für Österreich und die bäuerliche Berufsgruppe nicht. Für den Landwirtschaftsminister, der auf Grund seiner Coronaerkrankung erst mit etwas Zeitverzögerung einen Termin beim amtierenden Bundespräsidenten zur Angelobung bekommen hatte, waren die vergangenen 100 Tage dennoch erfolgreich. Das Wichtigste auf einen Blick:  

  •  110 Mio. Euro für die Versorgungssicherung. Von der Teuerung betroffene Betriebe, die einen Mehrfachantrag für 2022 gestellt haben, bekommen mit Ende des Jahres automatisch über die AMA einen Beitrag ausgezahlt. Gestiegene  Kosten für Betriebsmittel und Energie sollen damit abgefedert werden. 
  • 9 Mio. Euro für den „geschützten Anbau“, um die Versorgung mit regionalem Obst und Gemüse aus Glashäusern zu sichern. Die Auszahlung erfolgt bis zum 30. September 2022.
  • Tierwohlpaket und 30 Mio. Euro für Investitionsprogramm. Das Paket läutete das Aus für unstrukturierte Vollspaltenbuchten in der Schweinehaltung mit 2039 ein, bei Neu- und Umbauten sind diese bereits ab 1. Jänner 2023 verboten. Zudem laufen die Ausnahmen für die dauernde Anbindehaltung von Milchkühen mit 2030 aus. Im AMA-Gütesiegelprogramm  wird es bereits ab 1. Jänner 2024 keine dauernde Anbindehaltung auf Milchviehbetrieben geben. Von der Umstellung betroffene Milchviehbetriebe werden mit 30. Mio. Euro unterstützt. 
  • Der nationale GAP-Beschluss erfolgte nach langen Diskussions- und Beteiligungsprozessen im Mai 2022, die Genehmigung des nationalen Strategieplans durch die EU-Kommission ist für diesen Herbst zu erwarten. 
  • Bracheflächen auch 2023 zur Nutzung freigegeben. Zudem wurden verpflichtende Fruchtwechsel-Auflagen um ein Jahr verschoben. 
  • Agrarstrukturerhebung: Die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe haben im letzten Jahrzehnt um 11 Prozent abgenommen – und damit fast um die Hälfte weniger, als im Jahrzehnt davor. Der Bio-Anteil stieg.
  • Die Waldinventur hat ergeben, dass in Österreich mehr Holz nachwächst, als entnommen wird. Die Totholzmenge sowie Laub- und Mischwälder nehmen zu, ebenso die Waldbrände. 
  • Das Aktionsprogramm „Brennpunkt Wald“ bringt Maßnahmen zur besseren Risikoeinschätzung, Vernetzung von Akteuren, Forschungsprojekte und Initiativen zur Bewusstseinsbildung.
  • Mit neuen Förderrichtlinien für die Trink- und Abwasserwirtschaft investierte das Ressort 65 Mrd. Euro für die Sicherung und den Ausbau der Infrastruktur für die Versorgung der Bevölkerung mit hochqualitativem Trinkwasser sowie die Entsorgung der Abwässer. 
  • 2,5 Mio. Euro Soforthilfe der Wildbach- und Lawinenverbauung wurden nach der Unwetterkatastrophe vom Juni im Kärntner Gegendtal kurzfristig vom Landwirtschaftsministerium zur Verfügung gestellt.

Kommt ein kalter Herbst?
Dann, wenn die Teuerung deutlicher spürbar und das Gas rationiert werden könnte, müssen Minister samt Kabinett viele Hürden bewältigen. Nicht zu vergessen ist das Biogas-Gesetz, die Forschungsanlage für Holzgas oder die Herkunftskennzeichnung, deren Begutachtung zwar abgeschlossen ist, die Stellungnahmen aber noch eingearbeitet werden müssen. Und dann wäre pünktlich zum Ende der Almsaison noch das Wolfs-Problem, das heimische Almbauern an den Rand der Verzweiflung treibt.  

- Bildquellen -

  • Mag. Norbert Totschnig: BML/Lendl
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QuelleMartina Rieberer
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